Springe direkt zum Inhalt , zum Menü .

“Oberste Prämisse war die Gleichberechtigung”

Gerhard Roßwog
BWGV

Gerhard Roßwog hat die Fusion zum Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband als Vorstandsvorsitzender des BGV begleitet und war der erste Präsident des BWGV.

Herr Roßwog, Sie waren der erste Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands. Warum kam es nicht schon früher zu einer Fusion?

Württemberg hat uns immer wieder Angebote zu einer Fusion gemacht, aber die Badener waren da etwas zurückhaltender – insbesondere weil befürchtet wurde, dass Verhandlungen nicht auf gleicher Augenhöhe ablaufen könnten. Mitgeschwungen hat auch, dass Baden sich nach Zusammenführung von Baden-Württemberg zu einer politischen Einheit immer noch benachteiligt gefühlt hat. Der Hauptgrund aber, dass wir die Fusion so lange abgelehnt hatten, lag darin, dass der BGV finanziell gut aufgestellt war und von der Struktur eines kleinen, kompakten Verbands mit großer Mitgliedernähe und einer eingeschworenen Gemeinschaft profitiert hat. Die Selbstständigkeit hatte bei unserer Struktur und Aufstellung viele Vorteile – aber eben auch Nachteile, die uns dann letztlich zur Fusion bewogen haben.

Zunächst verhandelte der Württembergische Genossenschaftsverband mit dem Genossenschaftsverband Bayern. Die Fusionsverhandlungen wurden jedoch schnell wieder abgebrochen. Welche Rolle spielte der damalige Ministerpräsident Erwin Teufel dabei?

Teufel hat dabei eine gewaltige Rolle gespielt. Er hat sich stark dafür eingesetzt, uns von einer baden-württembergischen Lösung zu überzeugen. Für das Zustandekommen der Fusion war er aber nicht verantwortlich, dafür gab es zwei gute Gründe: zum einen die günstige personelle Situation, aber auch die Einsicht, dass wir mit unserer Größe an Grenzen gestoßen sind. Unser Verbandsratsvorsitzender Manfred Basler stand vor dem Ausscheiden und der WGV-Präsident Erwin Kuhn wollte in Ruhestand gehen, sodass die Personenkonstellation zur Umsetzung einer Fusion günstig war. Hinzu kam, dass angesichts der überschaubaren Zahl der Mitglieder eine umfassende Beratung nicht mehr wirtschaftlich durchführbar war.

Vor allem im Warenbereich kooperierten die beiden baden-württembergischen Genossenschaftsverbände schon vor der Fusion.

Ja, aber das war eher ein Dienstleistungsvertrag. Ich habe mich gut mit Herrn Kuhn verstanden, ohne dass schon gleich über eine Fusion gesprochen wurde. Wir haben im Warenbereich einfach Leistungen des WGV über den BGV angeboten. Wir haben damit auch nach außen gezeigt, dass wir nicht gegeneinander arbeiten, insofern kann man das als erste Annäherung der Verbände sehen. Vor der Fusion kam es zu ersten zarten Treffen zum Beispiel in der Villa Hammerschmiede in Pfinztal, bei dem die Vorstands- und Verbandsratsvorsitzenden die Eckdaten und No-Gos besprachen. Danach wurden die Gremien einbezogen, um den Letter of Intent aufzusetzen.

Was waren die No-Gos für den BGV?

Oberste Prämisse bei der Fusion war die Gleichberechtigung und dass die Verhandlungen auf Augenhöhe geführt werden, das haben wir letztlich auch geschafft. Den badischen Gremien war der juristische Sitz Karlsruhe sehr wichtig.

Wie haben Sie Mitglieder und Mitarbeiter von der Fusion zum Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband überzeugt?

Die Mitarbeiter und Mitglieder haben wir informiert als die beiden Verbandsräte uns offiziell den Auftrag zu Fusionsverhandlungen gegeben hatten. Von den Banken kam große Zustimmung, Teile des ländlichen Warenbereichs waren eher zurückhaltend. Es gab Sorgen, von Württemberg dominiert zu werden und wegen der Beitragssituation. Bei den Mitgliedern haben wir vorher in Kreisarbeitsgemeinschaften und in regionalen Infoveranstaltungen Probleme und Ängste diskutiert. Wir hatten den Anspruch, dass, wenn wir den Weg der Fusion gehen, auch alle zustimmen.

Was war die schwierigste Aufgabe für Sie als 1. Präsident des BWGV?

Die Integration der zwei Altverbände in einen gemeinsamen Verband. Das ist auf Mitgliederebene gelungen, bei den Mitarbeitern in den Abteilungen mit Sicherheit zum Großteil auch. Der Grobentwurf zum Aufbau der Organisation stand recht schnell. Das war ein Geben und Nehmen ohne große Diskrepanz. Nur bei Einzelregelungen für Mitarbeiter gab es und gibt es noch Unterschiede. Anfangs war mir wichtig die neuen Mitglieder kennenzulernen und Bedenken gegenüber einem Badener an der Spitze aus dem Weg zu räumen. Für mich war es nicht einfach das Gleichgewicht auszutarieren – immer zwischen Baden und Württemberg abzuwägen, dass sich niemand benachteiligt fühlt. Sehr belastende Themen nach der Fusion waren für mich die harten Diskussionen mit dem Betriebsrat, um die Betriebsvereinbarungen für die Mitarbeiter gerecht zusammenzuführen.

Es herrschte in dieser Zeit auch Finanzkrise, sodass Sie bestimmt auch viel auf Außenterminen bei den Genossenschaften unterwegs waren.

Ja, die Jahre von 2007 bis 2009 waren eine schwere Zeit. Die Anspannung war in allen Genossenschaften groß und dadurch auch bei uns, denn wir alle wussten ja nicht, wohin die Krise führen würde. Alle Genossenschaften waren betroffen. Vor allem die Banken, die in neuen Märkten tätig waren, haben unter der Finanzkrise gelitten. Das einzig Gute war, dass das Ansehen der regionalen Banken gestiegen ist. Wir mussten dann gemeinsam mit den Genossenschaften diese Chance auch nutzen, um auf die genossenschaftlichen Werte aufmerksam zu machen und damit den Imagegewinn nachhaltig zu gestalten.

Seit Ende 2012 sind Sie in Ruhestand – Was hat die Fusion rückblickend gebracht?

Der BWGV ist ein großer Verband, der auch auf Bundesebene innerhalb der genossenschaftlichen Organisation eine große Bedeutung hat und der in den Beratungsleistungen ein Komplettangebot anbieten kann. Was die Öffentlichkeitswirkung des BWGV und die Interessenvertretung anbelangt, brachte uns die Fusion einen großen Schritt nach vorn.

Artikel versenden