Egon Gushurst war von 1965 bis 2002 im Verbandsvorstand des Badischen Genossenschaftsverbands – davon war er 23 Jahre lang Verbandspräsident.
Seit Beginn Ihrer beruflichen Tätigkeit im Jahr 1948 stehen Sie hinter dem Genossenschaftsgedanken.
Was waren die größten Herausforderungen Ihrer insgesamt 50-jährigen Tätigkeit beim BGV?
Das war zweifelsohne der Zusammenschluss der beiden über 100 Jahre getrennten, badischen Genossenschaftsorganisationen von Raiffeisen und Schulze-Delitzsch im Jahr 1971 und die spätere Zusammenführung der beiderseits leistungsstarken Sicherungseinrichtungen. Mit der Niederlassungsfreiheit für Kreditinstitute und dem Wegfall der Zinsbindungen Ende der 60er Jahre wurde das Bankgewerbe liberalisiert und es entstand ein harter Wettbewerb unter den deutschen Kreditinstituten, auch zwischen den Volksbanken und Raiffeisenbanken. Aus dem bis dahin noch erträglichen „Nebeneinander“ im Wettbewerb um die gleichen mittelständischen Kunden und Mitglieder entstand ein zum Teil hartes „Gegeneinander“. Die Zeit war reif, den innergenossenschaftlichen Wettbewerb durch Zusammenschlüsse und Bündelung der Kräfte zu beenden oder zumindest vor Ort zu regulieren. Dies setzte allerdings den Zusammenschluss der beiden Genossenschaftsverbände in Baden voraus. Von den haupt- und ehrenamtlichen Entscheidungsträgern musste viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Schließlich ging es nicht nur um eine juristische Fusion von zwei Prüfungsverbänden, sondern in erster Linie um Zusammenschlüsse von Genossenschaften vor Ort. Ich habe mich mit Begeisterung für diese Fusion eingesetzt. Dabei hatten wir kaum Unterstützung von den genossenschaftlichen Spitzenverbänden bekommen. Neben Württemberg haben lediglich die beiden badischen Genossenschaftsverbände zu einem solch frühen Zeitpunkt den Zusammenschluss gewagt.
1977 haben Sie die bis dahin einzige regionale Einlagensicherung im Genossenschaftswesen, den „Sicherungsfonds der badischen Volksbanken und Raiffeisenbanken“, aufgebaut. Wie sah dieser konkret aus und was hat dies bedeutet?
In guten Ertragsjahren sollte auf Vorschlag des Verbandsvorstands und nach einstimmigem Mitgliederbeschluss eine zusätzliche Umlage als zweite Sicherungsstufe erhoben werden. Diese diente zur Entlastung der badischen Genossenschaftsbanken in ertragsschwächeren Jahren. Die Verwendung erfolgte ab 2002 und war auch für etwaige Kreditausfälle im badischen Verbandsgebiet gedacht. Erfreulicherweise ist es hierzu nie gekommen, sodass die Beitragsreserve plus Zinsen zweckentsprechend für die Entlastung der Banken, die im BGV Mitglied waren, verwendet werden konnte.
Soziale Belange waren Ihnen immer wichtig. Sie haben die Pensionskasse für alle Mitarbeiter der badischen Genossenschaftsorganisation geöffnet und dynamische Altersversorgungstarife eingeführt. Wie kam es dazu?
Beim Raiffeisenverband Baden bestand seit vielen Jahren für die Mitarbeiter des Verbands und der regionalen Zentralen eine Pensionskasse als kleiner staatlich beaufsichtigter Versicherungsverein zur zusätzlichen Altersversorgung. Nach dem Zusammenschluss der beiden Teile war es eine Selbstverständlichkeit, den Verein für alle Mitarbeiter des BGV zu öffnen und damit allen Mitarbeitern der Genossenschaften den freiwilligen Beitritt zu ermöglichen. Gleichzeitig wurden auch die Tarife modernisiert und dynamisiert.
In Ihrer Amtszeit wurde 1991 auch der Grundstein für die Akademie in Karlsruhe gelegt. Was waren Ihre Beweggründe?
Bildung und Nachwuchsförderung sind Kernaufgaben der genossenschaftlichen Regionalverbände. Seit Gründung der ersten Genossenschaften durch Raiffeisen und Schulze-Delitzsch bestand die Notwendigkeit, die damals meist nebenamtlichen Rechner zu schulen. Das geschah mit einfachen Mitteln meist in der Rechnerstube oder in Nebenzimmern von Gasthäusern. Diese „vagabundierenden“ Schulungsveranstaltungen wurden Mitte der 50er Jahre durch einige Schulungsräume – Hofakademie genannt – im Verbandsgebäude Karlsruhe und im Schulze-Delitzsch-Haus in Staufen abgelöst. Dieser Schulneubau war für den damaligen Verbandsdirektor des badischen Schulze-Delitzsch-Verbands, Alois Schnorr, ein mutiger Schritt. In den 50er Jahren begann die Zeit der systematischen Schulungen. Die Vereinheitlichung des Bildungswesens war die nächste Aufgabe. Nach der Verbändefusion im Jahr 1971 stellte sich die Frage der Zentralisierung des Schulungswesens entweder am Verbandssitz in Karlsruhe oder in Staufen. Die Verbandsorgane haben sich nach intensiver Diskussion für Karlsruhe unter Beibehaltung von Staufen als Haus der Begegnung und für Sonderveranstaltungen entschieden. Heute ist die Akademie in Karlsruhe ein Schmuckstück für die Gesamtorganisation und ein in Stein gemeißeltes Symbol für die Solidarität innerhalb der badischen Genossenschaftsorganisation.
Sie waren zwölf Jahre Landtagsabgeordneter. Der damalige Landwirtschaftsminister Dr. h.c. Gerhard Weiser hat zu Ihrer Verabschiedung gesagt, dass Sie schon fast gefürchtet gewesen seien, weil Sie mit Ihren Anfragen durchaus ein ganzes Ministerium beschäftigen konnten. Wie wichtig war die Nähe zur Politik als Verbandspräsident?
Gerade diese Frage war für mich im Jahre 1976 für die Landtagskandidatur ausschlaggebend. Denn als Landtagsabgeordneter hatte ich direkten Zugang zu den Ministerien und den nachgeordneten Behörden sowie Verwaltungen. Schmunzelnd, aber letztlich als Anerkennung meiner politischen Lobbyarbeit habe ich das Zitat von Minister Dr. Gerhard Weiser gehört und mich darüber gefreut.
Sie sind Ehrenpräsident des Badischen Genossenschaftsverbands. Was wünschen Sie dem BWGV im Jubiläumsjahr?
Ich gratuliere der baden-württembergischen Genossenschaftsorganisation zum 150-jährigen Bestehen und freue mich über den heutigen Stand der Gesamtorganisation. Ich wünsche dem gemeinsamen Verband für Baden und Württemberg alles Gute für die Zukunft.