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Wir schätzen unser wertvollstes Gut, unsere Mitarbeitenden: die Vorständinnen der Raiffeisenbank Ersingen eG im Interview

Anette Waidelich und Kristin Purgar führen seit Juli 2023 gemeinsam die Raiffeisenbank Ersingen eG, zu Besuch beim BWGV.
BWGV

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Ihre Zusammenarbeit in der jetzigen Konstellation dauert noch nicht allzu lange an – würden Sie dennoch eine kurze Bilanz ziehen?

Kristin Purgar: Wir arbeiten seit Juli 2022 zusammen – zunächst als Vorstand und Prokuristin und seit Juli 2023 gemeinsam im Vorstand. Es ist noch keine lange Zeit, aber durch die vielen Herausforderungen seit Sommer 2022 – die Zinswende, der Ukraine-Russland-Krieg und anderes – haben wir schnell gelernt, wie wir miteinander umgehen, um die angestrebten Ziele innerhalb der Bank zu verwirklichen. Dieses gemeinsame intensive Arbeiten hat zu einem starken Zusammenhalt, welcher durch gegenseitige Unterstützung und gegenseitiges Vertrauen geprägt ist, geführt. Unseres Erachtens hat sich die Bank in diesem Zeitraum trotz der Krisensituationen sehr positiv entwickelt.

Anette Waidelich: Auch die Harmonie innerhalb der Bank ist gegeben und der Umgang mit allen Mitarbeitern ist bei uns sehr respektvoll. Wir schätzen unser wertvollstes Gut, unsere Mitarbeitenden. Ein weiteres Erfolgsrezept ist mit Sicherheit auch die Kombination aus langjähriger Erfahrung ergänzt um neue Ideen und weiteren fachlichen Input. Der sogenannte „frische Wind“ sowie die Weiterentwicklung der internen Betriebsabläufe – beispielsweise mehr EDV-technische Unterstützung bei den Prozessen – haben die Bank zukunftsfähiger gemacht.

Wie haben Sie die Führungsaufgaben innerhalb der Bank verteilt?

Anette Waidelich: Ich bin seit 1998 im Vorstand und federführend für den Marktbereich zuständig. Meine Kollegin Kristin Purgar ist seit 1. Juli 2023 im Vorstand und zuständig für die Bereiche Produktion und Steuerung. Unabhängig von dieser Aufteilung fühlen wir uns beide für alle Bereiche zuständig. Als besonders wichtige Führungsaufgabe sehen wir den Personalbereich an. Wir sind beide, unabhängig von einer Teilung der Führungsaufgaben, jederzeit für unsere Mitarbeitenden ansprechbar.

Kristin Purgar: Ergänzend möchten wir erwähnen, dass wir beide, resultierend aus der „Größe“ unserer Bank, intensiv ins Tagesgeschäft eingebunden sind. Hieraus ergeben sich für unsere Kundinnen und Kunden kurze Bearbeitungs- und Entscheidungswege. Somit können oftmals Firmen- oder Privatkredite, bei Vorliegen aller notwendigen Unterlagen, taggleich zugesagt werden. Wir erleben oftmals, dass wir bereits eine Kreditzusage erteilen, bevor der Antragsteller bei einer anderen Bank einen Beratungstermin bekommt.

Wie vereinen Sie als Vorständinnen Beruf und Familie? 

Anette Waidelich: Mein Sohn war acht Monate alt, als ich in den Vorstand kam. Ich bin heute noch meinem damaligen Vorstandskollegen Hans Dennig sowie unserem damaligen Aufsichtsrat dankbar für das Vertrauen, das sie in mich gesetzt haben. 1998 war es nicht üblich, eine junge Frau mit kleinem Kind in den Vorstand zu berufen. Aber ich denke, dass ich das in mich gesetzte Vertrauen erfüllt habe. Durch die Unterstützung meiner Familie – Ehemann und Eltern – sowie die Flexibilität in der Bank konnte ich beide Bereiche problemlos koordinieren. Wo ein Wille ist, ist auch immer ein Weg.

Kristin Purgar: Ich bin noch in der „Familiengründungsphase“. Vor Antritt meiner Tätigkeit bei der Raiffeisenbank Ersingen eG war in meiner Partnerschaft besprochen, dass ein Familienleben nicht unbedingt nach der typisch traditionellen Rollenverteilung stattfinden wird oder kann. Aber auch gegenüber dem Aufsichtsrat und dem Vorstand war von Anfang an klar kommuniziert, dass mir Familie sehr wichtig ist und ich auch künftig eine eigene Familie haben werde. Insofern gilt es künftig die Rollen so zu verteilen, dass wir ein optimales Gleichgewicht zwischen Familie und Beruf hinbekommen. Dies erfordert natürlich Flexibilität sowohl innerhalb der Partnerschaft als auch seitens des Arbeitsgebers.

Worin bestehen Ihrer Ansicht nach die Herausforderungen für Regionalbanken?

Kristin Purgar: Die größten Herausforderungen sehen wir in der stets steigenden Regulatorik und Bürokratie. Hier muss eine Regionalbank den goldenen Mittelweg zwischen Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben und Nutzung sämtlicher Erleichterungen finden. Durch unsere Größe sind wir mittlerweile eine Nischenbank und können im Vergleich zu den großen „Playern“ wesentlich schneller und flexibler agieren.

Anette Waidelich: Als kleine Regionalbank sind wir aber auch besonders auf die Unterstützung seitens des BWGV, des BVR und der Interessengemeinschaft kleiner und mittlerer Genossenschaftsbanken angewiesen. Unseres Erachtens ist die Bankenlandschaft in Deutschland aufgrund der Vielfältigkeit und Granularität weniger anfällig in Krisensituationen, was schon mehrfach unter Beweis gestellt wurde. Daher ist es umso frustrierender, dass die Regulatorik auf EU-Ebene die Bankenlandschaft in Deutschland, insbesondere im Genossenschaftsbereich, immer weiter zusammenwachsen lässt und große, oftmals nicht mehr kontrollierbare Einheiten gebildet werden. Uns stellt sich hierbei die Frage, ob der genossenschaftliche Förderauftrag überhaupt noch gelebt wird.

Wie wird die Zukunft des Bankings aussehen?

Kristin Purgar: Wir sind der Meinung, auch aus unseren aktuellen Erfahrungen gesprochen, dass die Digitalisierung bei einfachen Bankprodukten sowie der Sachbearbeitung ausgebaut werden muss. Jedoch sind wir auch der Meinung, dass Kunden die Nähe sowie einen gewissen Umfang an Service weiterhin schätzen und auch bereit sind zu bezahlen. Bei umfangreichen Anlagen oder Finanzierungen wird unseres Erachtens weiterhin Wert auf eine individuelle, bedarfsorientierte Beratung gelegt. Hierin sehen wir auch unsere Zukunft. Wir sind bestrebt, einfache Arbeiten weitestgehend zu digitalisieren, um für unsere Kunden mehr Zeit zu haben.

Was raten Sie jungen Frauen, die in eine Führungsposition kommen wollen?

Anette Waidelich: Unseres Erachtens ist es wichtig, ein Ziel konsequent zu verfolgen und mit Fleiß und Leistung zu glänzen. Wir glauben jedoch, dass dies für Männer ebenso gilt. Bei der Besetzung unseres Vorstands hat sich der Aufsichtsrat nicht für eine Frau oder einen Mann, sondern jeweils für den/die beste/n Bewerber/in entschieden. Für junge Frauen sollte die Familienplanung kein „Hinderungsgrund“ sein, sich auf eine Führungsposition zu bewerben. Natürlich erfordert es beiderseits Flexibilität. Wenn mit offenen Karten gespielt wird, sollte dies unseres Erachtens in der heutigen Zeit kein Hinderungsgrund darstellen. Vermutlich wird in diesem Bereich, insbesondere auch aufgrund des Fachkräftemangels, künftig ein Umdenken in den Führungsebenen der Unternehmen stattfinden.

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