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Genossenschaften, Gemeinnützigkeit, Gemeinwohlökonomie – Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Genossenschaften Unterschiede und Gemeinsamkeiten und Vorteile
S. Hofschlaeger / pixelio.de

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Schaut man auf die charakteristischen Elemente möglicher Organisationsformen wird erkennbar, dass die Genossenschaft eine Mischform aus einer Personengesellschaft und einer Körperschaft, insbesondere bezogen auf die Kapitalgesellschaften, darstellt.

Beliebtes Prinzip der bürgerschaftlichen Selbsthilfe

Die Rechts- und Unternehmensform der eingetragenen Genossenschaft (eG) erfreut sich im Allgemeinen und vermehrt auch im Hinblick auf die gemeinnützige eG einer stetig größer werdenden Beliebtheit in der Bevölkerung. Als Ursachen lassen sich hier zum einen der Rückzug des Staats aus vielen Bereichen der erweiterten Daseinsversorgung sowie zum anderen das zunehmende Interesse an bürgerschaftlichem Engagement angeführt werden. Durch ihre besondere Governance-Struktur eignet sich die Rechts- und Unternehmensform der eingetragenen Genossenschaft eG hierfür in hervorragender Art und Weise. Sie stellt mit Ihrem Prinzip der Selbsthilfe eine Alternative zur klassischen Kapitalgesellschaft wie zum Beispiel in Form einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft dar. Zugleich bietet sie eine Alternative zum Idealverein, dem die Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke untersagt ist.

Der Betrieb einer Genossenschaft als gemeinnützige Körperschaft vereint die Vorzüge der Rechtsform der eG und die steuerlichen Privilegierungen des Gemeinnützigkeitsrechts.

Die „Doppelnatur“

Genossenschaften heben sich, neben dem Förderzweck, noch durch eine weitere Besonderheit von den übrigen Unternehmensformen ab: der sogenannten Doppelnatur dieser Rechtsform. Im ursprünglichen Sinne bezeichnete Draheim 1952 damit den Umstand, „dass Genossenschaften zum einen von Menschen unterhaltene, das Menschliche betonende Personenvereinigungen und zum anderen auf die wirtschaftliche Förderung dieser Menschen gerichtete, demokratisch verfasste Unternehmen sind“ (Schmale, I; Blome-Drees, [2004]: Unterschiedliche Unternehmenskulturen von Genossenschaftsbanken. Eine empirische Untersuchung.). Man kann diese Formulierung aber auch dahingehend interpretieren, dass Genossenschaften sowohl Selbsthilfeeinrichtungen als auch Wirtschaftsbetriebe darstellen. „Dieser Form der ,Doppelnatur‘ gerecht zu werden, erfordert simultan genossenschaftliche Effektivität („do the right things“) und wirtschaftliche Effizienz („do the things right“). […] Aus dem genossenschaftlichen Konzept heraus kann diese Organisationsform nur dann erfolgreich sein, wenn sie Förderauftrag und Markterfordernissen zugleich gebührende Aufmerksamkeit widmet.“ (Kramer, J. W. (2005): Der Erfolg einer Genossenschaft: Anmerkungen zu Definition, Operationalisierung, Messfaktoren und Problemen. In: Wismarer Diskussionspapiere der Hochschule Wismar, Heft 23, S. 32.)

Gemeinnützigkeit

Die eingetragene Genossenschaft ist eine Kooperation, die darauf ausgerichtet ist, durch eine dauerhafte Teilnahme am Wirtschaftsverkehr ihren individuellen Förderauftrag zu verfolgen. (Grosskopf, Münkner, Ringle 2009: 35 ff.). Von gemeinnützigen Organisationen wird hingegen dann gesprochen, wenn das Verhalten der Körperschaften dem Gemeinwohl dient. Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit bedeutet, dass keine Gewerbe- und Körperschaftssteuern an das Finanzamt abzuführen sind. Hierbei muss beachtet werden, dass nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten im steuerrechtlichen Sinn als gemeinnützig eingestuft werden. Die Abgabenordnung (§ 52) gibt Auskunft über die steuerrechtlich anerkennbaren Tatbestände.

Beispiele für steuerbegünstigte, gemeinnützige Zwecke im Sinne der Abgabenordnung (AO) sind beispielsweise eine Förderung von Wissenschaft und Forschung, Bildung und Erziehung, Sport, Kunst und Kultur, Umwelt- und Landschaftsschutz sowie Förderung der Jugendhilfe oder des öffentlichen Gesundheitswesens. Andere Zwecke, die ebenfalls dem Gemeinwohl dienen, sind demnach nicht zwangsläufig gemeinnützig.

Grundsätzlich kann eine Genossenschaft von der Finanzverwaltung als gemeinnützig anerkannt werden, wenn sie zum einen nach ihrer Satzung und zum anderen auch in der Praxis nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung steuerbegünstigte Zwecke im Sinne der AO fördert.

eG auch für gemeinnützige Zwecke geeignet

Spätestens seit den Diskussionen im Rahmen der Genossenschaftsnovelle im Jahre 2006 konnte abschließend geklärt werden, dass auch in der Rechts- und Unternehmensform der eingetragenen Genossenschaft gemeinnützige Zwecke verfolgt werden können. Genossenschaftliche Kooperationen bieten sich unter anderem für Zusammenschlüsse von Personen zur Unterhaltung einer gemeinnützigen Einrichtung (zum Beispiel Schule oder Theater) oder für den Betrieb gemeinnütziger Einrichtungen (beispielsweise Einkaufsgenossenschaft für Behindertenwerkstätten) an. Zum anderen decken genossenschaftliche Kooperationen viele der in der Gemeinwohlökonomie besonders betonten Werte ohne besondere Bemühungen ab, denn sie sind in der Governance-Struktur dieser Rechts- und Unternehmensform seit jeher verankert.

Verfolgt man nun aus steuerrechtlichen Gründen die Absicht, eine eG als gemeinnützig anerkennen zu lassen, sind einige Aspekte zu beachten. Die Tätigkeit der Genossenschaft muss darauf gerichtet sein, die Allgemeinheit zu fördern, was die Frage aufwirft, ob dies mit dem mehrfach erwähnten Streben nach einer Förderung der Mitglieder vereinbar ist. Die Finanzverwaltungen haben hier gewisse Kriterien festgesetzt, an denen abgeleitet werden kann, ob eine Förderung der Allgemeinheit oder nur der Mitglieder erfolgt. Ein Beispiel ist in diesem Zusammenhang, dass ein Eintritt in die Genossenschaft grundsätzlich jedem Interessierten möglich sein muss. Ebenfalls ein Merkmal in diesem Kontext ist die Höhe eventuell erhobener Mitgliedsbeiträge. Diese dürfen nicht so hoch angesetzt werden, dass sie in der Praxis ein Ausschlusskriterium hinsichtlich des Beitritts für gewisse Personengruppen werden. Die in Genossenschaften übliche Gewinnthesaurierung ist hingegen kein k.o.-Kriterium, denn seit der Anerkennung der gemeinnützigen „Mini-GmbH“ (Unternehmergesellschaft) ist bestätigt worden, dass bestimmte Rechtsformen Rücklagen bilden und trotzdem gemeinnützig sein können. (Winheller, S.; Zeller, C.: Die gemeinnützige Genossenschaft – Historische Rechtsform erstrahlt in neuem Glanz. In: Fundraising Echo, 01/2013, S. 1–5).

Gemeinwohlökonomie

Im Oktober 2010 verbreitete sich mit dem Start der Gemeinwohlökonomie ein weiteres Wirtschaftsmodell, das es sich zum Ziel gesetzt hat, die Idee einer ethisch orientierten Ökonomie in der Öffentlichkeit bekannt zu machen, gemeinwohl-orientierte Unternehmen und Gemeinden zu unterstützen sowie sich für die Verankerung auf politischer Ebene einzusetzen. Bei der Gemeinwohl-Ökonomie, die von Christian Felber gemeinsam mit 15 UnternehmerInnen ins Leben gerufen wurde, wird das Streben nach dem Wohl von Mensch und Umwelt zum obersten Ziel des Wirtschaftens (Gemeinwohlökonomie – Ein Wirtschaftsmodell mit Zukunft. https://www.ecogood.org/de/).

Vergleicht man die den Genossenschaften zugrundeliegenden Werte und Prinzipien mit der in Abbildung  aufgeführten Aspekten wird deutlich: Es gibt viele Gemeinsamkeiten – aber auch Unterschiede.

Genossenschaften Vorteile und Unterschiede
Grosskopf, W., Münkner, H.-H., Ringle, G. [2009]: Unsere Genossenschaft - Idee, Auftrag, Leistung. Wiesbaden: Deutscher Genossenschaftsverlag e.G., S. 37.

 

Wichtiges Alleinstellungsmerkmal von Genossenschaften ist unter anderem der verbindlich in jeder Satzung festzuschreibende und individuell ausgestaltbare Förderzweck, der wirtschaftlicher, sozialer oder kultureller Art sein kann. Analog zu den individuellen Leitbildern eines Unternehmens, die dazu dienen die Unternehmensphilosophie zu transportieren und durch die transparente Zielsetzung einen Handlungsrahmen für alle Mitarbeiter darzustellen, stellt auch der Rechtstyp kein starres Gerüst dar, sondern bietet eine gewisse Gestaltungsfreiheit, wobei es klare Regeln gibt, die das Grundgerüst der gewählten Rechts- und Unternehmensform darstellen. Hierzu zählen:

  • die gesetzliche Bestimmung im Hinblick auf den Unternehmenszweck (für Genossenschaften ist nur der gesetzlich vorgeschriebene Förderzweck zulässig)
  • Regelungen den Geschäftszweck betreffend (Genossenschaften eigenen sich für die Teilnahme am Wirtschaftsverkehr, der gemeinnützige Verein beispielsweise hingegen nicht)
  • die Aufbauorganisation (körperschaftlich organisierte Zusammenschlüsse wie die Genossenschaft sind durch ihre Organe handlungsfähig; personenbezogenen Gesellschaften hingegen sind stark vom Wechsel der Mitglieder abhängig)
  • die Stellung des Unternehmens gegenüber ihren Mitgliedern (eine Genossenschaft ist eine Körperschaft und somit eine juristische Person mit eigener Rechtsfähigkeit)
  • die Art der Beteiligung der Mitglieder (steht bei Personengesellschaften das persönliche Engagement im Vordergrund, ist es bei Kapitalgesellschaften die finanzielle Beteiligung)

Ungeachtet des oben erwähnten wirtschaftlichen Handelns verfolgen Genossenschaften keinen Gewinnmaximierungseffekt, sie müssen jedoch stets – neben der Förderung ihrer Mitglieder – sicherstellen, dass ihre Kosten gedeckt sind, was die Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Unternehmensführung und somit die Erfüllung des genossenschaftlichen Förderauftrags ist.

Fazit

Abschließend ist zum einen hervorzuheben, dass die gemeinnützige Genossenschaft eine Lücke zwischen der Rechtsform des Vereins (e.V.) und der der gemeinnützigen GmbH (gGmbH) zu schließen vermag. Der Betrieb einer Genossenschaft als gemeinnützige Körperschaft vereint die Vorzüge der Rechtsform der eG und die steuerlichen Privilegierungen des Gemeinnützigkeitsrechts. Zum anderen bleibt im Hinblick auf die Gemeinwohlökonomie festzuhalten, dass es sich hierbei nicht um eine Rechtsform handelt, sondern um einen Ansatz zur Etablierung eines alternativen Wirtschaftssystems, das von allen Organisationsformen angewandt werden kann. Die Orientierung der wirtschaftlichen Tätigkeit an Aspekten wie Gemeinwohl, kooperativer Zusammenarbeit, Beachtung der Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit sowie demokratische Mitbestimmung steht im Mittelpunkt dieses Konzepts. Dieses Bestreben ist in der Rechts- und Unternehmensform der eingetragenen Genossenschaft im Kontext der bereits aufgezeigten Doppelnatur bereits angelegt.

Genossenschaften können Gemeinwohl erzeugen – unabhängig davon, ob sie als gemeinnützig anerkannt sind oder nicht. Das heißt, ihre Bemühungen bezüglich der Erfüllung des Förderzwecks erzeugen oftmals positive Effekte, die nicht nur ihren Mitgliedern zu Gute kommen.

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