Winzer- und Weingärtnergenossenschaften müssen vor dem Hintergrund der Alterung die zukünftigen Produktionskapazitäten angemessen planen, um Überkapazitäten und zu hohe Stückkosten zu vermeiden. „Wachsen oder weichen“ ist das entscheidende Motto, unter dem sich der Strukturwandel im Weinbau vollzieht. Die Betriebe der Winzer und Weingärtner, die im Haupterwerb tätig sind, müssen wachsen, um eine angemessene Maschinenauslastung und damit eine Kostendegression innerhalb des Betriebs zu gewährleisten. Allerdings wirtschaftet nur eine kleine Anzahl der Mitgliedsbetriebe in Winzer- und Weingärtnergenossenschaften im Haupterwerb. Die überwiegende Mehrheit der Winzer und Wengerter betreibt – teilweise als traditionsreiches Familienhobby – den Weinbau im Nebenerwerb. Die Betriebsnachfolge ist insbesondere in diesen Betrieben häufig nicht gesichert.
Die wirtschaftliche Prosperität weiter Teile Baden-Württembergs führt zu Einkommensunterschieden zwischen der Weinwirtschaft und anderen Branchen. Aufgrund der hohen Attraktivität anderer Wirtschaftszweige entscheidet sich der Nachwuchs der aktuellen Winzerschaft häufig für einen Beruf außerhalb des Weinbaus. Die Betriebsnachfolge bleibt demnach in vielen Weinbaubetrieben ungewiss, was sich bereits heute in einem kontinuierlichen Rückgang der Betriebe zeigt. Der bevorstehende Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer-
Generation (Geburtsjahrgänge 1955 bis 1969) wird sich damit auch in einem zunehmenden Rückgang der Weinbaubetriebe niederschlagen.
Umfrage zur Altersstruktur im baden-württembergischen Weinbau
Um die Bedeutung dieses Phänomens eingehender zu betrachten, hat der BWGV eine Umfrage zum Alter der Genossenschaftswinzer initiiert. Die Ergebnisse einer exemplarischen Genossenschaft zeigen: Die generelle Altersstruktur der Bevölkerung spiegelt sich auch in der Altersverteilung der Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter wider. Weinbau wird als Hobby von vielen Winzern und Weingärtnern bis ins hohe Alter betrieben. Innerhalb des Verbandsgebiets finden sich viele Genossenschaftsmitglieder, die das achtzigste Lebensjahr überschritten haben. Ein nicht unerheblicher Anteil der Rebflächen wird von Betriebsleitern über 60 Jahren bewirtschaftet.
Der hohe Altersdurchschnitt in der Winzerschaft wird in den kommenden Jahren zu einem starken Rückgang der Weinbaubetriebe, die zu Genossenschaften gehören, führen. Die Konzentrationsprozesse unter den weinbautreibenden Mitgliedsbetrieben stellen auch die Winzergenossenschaften vor neue Herausforderungen. Betriebe, die nicht weitergeführt werden, geben ihre Weinberge an andere Betriebe ab. Der Verbleib dieser Flächen in der genossenschaftlichen Erfassung ist ungewiss. Nicht immer finden sich wachstumswillige Betriebe innerhalb derselben Genossenschaft, die diese Flächen übernehmen.
Die für die Winzer- und Weingärtnergenossenschaften entstehende Herausforderung liegt vorwiegend in einer geringeren Auslastung der Produktionsstätten und den damit steigenden Stückkosten. Die lokale Flächenabwanderung wird dort größer sein, wo Weingüter und andere Traubenerzeuger bereit sind, höhere Kauf- und Pachtpreise als ihre genossenschaftlichen Kollegen zu zahlen.
Zwei Zukunftsszenarien für den Weinbau
Grundsätzlich kann man aufgrund des demografisch-strukturellen Wandels von zwei Entwicklungsszenarien für die Winzer- und Weingärtnergenossenschaften ausgehen:
- Die Genossenschaft schrumpft aufgrund einer Flächenabwanderung.
- Die Genossenschaft wächst aufgrund dynamisch wachsender Mitgliedsbetriebe.
Bei starker Flächenabwanderung aus der Genossenschaft nimmt auch die Menge der angelieferten Trauben ab. Die aktuell vorhandenen Produktions- und Vermarktungskapazitäten könnten damit in Zukunft nicht ausgelastet werden. Laufende Investitionsprojekte müssten unter Umständen von einer geringeren Anzahl an Winzern mit kleineren Produktionsflächen getragen werden. Die Last zukünftiger betrieblicher Aufwendungen innerhalb der Genossenschaft wird sich dadurch auf einer geringeren Anzahl an Betrieben und auf ein geringeres Produktionsvolumen verteilen. Dies hat zur Folge, dass die Stückkosten innerhalb schrumpfender Genossenschaften tendenziell steigen. Unter Annahme eines gleichbleibenden Vermarktungspreises wäre davon auszugehen, dass die Margen für diese Genossenschaften sinken.
Es ist aber ebenso möglich, dass Mitglieder in auszahlungsstarken Genossenschaften dazu übergehen, zusätzliche Flächen in die Bewirtschaftung zu nehmen. Dies wird insbesondere in Genossenschaften der Fall sein, in denen eine kleine Anzahl an stark wachsenden Betrieben vorhanden ist, die eine gesicherte Betriebsnachfolge haben und danach streben, ihren Betrieb kontinuierlich zu erweitern. Die daraus resultierende Konsequenz der wachsenden Genossenschaft ist, dass in zukünftige Kapazitäten investiert werden muss.
Vermittlung der Flächen innerhalb der Genossenschaft
Die Herausforderung für die Genossenschaften besteht somit zunächst in der Vermittlung der Flächen innerhalb der Genossenschaft, um die Erfassungsfläche möglichst konstant zu halten. Mitglieder, die planen, ihre Rebflächen abzugeben, müssen mit wachstumswilligen Betrieben in Kontakt gebracht werden. Durch eine Flächenübergabe innerhalb der Genossenschaft kann die Erfassungsfläche möglicherweise auf einem konstanten Niveau gehalten werden.
Die aufgrund der demografisch-strukturellen Entwicklungen verursachten Kapazitätsschwankungen innerhalb der Genossenschaften können diese durch eine überbetriebliche Zusammenarbeit zwischen mehreren Unternehmen auffangen. Kooperationen sind in allen prozessualen Bereichen eine Möglichkeit, die vorhandenen Kapazitäten besser auszuschöpfen. Fusionen können dabei helfen, stark schrumpfende Genossenschaften mit einem wachsenden Partner zu verschmelzen. Die überbetriebliche Zusammenarbeit kann auch auf Ebene der Mitglieder einen Vorteil bringen. Beispielsweise kann gemeinschaftlich in Technik investiert und diese von mehreren Betrieben
genutzt werden.