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Genossenschaftliche Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsgesetzgebung

Nachhaltige Genossenschaften
BWGV

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Die Bedürfnisse der heute lebenden Menschen sollen nicht zu Lasten der zukünftigen Generationen befriedigt und Ressourcen nur in dem Umfang in Anspruch genommen werden, in dem sie sich erneuern können. So besagt es der wegweisende Brundtland-Bericht zur nachhaltigen Entwicklung. Auf die Entwicklung von Genossenschaften als Selbsthilfeorganisationen übertragen bedeutet das: die Belange der gegenwärtigen Mitglieder zu befriedigen, ohne die Fähigkeit der Genossenschaft zu gefährden, die Bedürfnisse und Wünsche zukünftiger Mitglieder erfüllen zu können. 

In diesem Sinn ist Nachhaltigkeit bei Genossenschaften systemimmanent. 

Modernisiertes Genossenschaftskonzept

Gewisse Veränderungen der genossenschaftlichen Identität sind nötig, um sich den wandelnden Rahmenbedingungen in rechtlicher sowie gesellschaftlicher Hinsicht, anzupassen. Ein modernisiertes Genossenschaftskonzept, das die werthaltigen, traditionellen Nachhaltigkeitsaspekte integriert und zugleich den aktuellen Herausforderungen gerecht wird, schafft Potenziale, die zum einen eine enge Mitgliederbeziehung (Stichwort langfristige Kundenbindung) fördern und zum anderen zu mehr Effizienz und einer erfolgreichen Differenzierung beitragen. Somit können Genossenschaften nicht nur einen Vertrauensvorsprung erzielen, sondern zugleich auch wirtschaftliche Vorteile generieren. 

Studien haben belegt, dass die Erfüllung von Nachhaltigkeitszielen und ökologischen Vorgaben zu einer verbesserten Wirtschaftlichkeit beitragen kann. Nachhaltigkeit kann soziale, ökologische und ökonomische Vorteile bedingen, ganz besonders in Form einer eingetragenen Genossenschaft. 

Die Rechts- und Unternehmensform der eingetragenen Genossenschaft (eG) verkörpert Tradition und Wandel und ist darauf ausgerichtet, die Förderung der Mitglieder sowie die Berücksichtigung genossenschaftlicher Werte mit der wirtschaftlichen Tragfähigkeit in Einklang zu bringen. Genossenschaften sind wirtschaftlich stabil und langfristig angelegt, sie bieten allen relevanten Akteuren die Möglichkeit zur Teilhabe, stärken so soziale Strukturen vor Ort und haben aufgrund ihrer Regionalität ein großes Interesse an ökologischer Nachhaltigkeit. 

Dennoch stehen die eingetragenen Genossenschaften in Bezug auf die Nachhaltigkeits-Gesetzgebung vor den gleichen Herausforderungen wie andere mittelständische Unternehmen. Die Regulierung von Europäischer Union, Bund, Land und Kommunen wirkt sich über alle Branchen hinweg aus. Im Zentrum steht dabei die geplante Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung durch die Taxonomie- und Offenlegungsverordnung sowie der Vorschlag der EU-Kommission zur Novellierung der handelsrechtlichen Nachhaltigkeitsberichterstattung. Diese wird in vielen Fällen zu sehr granularen Melde- und Offenlegungspflichten führen. 

BWGV setzt sich für stärkere Einheitlichkeit und Einfachheit ein

Darüber hinaus werden sich auch die weiteren Regulierungspakete des Europäischen Green Deal (Fit for 55, Europäisches Klimaschutzgesetz, Strategie „Vom Hof auf den Tisch“, Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft etc.) unmittelbar auf die Arbeitsweise der Unternehmen auswirken. Damit die angestrebte nachhaltige Transformation der Wirtschaft besonders die kleinen und mittleren Unternehmen nicht über Gebühr belastet, setzt sich der BWGV auf den verschiedenen Ebenen für eine stärkere Einheitlichkeit und Einfachheit sowie ausreichend lange Einführungs- und Übergangsfristen ein.

Allein in Deutschland verlangt der Transformationsprozess jährlich 100 Milliarden Euro zusätzliche Investitionen, die finanziert werden müssen. Damit die Volksbanken und Raiffeisenbanken ihrer Aufgabe als zuverlässiger Finanzpartner des Mittelstands vor Ort auch in Zukunft nachkommen können, benötigen sie bessere regulatorische Rahmenbedingungen. Der BWGV setzt sich deshalb – in enger Abstimmung mit dem BVR – für eine stärkere Differenzierung und Proportionalität in der Bankregulatorik ein und für bestmögliche Bedingungen für Unternehmen, die Kredite benötigen.

Das Potenzial von Genossenschaften in Sachen nachhaltiges Wirtschaften ist insgesamt als hoch zu bewerten, meint auch Prof. Dr. Martin Müller vom Institut Nachhaltige Unternehmensführung der Fakultät für Mathematik und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Ulm.

Herr Prof. Dr. Müller, was treibt Sie an? 

In meinem Studium der Betriebswirtschaftslehre merkte ich, dass mir etwas fehlte und ich spielte mit dem Gedanken, das Studium abzubrechen. Ich setzte mich dann in eine Vorlesung der Industriebetriebslehre, welche damals unter anderem die Schwerpunkte „Betriebliches Umweltmanagement“ und „Wirtschaftsethik“ hatten. Die Inhalte und auch der Lehrstuhlinhaber Professor Zabel begeisterten mich damals so sehr, dass ich dann auch beschloss, in dem Feld zu promovieren. Fragen der Nachhaltigkeit und der Gerechtigkeit, welche eng verknüpft sind, haben mich bis heute nicht losgelassen.

Welchen Bezug haben Sie zu Genossenschaften? 

Nun, Genossenschaften haben das Potenzial für mehr Nachhaltigkeit, es muss aber auch ausgeschöpft werden, es gibt da keinen Automatismus! Da reicht es nicht, nur auf erneuerbare Energien zu setzen. Eine Kreislaufwirtschaft setzt oft veränderte Geschäftsmodelle voraus! Es geht dabei nicht nur um Recycling, sondern auch um Aufbereitung/Wiederherstellung, weiterverwenden/teilen und Instandhaltung/Wartung.

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