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Change the Change: Über die Wandlungsfähigkeit von Unternehmen

Wandlungsfähigkeit von Unternehmen
S. Hofschlaeger/pixelio.de

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 Jack Ma, Mitbegründer und ehemaliger CEO von Alibaba, formuliert: „Die Welt ist voll von Herausforderungen und Chancen. Das war vor 2.000 Jahren bereits so und wird auch die nächsten 2.000 Jahre voraussichtlich so sein.“ Anscheinend spielen wir also schon sehr lange das immer gleiche Spiel. Unsere Umwelt verändert sich und es ist an uns, gute und kluge Antworten zu finden für den Umgang mit den neuen Herausforderungen. Diese Zug-um-Zug-Spielstrategie ist nichts Schlechtes, sondern der Motor für jegliche Art von Weiterentwicklung. Heute erleben wir allerdings, dass dieser Motor zunehmend heißläuft, zu überhitzen droht und – gefühlt – keine Phasen der Abkühlung mehr eintreten. Unsere Anpassungsfähigkeit wird dadurch auf eine harte Probe gestellt. Obwohl wir seit Darwin wissen, dass nicht die stärkste und auch nicht die intelligenteste Spezies erfolgreich sind, sondern die wandlungsfähigste, sehnen wir uns danach, dem allgegenwärtigen Anpassungsdruck zumindest zeitweise zu entkommen. Doch viele unserer Arbeitsleistungen werden in Zukunft fehlerloser und schneller von einem Computer oder Roboter erledigt werden und neue Unternehmen beziehungsweise Geschäftsmodelle entstehen quasi über Nacht. Hier wird Zurücklehnen und Abwarten nicht gerade die beste Strategie sein. Unmögliches kann extrem schnell zur Realität werden und sowohl allgegenwärtige Prognosen über die Zukunft als auch unsere Erfahrungen aus der Vergangenheit lehren uns, dass wir nur eine wirkungsvolle Antwort darauf aben: Veränderung und Anpassung!

Einmal Veränderung bitte – der zentrale Faktor Mensch

Wo die Handlungsnotwendigkeit erst einmal erkannt ist, will der egenwärtige Transformationsprozess gestaltet werden. Eine davon ist, den Wandel als Projekt zu begreifen, das operative Umsetzungsnotwendigkeiten abbildet. Schließlich bieten sich n immer ürzerer Zeit und Häufigkeit Anlässe, die Veränderungsmaschinerie irgendwo im Unternehmen in Gang zu setzen – effizientere Arbeitsprozesse, neue Technologien oder anspruchsvollere Kundenbedürfnisse sind die bekanntesten Auslöser. Gerade letztere fordern die Innovationsfähigkeit von Unternehmen heraus. In Labs und Pilotteams probieren sich Mitarbeiter aus, beim Lego-Bauen gestalten sie die Zukunft der Organisation oder vermitteln als Change Agents ihren Kollegen die Vorzüge der digitalen Welt. Hier zeigt der Change seine experimentelle, für viele Mitarbeiter sehr motivierende Seite. Diese ist wichtig, da Menschen zum Handeln eingeladen und ermutigt werden. Insbesondere neugierige und lernbereite Mitarbeiter können hier erste Schritte wagen.

Viele Change-Projekte nutzen jedoch den Transformationsdruck – und hiervon gibt es reichlich – um Mitarbeitern und Führungskräften darüber hinaus zu verdeutlichen, dass die gesamte Organisation und damit auch sie sich nachhaltig verändern müssen. In erster Linie erfordern diese Vorhaben tiefergehende Einschnitte in die Strukturen der Organisation, die nicht selten eine Neupositionierung von Rollen und Verantwortlichkeiten mit sich bringen. Im Rahmen dieser Projekte werden Mitarbeiter und Führungskräfte in der Regel über die Hintergründe und Ziele der Veränderung informiert, mit aufwendigen Kommunikationsdesigns „ins Boot geholt“ oder durch Berater „aufgegleist“. Obwohl gut gemeint und häufig auch wirklich gut gemacht erlebt trotzdem ein Großteil solcher Projekte beim Erstkontakt mit der Realität eine Ernüchterung. Denn, wie Betroffene reagieren, wenn sie sich plötzlich verändern sollen, haben die meisten von uns bereits beobachtet oder selbst erlebt: mit Überforderung, Verunsicherung, Angst und Stress. Das soll nicht heißen, dass ein gut geplantes und durchgeführtes Change-Projekt nicht erfolgversprechend ist. Nur lässt sich Veränderung heute selten als „klassisches“ Projekt begreifen, das einen Anfang und ein klar definiertes Ende hat. Wo bitteschön beginnt denn der Change und wo hört er auf? Wie viele solcher Change-Projekte benötigen wir eigentlich, um noch Schritt halten zu können? Und wie lösen wir die größte Herausforderung in Change-Projekten – nämlich die des Menschen, der sich nicht so schnell verändert, wie es erforderlich wäre?

Am einfachsten wäre es natürlich, Mitarbeiter und Führungskräfte brächten die erforderliche Veränderungskompetenz bereits mit. Kaum ein Auswahlprozess oder interne Potenzialanalyse kommt ohne die Anforderung aus, dass Mitarbeiter offen für Neuerungen und Lernerfahrungen sein sollen, flexibel Veränderungen umsetzen können und bereit sind, diese mitzutragen. Bei Führungskräften liegt die Latte noch höher. Von ihnen wird erwartet, aktiv Veränderungen anzustoßen, die Umsetzung voranzutreiben und ihre Mitarbeiter für den Change-Prozess zu gewinnen. Im Handumdrehen droht man dabei unversehens in die nächste Falle zu tappen, die suggeriert, man müsse nur die richtigen Menschen auswählen, dann klappe auch der Change. Nur, wo finden wir diese und was machen wir mit all jenen, die schon da sind, heute einen exzellenten Job machen und von denen wir erwarten, dass sie morgen etwas Anderes tun? Gründe genug also, sich der Frage zu widmen, wie man in einer Organisation Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit bei Mitarbeitern und Führungskräften erzeugt und welches die wesentlichen Gestaltungsfelder hierfür sind.

Gestaltungsfeld Führungsarbeit – großer Einfluss, hohe Anforderungen

Je höher die externe Veränderungsgeschwindigkeit, desto größer ist bei Mitarbeitern das Bedürfnis nach Sicherheit und Orientierung im Innern. In fast allen Organisationen ist diese orientierende Funktion eng an die Person der Führungskraft geknüpft. Problematisch ist, dass Führungskräften heute zur Erfüllung dieser Rolle verlässliche Planungsparameter fehlen und Zukunftsgestaltung dem Blick in eine vernebelte Glaskugel gleicht. Entsprechend zeigen Führungskräfte ganz verschiedene Handlungsmuster:

  • Bei den einen wird Führung engmaschiger, die Bedeutung operativer Zielerreichung und Kontrolle wächst und die informierende Kommunikation verstärkt sich. Die Zügel werden also im sprichwörtlichen Sinne fester in die Hand genommen, um mehr Sicherheit im Umgang mit der Unsicherheit zu demonstrieren. Die Schattenseite dieses Vorgehens zeigt sich in Form abwartender Mitarbeiter. Anstatt initiativ und selbstbestimmt zu handeln, erwarten Mitarbeiter von der Führung klar vorgegebene Schritte. Die eigene Gestaltungskraft für Veränderungen wird nicht aktiviert und in Folge dessen zerredet man die von der Führung gemachten Angebote oder belegt sie mit Widerständen.
  • Auf der anderen Seite gibt es Führungskräfte, die der eigene Anspruch an ihre Leuchtturm-Rolle überfordert. Mit viel Energieeinsatz versuchen sie, die Dinge voranzutreiben, teils bis zur Grenze der eigenen Belastbarkeit, nur um irgendwann ernüchtert aufzugeben. Nicht selten folgt dann der Schritt in die Resignation und Passivität.
  • Andere wiederum fangen gar nicht erst an, da sie vielleicht die Hoffnung haben, das Schlimmste unbeschadet zu überstehen.
  • Schließlich gibt es noch diejenigen, die inspiriert von Konzepten der Agilität und Selbstorganisation Mitarbeitern quasi über Nacht alle Freiheit und Verantwortlichkeit übertragen.

Wie auch immer, letztlich führen alle genannten Ansätze dazu, die eigenen Mitarbeiter im Laissez-faire-Stil „einfach ‘mal machen zu lassen“, mit dem Effekt, die allgemeine Orientierungslosigkeit noch mehr zu verstärken.

Gerade in Zeiten hoher Getriebenheit ist es die wichtigste Aufgabe der Führung, durch Konzentration auf die „richtigen Dinge“ Prioritäten zu setzen und für die sprichwörtliche Ruhe zu sorgen. Gleichzeitig ist es notwendig, die Organisation im Fluss zu halten und sie in ihrer Veränderungsfähigkeit weiter voranzubringen. Wie das im Einzelfall konkret aussehen muss, dafür gibt es keinen Masterplan. Daher ist jede Führungskraft und jedes Führungsteam aufgefordert, ihre eigene Blaupause zu entwerfen. Sie müssen für sich selbst und die Organisation erforschen, wie veränderungsförderliche Führungsarbeit aussehen muss. Für diesen Prozess braucht es neben Zeit vor allem organisierte und moderierte Plattformen des Dialogs. Dort erhalten Führungskräfte den Raum, sich mit der eigenen und der gemeinsamen Arbeit intensiv auseinanderzusetzen und diese in eine neue, veränderungsförderliche Richtung weiterzuentwickeln.

Gestaltungsfeld Persönlichkeitsentwicklung – zukünftiges Fokusthema für Unternehmen

Aktuell entstehen hierfür neue Chancen durch Technologie und Digitalisierung. Viele Menschen wollen diese nutzen und ihren Beitrag insbesondere zur Digitalisierung leisten. Dabei ist ihnen bewusst, dass sie hierzu ihren Handlungsspielraum erweitern und Dinge konsequent anders angehen müssen als zuvor. Das klingt einfach, ist für die meisten allerdings ziemlich schwer. Obwohl viele hart daran arbeiten, die erforderlichen Veränderungsschritte umzusetzen – mit zumeist hoher Motivation und Leistungsbereitschaft – sind sie oft enttäuscht. Interessanterweise mangelt es Mitarbeitern und Führungskräften in diesem Zusammenhang nicht an Angeboten, sich Neues fachlich und methodisch zu erschließen. Selbstverständlich müssen ein neues Programm, neue Anwendungen und Prozesse fachlich verstanden und methodisch beherrscht werden, nur trifft das den Kern dessen, was wir uns an Veränderungskompetenz bei Mitarbeitern und Führungskräften wünschen?

Was ist mit den Veränderungen, die tiefgreifender in Wirkungsräume einschneiden und damit das persönliche Arbeitsgefüge und die eigenen Handlungsmuster in Frage stellen? In der heutigen Arbeitswelt wird scheinbar Gegebenes schnell ausgehebelt, eine Reorganisation jagt die nächste und von außen ist kaum mehr Stabilität und Sicherheit zu erwarten. Auf diesem Boden Halt und Orientierung zu finden, ist für viele Mitarbeiter und Führungskräfte nicht einfach. Es verwundert dann nicht, dass Veränderungsvorhaben nicht mit Lust, sondern tendenziell mit Ängsten und Abwehrhaltung verbunden sind. Versagensängste, Angst vor Machtverlust und Anerkennungsdefizite rauben die Kraft, sich mit dem Change konstruktiv auseinanderzusetzen. Dabei ist gerade die Offenheit gegenüber Veränderungen von enorm hoher Bedeutung für den zukünftigen Erfolg von Organisationen. Das heißt jedoch, dass Mitarbeiter und Führungskräfte eine individuelle Toleranz für neue Erfahrungen entwickeln müssen, um sich so schneller an strukturelle und kulturelle Transformationen anzupassen. Diese Erfahrungsräume betreten diejenigen Menschen leichter, die sich ihrer eigenen Person, ihrer Wirkung, Stärken und Schwächen bewusst sind und Kompetenz im Umgang mit sich selbst und anderen erworben haben. In dieser Hinsicht stabile Persönlichkeiten lassen sich durch Veränderungen herausfordern und reifen weiter an ihnen.

Dennoch bleibt im Gegensatz zur Wissensaneignung die persönliche Weiterentwicklung herausfordernd, mühsam und scheint manchmal unmöglich. Hinzu kommt, dass viele dieser Entwicklungsschritte im privaten Kontext vollzogen werden und Angebote zur persönlichen Reifung im beruflichen Umfeld eine noch untergeordnete Rolle spielen. Meist, weil ihr Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg nicht sofort sichtbar ist oder persönliche Vorbehalte bestehen, sich in einem Businessumfeld diesen Themen anzunähern. Namhafte Unternehmen haben das Potenzial allerdings bereits für sich entdeckt. Googles „Search inside yourself“ machte vor Jahren den Anfang, heute investieren Unternehmen wie SAP und dm Drogeriemarkt in die persönliche Entwicklung ihrer Mitarbeiter.

Gestaltungsfeld Personal- und Führungsinstrumente – mit gutem Gespür und Fingerspitzengefühl

Führungsarbeit in veränderungsförderlicher Weise nimmt großen Einfluss darauf, wie Menschen miteinander arbeiten. Die in den vergangenen Jahren wahrnehmbaren Entwicklungen zeigen, wie sich die Wertmaßstäbe und Strukturelemente in der Führung verändern. Mitarbeiterorientierung, Lernbereitschaft, Selbstführung und -reflexion, Vertrauen sowie Vernetzung sind Elemente, die darauf einzahlen, statt optimaler Steuerung vor allem optimale Wirkung zu erzielen. Dieses Neudenken der Zusammenarbeit hat Charme, bedeutet aber auch, dass nicht nur das menschliche Miteinander verändert werden muss, sondern auch Systeme und Instrumente einer Anpassung bedürfen. Verlässliche Navigationsinstrumente der Führung wie Mitarbeitergespräche, Zielvereinbarungen, Leistungsbeurteilungen, Meetings, Entscheidungsprozesse etc. scheinen plötzlich nur noch bedingt geeignet, um mit ihrer Hilfe die neuen Anforderungen zu bewältigen. Ein Phänomen sei an dieser Stelle exemplarisch genannt: Führungskräfte wie auch Mitarbeiter leiden heute schwer unter dem Gefühl, nicht genug zur eigentlichen Arbeit zu kommen. Sie lassen Zeit in endlosen Meeting-Schleifen liegen, hetzen von Jour Fixe über Projektsitzung zu Feedback-Gespräch und ihre eigentliche, wertschöpfende Arbeit bleibt auf der Strecke. Die Anforderungen an Führungskräfte gestalten sich derart, dass sie die Führungssysteme transformieren müssen, die sie selbst und ihre Mitarbeiter von der wertschöpfenden Arbeit abhalten.

Darüber hinaus führt von außen initiierter Anpassungsdruck zur Veränderung bestehender Regelungen und damit Steuerungsmöglichkeiten. Bestes Beispiel ist die gegenwärtige Diskussion um die Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort und die damit verbundenen optimalen Arbeitszeitregelungen. Aber auch bislang in Unternehmen gültige Karrieremodelle stehen in Frage, weil vor allem jüngere Mitarbeitergenerationen völlig andere Bilder eines erfüllten Berufslebens haben und damit Unternehmen herausfordern.

Selbst wenn viele der gegenwärtigen Personal- und Führungsinstrumente angesichts der neuen Welt tradiert und überflüssig erscheinen, so sind sie nach wie vor verlässliche Begleiter, um Organisationen wirksam zu steuern. Nur gilt es, die Klassiker wie Mitarbeitergespräche, Zielvereinbarungen, Vergütungssysteme etc. auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen und anzupassen. Wichtig ist dabei, dass sich Organisationen langsam, Stück für Stück an die neue Realität herantasten, ohne gleich von Beginn an alte Instrumente und Systeme zu kippen. Es gilt, ein gutes Gespür dafür zu entwickeln, welche Steuerungselemente die Zukunft unterstützen, wie Bestehendes weiterentwickelt werden kann und was tatsächlich nicht mehr benötigt wird. In diesem Zusammenhang muss man experimentieren und pilotieren. Vielfach ist es erfolgversprechender, die Anpassung in co-kreativen Prozessen gemeinsam zu entwickeln, um unterschiedliche Perspektiven und Bedürfnisse von Beginn an zu integrieren, anstatt Best-Practice-Modelle zu übertragen oder Fachexperten mit der Gestaltung zu beauftragen.

Change the Change

In Veränderungsprojekten gibt es viele wirkungsvolle Gestaltungsfelder, Steuerungsgrößen, Methoden und Denkmodelle, die umsetzungsbegleitend zur Verfügung stehen. Das grundsätzliche Know-how über das Was und Wie der Veränderung ge- hört in jede Change-Toolbox. Ab hier wird es dann allerdings in hohem Maß individuell, denn jedes Unternehmen, jede Organisation hat ihre eigene „DNA“ und das Management tut gut daran, diese zu respektieren und bei allen entwickelten Zukunftsstrategien zu berücksichtigen. Die Mitarbeiter als Träger dieser DNA, mit all ihren Nöten, ihrer Unsicherheit, ihrem Misstrauen, aber auch mit ihrer Neugier, Kreativität, noch unbekanntem Potenzial und Ideenreichtum sind die Kraft, die in allen Unternehmen schlummert, Veränderungen umzusetzen. Wo es allerdings keine einfachen Patentrezepte gibt, ist es wesentlich, auf mehreren Ebenen zu agieren und Angebote ganzheitlich und individuell gemeinsam zu entwickeln. Führungskräfte haben dabei die Aufgabe, die oben genannten Gestaltungsfelder im Sinne des Wandels einzusetzen und mit der richtigen Balance zwischen moderatem Bewahren und aktivem Transformieren eine akzeptable oder gar positive Erfahrung für die Mitarbeiter zu erzeugen. Denn den Wandel, der für alle passt, gibt es nicht und formalisierte Veränderungsmodelle verfehlen definitiv ihre Wirkung. In diesem Sinne, mit fundiertem Wissen und individueller Umsetzung: Let‘s change the change.

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