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Aufsichtsrat – nach wie vor ein Ehrenamt?

Aufsichtsrat ein Ehrenamt
BWGV

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Wer in den BWGV-Tagungen unserer Aufsichtsräte, insbesondere der Aufsichtsräte von Genossenschaftsbanken, aufmerksam zuhörte, konnte unüberhörbar Kritik am Begriff „Ehrenamt“ wahrnehmen. Nicht flächendeckend, vielleicht auch nicht mehrheitlich, aber es waren unverkennbar mehr als nur Einzelstimmen.

Manch ein Aufsichtsrat beließ es auch nicht beim Grummeln, sondern artikulierte sein Unbehagen: Gestiegene Anforderungen und Verantwortung passten nicht mehr zum Etikett „Ehrenamt“, man finde diesen Begriff nicht mehr passend. Dieses Unwohlsein ist ernst zu nehmen und Reflektion über den Begriff des Ehrenamts in Zeiten des – nicht nur – digitalen Umbruchs ist angebracht.

Differenziertes Bild vom Ehrenamt

Dabei ist die klassische Definition von Ehrenamt eher unglücklich: „Eine Aufgabe, die man ohne Bezahlung in einer Institution ausübt.“ Unglücklich deshalb, weil der Fokus zu sehr auf den Aspekt Entgeltlichkeit/Unentgeltlichkeit liegt. Die Höhe der Vergütung ist ohne Zweifel auch ein aktueller Diskussionspunkt, aber nicht der vorrangige. Die oben angeführte Definition ist insofern hilfreich, als sie ein Gespür gibt, wo Ehrenamt „klassisch“ zum Einsatz kommt: in sozialen Einrichtungen, im Vereinsleben, im Kontext bürgerschaftlichen Engagements. Gesellschaftspolitisch genießt das Ehrenamt in diesem Beziehungsrahmen jenseits aller Parteipolitik hohe Wertschätzung. Staat und Gesellschaft in einer freiheitlich verfassten Form sind ohne ehrenamtliches Engagement kaum vorstellbar.

Dieses Bild von Ehrenamt passt auf Genossenschaften, je „vereinsmäßiger“ eine Genossenschaft ist – und das ist auf keinen Fall negativ gemeint! Die „Verwaltung“ einer Bürgerenergiegenossenschaft oder eines Dorfladens findet sich problemlos mit diesem Bild zurecht – nicht aber der Aufsichtsrat einer Genossenschaftsbank oder einer mittleren bis größeren Waren- und Dienstleistungsgenossenschaft.

Abgrenzung zum Hauptamt wesentlich

Hilft es dabei weiter, statt „platt“ vom Ehrenamt zu sprechen, etwas präziser von ehrenamtlich tätigen Aufsichtsratsmitgliedern (in der Warenwirtschaft zum Teil auch Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder) zu sprechen? Der Autor glaubt ja, weil „ehrenamtlich tätig“ die Abgrenzung darstellt zu „hauptamtlich tätig“. Diese Unterscheidung, dieses Ordnungsprinzip macht in der Genossenschaft bis heute und auch in die Zukunft hinein sehr wohl Sinn. Seit der großen Genossenschaftsgesetz-Novelle 1974 besteht das „Governance“-Bild: Der Vorstand führt die eG in eigener Verantwortung und ist hauptamtlich tätig; der Aufsichtsrat überwacht den Vorstand, begleitet ihn strategisch … und ist ehrenamtlich tätig. Zugegeben: Dieses Bild spiegelt die Lebenswirklichkeit bei den Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften nur teilweise wider. Bei den Genossenschaftsbanken passt das Bild gleichwohl gut.

Alles klar und weiter so? Keinesfalls! Auch wenn den Genossenschaften dringend anzuraten ist, das Thema Hauptamt im Aufsichtsrat nicht aufzurufen, besteht gleichwohl erheblicher Handlungsbedarf, die (ehrenamtliche) Aufsichtsratstätigkeit fortzuentwickeln. In dem Maße, in dem Genossenschaften disruptiven Umfeldbedingungen ausgesetzt sind, muss die Organisation der Aufsichtsratstätigkeit verändert und weiterentwickelt werden.

Die Themen dieser Aufsichtsrats-Agenda sind nicht neu:

1. Regelmäßige Analyse der Struktur des Aufsichtsrats, rechtzeitige Nachfolgeplanung, klare Vorstellungen über die „Teamzusammensetzung“, das heißt, Kompetenzen und Branchenkenntnisse im Gremium – Sind wir ein starkes Team?
2. Regelmäßige Evaluation der Wirksamkeit der Aufsichtsratsarbeit: Nutzen wir die knappe Zeit effektiv und effizient, sind wir als Gremium wirksam genug?
3. Klare Bestimmung der Berichtsinhalte, mit denen der Vorstand seiner Informationspflicht gegenüber dem Aufsichtsrat nachkommt: Ist der Bericht des Vorstands adressatengerecht, ist er kompakt und entscheidungsorientiert?
4. Zielgerichtete Weiterbildung: Welche Themen sind neu und relevant für die Aufsichtsratsarbeit? Welche Inhalte und fachliche Themen sind für die ehrenamtliche Durchdringung der Bank wirklich wichtig und wie sattelfest sind wir als Aufsichtsrat bei diesen Themen?
5. Wie können wir in Abstimmung mit dem Vorstand die Ressourcen der Bank optimal nutzen (Tätigkeit der Innenrevision/des Controllings/der Stelle Compliance etc.)?
6. Wie können wir aus der gesetzlichen Prüfung durch den Verband den maximalen Nutzen für die Aufsichtsratstätigkeit ziehen (Nutzung der Inhalte des Prüfungsberichts und der mündlichen Berichterstattung, entscheidungsorientierte Auswertung der Prüfungsberichte, Achten auf konsequente Beseitigung etwaiger Mängel, die im Prüfungsbericht adressiert werden)?

Fazit

Zusammengefasst: Die Herausforderungen an eine ehrenamtliche Tätigkeit als Aufsichtsrat sind beachtlich gestiegen. Hauptamt als Kontrapunkt wäre die falsche Antwort. Professionalisierung der Tätigkeit, gute Fortbildung und Achten auf Effizienz und Effektivität sind zielführende Antworten.

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