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Wirtschaft in Baden-Württemberg fordert Nachbesserungen bei Basel III

Die baden-württembergische Wirtschaft macht sich große Sorgen um ihre künftige Finanzierung. „Basel III gefährdet in seiner derzeitigen Ausgestaltung Wirtschaft und Wachstum in Baden-Württemberg“, heißt es in einer gemeinsamen Resolution, die der Baden-Württembergische Handwerkstag, der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag, der Sparkassenverband Baden-Württemberg und der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband jetzt vorgelegt haben. Handwerkstag sowie Industrie- und Handelskammertag vertreten die Interessen von 400.000 kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Land, während die 230 Volksbanken Raiffeisenbanken sowie 53 Sparkassen in Baden-Württemberg zusammen für rund drei Viertel aller Unternehmenskredite im Land stehen.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz der vier großen Wirtschaftsorganisationen im Land am Dienstag (7. Februar) in Stuttgart wurde die tragende Rolle der mittelständischen Wirtschaft für Baden-Württemberg herausgestellt. So heißt es in dem Papier: „Die kleinen und mittleren Unternehmen haben mit ihrer Wettbewerbsstärke und durch eine ausreichende Kreditfinanzierung dafür gesorgt, dass Baden-Württemberg sich rasch vom tiefsten Wirtschaftseinbruch in der Nachkriegszeit erholte und heute zu den wachstumsstärksten Regionen Europas zählt.“ Dabei sei der Mittelstand besonders auf eine ausreichende und verlässliche Kreditversorgung angewiesen, da KMUs nicht auf den Kapitalmarkt ausweichen können. Basel III gefährde jetzt die ausreichende und langfristige Kreditversorgung dieser Unternehmen, obwohl die klassische Unternehmensfinanzierung weder Ursache der Finanzkrise gewesen ist, noch diese verstärkt hat.

Die vier großen Wirtschaftsorganisationen im Land fordern deshalb Nachbesserungen an Basel III, die den mittelständischen Strukturen im Land gerecht werden. Um diese sechs Punkte geht es:

  • Für KMU-Kredite darf die Eigenkapitalunterlegung gegenüber Basel II nicht ansteigen. Die Risikogewichte für KMU-Kredite müssen entsprechend gesenkt und an das tatsächliche Risiko angepasst werden.
  • Die Möglichkeiten der Kreditinstitute, langfristige Kredite mit festgeschriebenem Zins an Unternehmen zu vergeben, darf nicht beeinträchtigt werden. Sonst würden die Zinsänderungsrisiken auf die Unternehmen abgewälzt und die stabile langfristige Finanzierungskultur in Deutschland beschädigt werden.
  • Die Vorsorgereserven der Banken (§ 340f HGB) müssen wie bisher als Eigenkapital für die Kreditvergabe berücksichtigt werden, da sie unverändert vollständig als Risikopuffer zur Verfügung stehen.
  • Die Liquiditätsspielräume der Banken als wesentliche Grundlage für die Kreditfinanzierung des Mittelstandes dürfen nicht durch eine Privilegierung von Staatsanleihen beim sogenannten Liquiditätspuffer (LCR) unnötig eingeschränkt werden.
  • Die Regelung zum Eigenkapital-Abzug für Beteiligungen an Verbundunternehmen muss so gestaltet werden, dass es nicht zu einer Einengung der Kreditvergabemöglichkeiten durch Sparkassen und Genossenschaftsbanken kommt.
  • Die weitreichenden Befugnisse der Europäischen Bankenaufsicht EBA müssen beschränkt werden, da einseitig auf internationale Finanzkonzerne zugeschnittene Aufsichtsregeln zu einer Zentralisierung führen, die der Stabilität des Finanzsystems abträglich ist.

BWHT-Hauptgeschäftsführer Oskar Vogel hält sowohl die Höhe der angesetzten Risikogewichte als auch die strengeren Liquiditätsanforderungen für kritische Punkte. Er befürchtet, dass sich im Zuge der neuen Vorgaben ein typischer Mittelstandskredit um etwa 40 Basispunkte verteuern werde. Von den Finanzierungsmöglichkeiten aber hänge ab, ob die Betriebe Wachstumschancen wahrnehmen können: „Jede weitere Erschwernis wird deren Stabilität und Wachstum gefährden. Damit würde das eigentliche Ziel der Regulierung konterkariert, Anreize für ein nachhaltiges Bankgeschäft zu setzen und die wirtschaftliche Entwicklung zu stärken.“ Es sei richtig, die Banken krisenfester zu machen. Es sei aber falsch, diejenigen in Mithaftung zu nehmen, die die Probleme nicht verursacht hätten: „Kleine und mittlere Betriebe und die Haupt-Kreditgeber des Handwerks, die Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken.“

Die baden-württembergische IHK-Organisation erkennt an, dass die Basel-III-Beschlüsse ein zentraler Baustein einer neu regulierten Finanzmarktordnung sind, so BWIHK-Präsident Dr. Peter Kulitz. Als bedenklich gilt aus Sicht der Wirtschaft aber, dass sich diese Regelungen, bedingt durch viele Restriktionen für die Kreditvergabe, deutlich negativ auf die Unternehmensfinanzierung besonders auch des Mittelstandes in Baden-Württemberg auswirken werden. Damit das nicht passiert, fordert der BWIHK notwendige Nachbesserungen. Besonders muss die langfristige Unternehmensfinanzierung in jedem Fall bestehen bleiben, weil sich die Langfristkultur in Deutschland bewährt hat – gerade in Krisenzeiten. Auch dürfen sich KMU-Kredite nicht allein aufgrund der Umsetzung von Basel III verteuern. Das macht eine Absenkung der Risikogewichtung bei der Kreditvergabe an kleine und mittlere Unternehmen notwendig. Der unter Basel II erzielte Mittelstandskompromiss muss deutlich erweitert werden. Es gilt grundsätzlich, das Zusammenspiel der neuen Finanzmarktordnung sorgfältig so zu koordinieren, dass alle Maßnahmen mit Blick auf die Praxis geprüft und entsprechend angepasst werden. Weiter muss die Umsetzung von Basel III an allen wichtigen Finanzmärkten weltweit zur gleichen Zeit erfolgen. „Es ist essenziell, dass auf EU-Ebene eine differenziertere Umsetzung erfolgt, die den spezifischen Strukturen der kreditnehmenden wie der kreditgebenden Wirtschaft angemessen Rechnung trägt. Deshalb ist die Umsetzung von Basel III als Richtlinie, nicht als Verordnung, entscheidend“, fordert Dr. Peter Kulitz für die baden-württembergische Wirtschaft.

Präsident Gerhard Roßwog vom Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband betonte, den Besonderheiten des deutschen dreigliedrigen Bankensystems und der mittelständisch geprägten Wirtschaftsstruktur müsse auch in der Bankenaufsicht angemessen Rechnung getragen werden. „Deshalb fordern wir eine Beschränkung der weitreichenden Befugnisse der europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA, soweit die Belange regional tätiger Kreditinstitute betroffen sind. Die Aufsichtsregeln müssen auch für kleine Banken handhabbar gehalten werden. Hierzu ist ein nationaler Umsetzungs- und Anpassungsspielraum dringend notwendig.“ Mit der EBA entferne sich die Bankenaufsicht vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der den Regionalbanken schon mit der 2. Säule von Basel II versprochen worden sei.

Sparkassenpräsident Peter Schneider erläuterte die Position der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute: „Die Sparkassen wollen auch weiterhin ihren öffentlichen Auftrag erfüllen, den Mittelstand in Baden-Württemberg mit langfristigen Krediten zu versorgen. Dafür muss uns aber der Gesetzgeber die richtigen Rahmenbedingungen bereitstellen. Basel III, so wie es jetzt umgesetzt werden soll, würde den Spielraum für die Kreditvergabe erheblich einengen und die Kredite auf jeden Fall teurer machen. Beides kann nicht gewollt sein. Der Entwurf bevorzugt ganz klar Staatsanleihen gegenüber den Mittelstandskrediten, die mit deutlich mehr Eigenkapital unterlegt werden müssten. Wichtig ist auch unsere Forderung, dass insbesondere die Finanzverbünde der Sparkassen und Genossenschaftsbanken nicht durch einen Eigenkapitalabzug für ihre Verbundbeteiligungen benachteiligt werden. Damit würden die Möglichkeiten, Kredite zu vergeben, dramatisch verringert werden.“

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