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Schülergenossenschaften: „Wirtschaft und Demokratie in einem lernen“

In Baden-Württemberg soll in diesem Jahr ein gutes Dutzend Schülergenossenschaften entstehen, in denen Schüler der verschiedenen Schularten Wirtschaft und Demokratie in einem lernen. Diese Initiative des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbandes (BWGV) zum Internationalen Jahr der Genossenschaften stellte BWGV-Präsident Gerhard Roßwog am Mittwoch in Stuttgart vor. Das Kultusministerium Baden-Württemberg unterstützt das Projekt. Pilotschule ist die Realschule in Horb am Neckar.

Den Anstoß zu der Initiative haben die Vereinten Nationen gegeben, sagte Genossenschafts-Präsident Gerhard Roßwog. Deren Vollversammlung hat 2012 zum Internationalen Jahr der Genossenschaften ausgerufen. Genossenschaften würden die internationale Gemeinschaft daran erinnern, dass es möglich ist, sowohl unternehmerisch zu handeln als auch soziale Verantwortung zu tragen, so UN-Generalsekretär Ban Ki-moon. „Darauf sind wir sehr stolz“, sagte Roßwog.

„Schülerfirmen sind nichts Neues“, betonte Roßwog. „Aber mit dem Projekt Schülergenossenschaften wollen wir den jungen Leuten Wirtschaft und Demokratie in einem vermitteln. Sie sollen sehen, dass sich unternehmerisches Handeln und soziale Verantwortung miteinander in Einklang bringen lassen.“ Die Erfahrungen mit der Idee in Nordrhein-Westfalen würden zeigen, dass wie im realen Leben eine bunte Welt von Geschäftsmodellen entsteht. Zum Beispiel produzieren und verkaufen die Schülerinnen und Schüler Pralinen, sie reparieren Fahrräder, oder sie ziehen ein Marionettentheater auf.

Kultusministerin: „Ein hervorragendes Lernfeld“

Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer hat die Schirmherrschaft für das Projekt übernommen. „Die Gründung von Schülergenossenschaften ist in vielfacher Hinsicht ein hervorragendes Lernfeld für unsere Schülerinnen und Schüler. Sie lernen gemeinsames unternehmerisches Handeln. Die Jugendlichen übernehmen Verantwortung für Mitarbeiter, Dienstleistungen und Produkte. Dabei eignen sie sich die Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft an“, sagte Warminski-Leitheußer. Die besondere Charakteristik der genossenschaftlichen Organisationsform, bei der Selbsthilfe und Selbstverwaltung im Mittelpunkt stünden, eigne sich besonders, um wichtige Erfahrungen zu sammeln, sowohl mit unternehmerischen als auch mit gesellschaftlichen und demokratischen Entscheidungsprozessen.

Schulleiter: Genossenschaft fördert die Menschenbildung

„Für unsere Schülerinnen und Schüler wünschen wir uns eine zukunftsorientierte Ausbildung“, sagte Heiner Kist, Rektor der Realschule in Horb mit rund 800 Schülern. Am Ende der Schulzeit solle der Schüler in der Lage sein, seine Zukunft zielgerichtet zu planen und zu wissen: „Wer bin ich, was kann ich, was will ich?“ „Unser ganzes Wirken ist darauf abgestimmt, die Kinder beim Erwachsenwerden zu begleiten.“ Dabei unterstützen die Schulaktivitäten von Lions Quest in den Klassen 5 bis 7, soziales Engagement (SE) in den Klassen 7 bis 10, Berufsorientierung (BORS) in Klasse 8 bis zu Wirtschaft, Verwalten und Recht (WVR) in Klasse 9. In BORS und SE gehe es auch darum, dass „Kohle“ nicht das Wichtigste bei der Berufswahl ist.

„Die Gründung einer Schülergenossenschaft ist eine sehr geeignete Verknüpfung vieler Aspekte in einem Projekt“, unterstrich der Schulleiter. „In einer langfristig angelegten Zusammenarbeit mit einem regionalen Partner sind frühe, intensive Einblicke in das Berufsleben möglich, die eine Entwicklung und Stärkung der Persönlichkeit in vielen Bereichen unterstützen. Besonders wichtig sind die Nachhaltigkeit und Kontinuität des Projekts. Nachfolgende Klassen können die Genossenschaftsidee weitertragen und mit eigenen Inhalten und Ideen ausbauen. Auch die Umsetzung der Genossenschaftsidee mit der intensiven und dauerhaften Begegnung zwischen ‚Jung und Alt‘ fördert die uns so wichtige ‚Menschenbildung‘.“

Volksbank eG Horb-Freudenstadt: Für Wertewelt statt Gewinnmaximierung

Schülerfirmen seien in der heutigen Zeit nichts Außergewöhnliches, sagte Dieter Walz, Vorstandsmitglied der Volksbank eG Horb-Freudenstadt. „Wenn junge Menschen einen gemeinsamen Geschäftsbetrieb gründen der nach genossenschaftlichen Werten ausgerichtet ist, so ist das doch etwas Besonderes. Der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband und die Volksbank eG Horb-Freudenstadt begleiten die Schülergenossenschaft ‚new generation‘ aus Horb sehr gerne bei ihrem Vorhaben. Durch unser Mitwirken wollen wir junge Menschen für die genossenschaftliche Idee und deren Werte begeistern und diese in eine Wertewelt mitnehmen, bei der es primär um das Erreichen des Förderzwecks geht und nicht um die reine Gewinnmaximierung.“

Die Horber Schülergenossenschaft „new generation“

„Wir finden die Nachhaltigkeit, die Verknüpfung und Zusammenarbeit mit der Partnergenossenschaft, die Eigeninitiative und die Gemeinnützigkeit des Genossenschaftsprojektes gut“, sagte Alexander Schulze aus der Klasse 9b der Realschule. Er ist am 26. März zu einem der Vorstandsmitglieder der Horber Schülergenossenschaft „new generation“ gewählt worden ist. 30 Schüler wollen in der Genossenschaft mitarbeiten. Die Nachhaltigkeit ist dadurch gegeben, dass das Projekt von den nachfolgenden Klassen weitergeführt und ausgebaut werden kann. Eigeninitiative sei gefordert, weil die Schüler auf die Dienstleistungsempfänger zugehen müssen.

Dienstleistungsangebote für Jung und Alt plant die New-generation-Genos-senschaft. Dazu zählen Computerkurse, Handykurse, Kindergeburtstage organisieren und betreuen, ein Einkaufsservice für ältere Menschen. Der Start des Geschäftsbetriebes ist für Mai 2012 geplant, kündigte Alexander Schulze an.

Mit 20 Schulen im Gespräch

Um die Regularien schlank zu halten, werden die Schülergenossenschaften nicht ins Genossenschaftsregister beim Amtsgericht eingetragen, sondern nach erfolgreicher Gründungsprüfung durch den BWGV in ein Schülergenossenschaftsregister beim Verband aufgenommen. In zwei Workshops im Juni und Juli wird gezeigt, wie die Gründung der Schülergenossenschaften funktioniert. Bisher sind knapp 20 Schulen und 14 Partnergenossenschaften an einer Mitarbeit interessiert.

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