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Genossenschaftliche Mitgliedschaft – Förderung, Partizipation, Mehrwert

Genossenschaftliche Mitgliedschaft – Förderung, Partizipation, Mehrwert
S. Hofschlaeger / pixelio.de

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Nicht die Kapitalrendite ist das Hauptziel des gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs, sondern die Förderung der Mitglieder. Und gerade in Baden-Württemberg, dem Bundesland mit der höchsten Dichte an Genossenschaften und der höchsten Mitgliederzahl gemessen an der Bevölkerungszahl, kommt Genossenschaften ein besonderer gesellschaftlicher Gestaltungsauftrag zu. 

So stehen auch die rund 750 dem BWGV zugehörigen Genossenschaften aus über 50 Branchen wie keine andere Rechtsform für Prinzipien wie Demokratie, Solidarität, Eigenverantwortung und Regionalität. Sie in allen genossenschaftlichen, politischen, steuerrechtlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten zu beraten und weiterzubilden sind – neben der genossenschaftlichen Pflichtprüfung – die in der Satzung festgeschriebenen Aufgaben des BWGV. Dazu gehört als vierte Aufgabe die von der Stabstelle Interessenvertretung wahrgenommen aktive Lobbyarbeit gegenüber Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft.

Verantwortung der Gemeinschaft

Der intensive Austausch mit den politischen Akteuren trägt dazu bei, die vielfältigen Geschäftsmodelle der unterschiedlichen genossenschaftlichen Unternehmungen praxisnah zu vermitteln. So konnte beispielsweise Staatsekretärin Sabine Kurtz vom Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz im November vergangenen Jahres bei einem Besuch der Reyerhof Gemeinschaft eG in Stuttgart-Möhringen dargestellt werden, wie eine Gemeinschaft im Rahmen der Solidarischen Landwirtschaft Verantwortung übernimmt. Ein bisher eher weniger bekanntes und verbreitetes Modell, dass durchaus breitere Potenziale hat und als ein wunderbares Beispiel des genossenschaftlichen Erfolgs dient. 

Bei dem anschließenden Besuch der Weingärtnergenossenschaft in Fellbach wurden aktuelle politische Herausforderungen, sowie die Besonderheiten des genossenschaftlichen Weinbaus in Baden-Württemberg diskutiert. Nur so kann das Bewusstsein für die genossenschaftliche Rechtsform gestärkt und Verständnis füreinander erzeugt werden.  

Sowohl Recht als auch Verpflichtung 

Denn die Förderung der Recht- und Unternehmensform der eingetragenen Genossenschaft hat sich der BWGV auf die Fahne geschrieben. Die Mitgliedschaft nimmt dabei eine herausragende Rolle ein, basierend auf der Förderung ihrer Mitglieder ist die Genossenschaft eine Unternehmensform der gemeinsamen Selbsthilfe: Genossenschaftsmitglieder sorgen gemeinschaftlich für ihr erfolgreiches Fortbestehen, ohne dabei jedoch ihre rechtliche Selbständigkeit zu verlieren. Damit ist aber – wie es Thomas Seibold, Vorstandsvorsitzender der Fellbacher Weingärtner eG, treffend im folgenden Kurzinterview auf den Punkt bringt – nicht nur das Recht auf aktive Teilhabe verbunden, sondern auch die Verpflichtung, sich nach eigenen Möglichkeiten zu beteiligen. Zudem profitieren viele genossenschaftliche Kooperationen von Synergieeffekten des gesamten genossenschaftlichen Verbunds, wie beispielsweise in Form der Genossenschaftlichen FinanzGruppe. Das Zitat von Friedrich Wilhelm Raiffeisen „Was den Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele“ macht deutlich, dass die gemeinschaftliche Selbsthilfe, unter Wahrung der eigenen Selbstständigkeit, dem Einzelnen Chancen eröffnet, die alleine nicht zu erreichen wären.

Interview mit Thomas Seibold von der Fellbacher Weingärtner eG

Herr Seibold, Sie sind Vorstandsvorsitzender der Fellbacher Weingärtner eG. Was treibt Sie an?

Thomas Seibald Fellbacher Weingärtner eG
Thomas Seibold, Vorstandsvorsitzender der Fellbacher Weingärtner eG

Ich sehe mich als schon sehr heimatverbunden an. Ebenso fühle ich mich der Gesellschaft und meinem sozialen Umfeld in eben dieser Heimat verbunden, ja verpflichtet. Lebensqualität entsteht nämlich nicht einfach so, sie muss „gepflegt“ und auch weiterentwickelt werden. Aus dieser Einsicht und Erkenntnis heraus habe ich mich früh ehrenamtlich eingebracht. Zunächst in der Landjugend und mit großem Engagement auch über Jahrzehnte in der Freiwilligen Feuerwehr. 

Auf meinem beruflichen Weg, mit der Übernahme des elterlichen, genossenschaftlich organisierten Weinbaubetriebs, sah ich auch hier die Notwendigkeit des aktiven sich Einbringens. So wurde ich bereits 1995 in den Aufsichtsrat der Fellbacher Weingärtner eG gewählt, wechselte im Jahr 2000 in den Vorstand, dessen Vorsitz ich 2009 übernahm. Im Laufe der Jahre kamen dann sicher zwei Hand voll weitere Ehrenämter nicht nur im genossenschaftlichen Bereich dazu. So gehöre ich unter anderem seit nun nahezu zehn Jahren dem Fellbacher Gemeinderat an. Aus dieser persönlichen Erfahrung heraus kann ich sagen, dass man dadurch tatsächlich etwas bewegen und gestalten kann. Dies ist für mich nach wie vor jeden Tag aufs Neue Motivation und Antrieb.

Welchen Bezug habe ich zu Genossenschaften?

Wie bereits erwähnt, wuchs ich in einer „klassischen“ genossenschaftlich geprägten Wengerter-Familie auf. Da wurde Genossenschaft quasi täglich gelebt, da das ganze Arbeiten in enger Abstimmung mit der WG erfolgte. Wohlbemerkt, mit dem Recht auf Mitbestimmung und Einflussnahme! So hat mich schon früh die rege Diskussionskultur auf Mitgliederversammlungen beeindruckt. Jeder hat eine Stimme. Und zwar nicht nur bei Abstimmungen, nein, er darf diese auch erheben. Das privat wie geschäftlich auch „die Heimat meines Geldes“ bei den Genossenschaftsbanken liegt, zeigt sich anschaulich daran, dass ich mich aus Überzeugung im Beirat der Volksbank am Württemberg eG engagiere und einbringe.

Was wünschen Sie sich von Genossenschaften?

Dass sie nie den Bezug und Kontakt zu ihren Mitgliedern verlieren! Dies fällt in einer kleinen örtlichen Weingärtnergenossenschaft sicher wesentlich leichter als in weit größeren, vielleicht überregional organisierten Häusern. Aber die „genossenschaftliche DNA“ darf bei den Verantwortlichen und Entscheidungsträgern nie aus dem Blick geraten. Ich möchte die Frage aber auch umkehren: Was wünsche ich mir von den Mitgliedern in Genossenschaften? Dass sie sich einbringen, jeder und jede nach ihren individuellen Stärken, Fähigkeiten und Möglichkeiten. Es besteht eben nicht nur das Recht auf aktive Teilhabe, sondern auch eine gewisse Verpflichtung dazu. Daraus ergeben sich im Übrigen auch hervorragende Möglichkeiten an wertvollen Erfahrungen und persönlicher Entwicklung!

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