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Kommunale Energiegenossenschaften

Der Spatenstich für den interkommunalen Windparks Südliche Ortenau erfolgte Ende September 2015
Q.pictures / pixelio.de

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Für viele Kommunen stellt die Energiewende einen großen Kraftakt dar. Auch wenn der deutsche Weg im Ausland oft als Erfolgsgeschichte wahrgenommen wird, sind mit der Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) im vergangenen Jahr unnötige Barrieren geschaffen worden, die beispielsweise Genossenschaftsneugründungen im Energiebereich nahezu stagnieren ließen. Somit verringerten sich auch bestimmte Handlungsoptionen für Kommunen. Für eben diese gilt es zudem, die verschiedenen Interessen in der Gemeinde zu koordinieren, die Potenziale für Energieerzeugung und Energieeinsparung zu erkennen, Projekte umzusetzen und zu betreiben sowie die Anforderungen von Land und Bund zu erfüllen. Dabei sind häufig rechtliche Fragen zu klären, etwa wenn es um die Standortausweisung für Windenergie oder die Konzessionsvergabe für Nahwärmenetze geht. Obwohl das Potenzial für die kommunale Entwicklung große Chancen bietet, fürchten viele Kommunen, mit ihren Kapazitäten die Herausforderungen nicht meistern zu können. Die Zusammenarbeit mit einer lokalen Genossenschaft bietet hier eine wichtige Option für Kommunen, die Herausforderungen der Energiewende gemeinsam anzugehen. Für die anstehende Novelle des EEG im kommenden Jahr kämpfen Genossenschaftsverbände deswegen auch darum, klare Spielregeln mit lebensfähigen Geschäftsmodellen für dezentrale Erzeuger sicherzustellen.

Rechtsform Genossenschaft in der Energieversorgung

Die Rechtsform Genossenschaft ist als Gesellschaftsform besonders leistungsfähig bei der Transformation der Energiesysteme. Sie schafft Akzeptanz bei Bürgern und garantiert eine verlässliche Versorgung mit erneuerbaren Energien. Mittlerweile sind bundesweit rund 130.000 Bürger Mitglied in Energiegenossenschaften. Dabei sind Energiegenossenschaften ein wichtiger Bestandteil der lokalen Wertschöpfung und ermöglichen eine Energieversorgung aus regionalen erneuerbaren Energien. Genossenschaften beteiligen Bürger, Kommunen, Unternehmen und Stadtwerke. Sie setzen vor Ort die Energiewende mit konkreten Projekten um. Schwerpunkte sind Anlagen im Bereich Solar- und Windenergie. Aber auch Nahwärmenetze, Blockheizkraftwerke oder Effizienzprojekte gewinnen zunehmend an Bedeutung. Baden-Württemberg ist das Flächenland mit der größten Dichte an Energiegenossenschaften. Ihre Zahl hat sich mit elf Neugründungen 2014 auf 148 zum Ende des Jahres 2014 erhöht. Zwar liegt der Schwerpunkt der Energiegenossenschaften weiterhin in der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, allerdings bauen und betreiben immer mehr Energiegenossenschaften auch Blockheizkraftwerke oder Nahwärmenetze. So schließen sich beispielsweise Bürger in einer Energiegenossenschaft zusammen, um gemeinsam den Bau und Betrieb eines kommunalen Wärmenetzes zu ermöglichen. Dies schafft Wertschöpfung vor Ort, erhöht die Gebäudewerte und sorgt für ein besseres Klima. Die Wärmenetze werden mit regionalen Ressourcen wie Holzhackschnitzel, Biomasse und Solarwärme gespeist und nutzen die Abwärme gewerblicher Betriebe. Auf diese Weise werden Stoff- und Wertschöpfungskreisläufe geschlossen und der Abfluss von Kaufkraft verringert. Die Projekte führen oft zu einer steigenden Identifizierung der Bürger mit ihrer Gemeinde nach dem Motto: Wir versorgen uns selbst mit Energie.

Genossenschaft unterstützt bei interkommunalen Energieprojekten

Die Rechtsform eignet sich auch bei großen Projekten wie interkommunalen Windparks. Der Wind weht meistens auf Kammlagen und Gipfeln, so dass windhöffige Gebiete nicht selten eine Vielzahl von Gemarkungsgrenzen überschreiten. Die Beteiligung der Bürger ist in solchen Fällen unabdingbar, wenn das Projekt auf breite Akzeptanz stoßen soll und muss. Die Genossenschaft bietet hier die Möglichkeit, die Einwohner der verschiedenen Kommunen zusammenzuführen, regelmäßige Bürgergespräche zu organisieren und die Wünsche und Bedenken der Bewohner in einem langfristigen Prozess frühzeitig einzubeziehen. Einmal gegründet ist die Dienstleistungspalette einer Energiegenossenschaft breit gefächert. Sie reicht von der Erzeugung und Lieferung von Wärme und Strom über Effizienzprojekte und den Betrieb von Stromnetzen bis hin zum vollumfänglichen Energieversorgungsunternehmen. Häufig sind Genossenschaften darüber hinaus in der Bürgerinformationsarbeit und Beratung tätig. Mittlerweile stehen hinter den Energiegenossenschaften in Baden-Württemberg mehr als 26.000 Einzelmitglieder. Die Genossenschaften im Land setzen derzeit insgesamt über 100 Millionen Euro im Jahr um.

Beispiele für Energiegenossenschaften in Baden-Württemberg

Weiler Wärme eG

Ausgehend von einer kirchlichen Initiative schlossen sich in Pfalzgrafenweiler die Bürger zusammen, um über die Versorgung der Gemeinde mit einem Nahwärmenetz nachzudenken. 2009 war es so weit, und es folgte die Gründung der Nahwärmegenossenschaft Weiler Wärme eG. Inzwischen versorgt das erfolgreiche Netz fast die gesamte Gemeinde mit nachhaltiger Energie, die aus Holz- und Biogaskraftwerken stammt. Von der günstigen und nachhaltigen Energieversorgung profitieren die Anwohner, die regionale Wirtschaft, die Umwelt und nicht zuletzt die Besucher des Freibads – das Dank wärmerem Wassers nun zwei Monate länger öffnen kann. Um die Energiewende noch weiter voranzutreiben, begann die Genossenschaft, auch Strom aus erneuerbaren Energien zu erzeugen und schaffte sich eine Flotte an Elektrofahrzeugen an. Diese werden mit dem erzeugten umweltfreundlichen Strom betrieben und können von allen Anwohnern gemietet werden.

Ettenheimer Bürgerenergie eG

Rund 150 Bürger aus Ettenheim und Umgebung sind in der Energiegenossenschaft engagiert. Ausgehend vom Bau gemeinsamer Solaranlagen entwickelte sich die Genossenschaft rasch weiter. So wird der interkommunale Windpark Südliche Ortenau maßgeblich von der Ettenheimer Bürgerenergie eG mitentwickelt. Im September 2015 erfolgte der Spatenstich. Dank frühzeitiger Einbindung der Bevölkerung durch die Genossenschaft konnte den Befürchtungen der Anwohner schnell begegnet und durch Aufklärungsarbeit und Umordnung einiger Anlagen die Zustimmung der Bevölkerung gesichert werden. Neben dem Betrieb von Wind- und Solaranlagen widmet sich die Genossenschaft auch dem Nachwuchs: Im jährlichen Solar-Challenge treten die Schüler der regionalen Schulen beim Bau von Solar-Flitzern gegeneinander an. Wenn genügend Wind weht, darf sich die Jugend über kostenlosen Unterricht im Kite-Sport freuen.

BürgerEnergiegenossenschaft Emmendingen eG

Die BürgerEnergiegenossenschaft Emmendingen bietet mehr als nur Energieproduktion: Strom, der nicht verbraucht wird, muss nicht erzeugt, gespeichert oder transportiert werden. Beispiel: Straßenbeleuchtung, Beleuchtung in Gebäuden, Energetische Sanierung von öffentlichen Gebäuden.

Modelle von Energieprojekten

Vier unterschiedliche Modelle haben aus Sicht des BWGV in den kommenden Jahren besonderes Potenzial:

Modell 1: kommunale Nahwärmenetze

In immer mehr Kommunen in Baden-Württemberg schließen sich die Bürger zusammen, um gemeinsam eine nachhaltige und regionale Wärmeversorgung zu ermöglichen. Insbesondere in ländlichen Gemeinden mit einer hohen Anzahl an Ölkesseln lohnt sich die Realisierung eines gemeinsamen Nahwärmenetzes. Die Befeuerung kann nachhaltig aus regionalen Rohstoffen und gewerblicher oder industrieller Abwärme erfolgen und sorgt somit für eine klimafreundliche und kostengünstige Wärmeversorgung der Anwohner. Die Vorlieben für die Rohstoffe hängen oft mit den regionalen Gegebenheiten zusammen – etwa Holz in St. Peter im Schwarzwald, nachhaltige Biomasse im schwäbischen Bittelbronn oder industrielle Abwärme in Dettenhausen bei Stuttgart.

Modell 2: Windenergie

Windenergieprojekte sind große Vorhaben, welche eine Kommune langfristig prägen. Neben Einnahmen für die Kommune und der Förderung erneuerbarer Energien kann über eine Genossenschaft auch sichergestellt werden, dass die Investitionen aus der Region kommen und die Gewinne somit der Bevölkerung zugutekommen. Genossenschaftliche Windprojekte bieten die Möglichkeit, die Bewohner aller umliegenden Gemeinden eines Standorts einzubinden und somit frühzeitig in einen Dialogprozess einzusteigen. Für die Planung empfiehlt sich die Kooperation mit erfahrenen Partnern wie Stadtwerken oder Projektierern, sodass die verschiedenen Stärken wie Know-how, Risikofinanzierung und Bürgerbeteiligung ideal kombiniert werden können.

Modell 3: genossenschaftliches Contracting

Die Erzeugung erneuerbarer Energien ist die eine Seite der Energiewende, der effiziente Umgang mit Energie die andere. Dabei sind Projekte im Effizienzbereich keineswegs weniger lukrativ. Ob die alte Heizung im Keller, stromfressende Leuchtmittel oder die Sanierung der Fassade: Häufig schlummern Energiesparmöglichkeiten in Gewerbegebäuden, Schulen, Turnhallen oder in der Straßenbeleuchtung. Die Genossenschaften helfen mit Know-how und der Finanzierung, die Potenziale zu heben

Modell 4: Bürgersolaranlagen

Das bekannteste Gründungsprojekt vieler Energiegenossenschaften ist eine Solaranlage, die von den Mitgliedern der Genossenschaft gemeinsam betrieben wird. In den vergangenen Jahren ermöglichte sie den einfachen Start einer Genossenschaft, wobei sich häufig weitere Projekte anschlossen. Durch die gesunkenen Kosten von Photovoltaikanlagen und die damit einhergehende gesunkene Einspeisevergütung ist die Gründung einer Energiegenossenschaft mit einer Photovoltaikanlage jedoch anspruchsvoller geworden: Um die nötigen Mindestumsätze zu erreichen, müssen die Anlagen heute um ein Vielfaches größer sein, zudem muss man sich mit den verschiedenen Formen der Vermarktung des Stroms auseinandersetzen. Bestehende Genossenschaften bauen jedoch weiterhin erfolgreich Anlagen und weiten ihre Geschäftsfelder häufig aus.

Zuschüsse und Fördermittel für Kommunen und Genossenschaften

Mehrere neue und wiederauferlegte Förderprogramme wurden von Land und Bund zur Verfügung gestellt und können für zahlreiche genossenschaftliche Energieprojekte genutzt werden. Während einige Fördermittel das bürgerschaftliche Engagement stärken, sind andere speziell zur Umsetzung kommunaler Konzepte konzipiert. Die meisten Programme sind technologieoffen und können für unterschiedlichste Projekte, die den Klimaschutz vor Ort verbessern, genutzt werden.

Förderprogramme für Energieprojekte:

Allianz für Beteiligung – Beratungsgutscheine für zivilgesellschaftliches Engagement

Förderung bis 4.000 Euro für Beratungsleistungen fachlich qualifizierter Personen. Antragsberechtigt sind Bürgerinitiativen in Kommunen unter 80.000 Einwohnern. Die Förderung ist insbesondere für die Frühphase einer Genossenschaftsgründung oder eines Bürgerenergieprojektes, aber auch für Infrastrukturprojekte wie genossenschaftliche Dorfläden interessant.

Förderprogramm für Quartierskonzepte (KfW-Förderprogramm 432)

Das KfW-Förderprogramm 432 ist speziell zur Erstellung von Quartierskonzepten geeignet. Dies können zum Beispiel die ersten Planungsschritte eines Nahwärmenetzes sein, das zu einer nachhaltigeren und umweltfreundlichen Wärmeversorgung in der Gemeinde führt. Das Programm übernimmt 65 Prozent der förderfähigen Sach- und Personalkosten in der Vorbereitungsphase.

Klimaschutz mit System – Landesfördermittel mit Zuschüssen zwischen 100.000 Euro und 3 Millionen Euro

Für Kommunen, die Klimaschutz- oder Quartierskonzepte erstellt haben oder sich im European-Energy-Award (EEA) befinden, gibt es für die Projektumsetzung hohe Landeszuschüsse. Die Projekte können gemeinsam mit Genossenschaften umgesetzt werden. Diese sind selbst antragsberechtigt, wenn die Kommune in einer Unterstützungserklärung das Projekt billigt. Das jeweilige Projekt muss sich aus abgeschlossenen oder noch laufenden Klimaschutz- und Quartierskonzepten oder EEA-Prozessen ableiten lassen.

Landesförderung für Nahwärmenetze

Als Folgeprogramm des Förderprogramms für Bioenergie-Dörfer wird der Landtag ein eigenständiges Förderprogramm für Nahwärmeprojekte auflegen. Der Förderrahmen bewegt sich ähnlich wie beim bekannten Bioenergiedorf-Programm mit Zuschüssen bis zu 20 Prozent der Investitionskosten und einer Obergrenze zwischen 100.000 Euro und 200.000 Euro. Das Programm ist mit weiteren Zuschüssen kumulierbar.

Marktanreizprogramm für den Wärmemarkt

Auch auf Bundesebene können höhere Fördersätze in fast allen Fördersegmenten des Wärmemarkts beantragt werden. Die Antragsberechtigung wurde auf alle Unternehmen ausgeweitet, und insbesondere bei der Förderung der solaren Wärmeerzeugung wurden wichtige Erneuerungen vorgenommen.

L-Bank Förderkredit Bürgerwindparks

Um Bürgerwindparks voranzutreiben, bietet die L-Bank spezielle Konditionen für Windparks, die mehrheitlich Bürgern und Unternehmen vor Ort gehören.

Energiegenossenschaften bieten großes Potenzial

Energiegenossenschaften bieten großes Potenzial, um regionale Energieressourcen zu heben. Wenn der Prozess umsichtig und mit der nötigen Unterstützung angegangen wird, kann sich eine Energiegenossenschaft zu einem wichtigen lokalen Akteur entwickeln. Dabei sollte frühzeitig feststehen: Handelt es sich um ein singuläres Projekt wie einen Windpark oder ein großes Solarprojekt, an dem durch die Genossenschaft die Bürger beteiligt werden sollen? Oder soll die Genossenschaft darüber hinaus Klimaschutz und Energiewende vorantreiben? Danach richten sich die Strukturen der Genossenschaft, die Einbindung ehrenamtlicher und professioneller Akteure, die Erwartungen der Mitglieder und schließlich der Erfolg der Genossenschaft.

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