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Im Koalitionsvertrag mehr Klimaschutz in der Bundespolitik: Ein Schub für Energiegenossenschaften?

Energiegenossenschaften
BWGV-Archiv

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Energiegenossenschaften sind längst wichtige Akteure in der Energiewende. Eine besondere Rolle spielen dabei vor allem die Themen Erneuerbare Energien, Klimawandel und Energieeffizienz. Die Bandbreite reicht von der Erzeugung und Lieferung von Wärme und Strom, über den Betrieb von Stromnetzen, bis hin zum vollumfänglichen Energieversorgungsunternehmen. Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung enthält viel Positives für Energiegenossenschaften.

Bürgerenergie

Die Bürgerenergie soll als wichtiges Element für mehr Akzeptanz gestärkt werden. Dieser große Vorteil von Energiegenossenschaften wurde nun erstmalig in einem verbindlichen Regierungsprogramm festgehalten. Die konkreten sich daraus ableitenden Maßnahmen sind die Verbesserungen der Rahmenbedingungen für die Bürger-Energie im Rahmen des europarechtlich Möglichen in Form von Energy Sharing/genossenschaftlicher Mitgliederversorgung, die Prüfung eines Risikoabsicherungsfonds und die Ausschöpfung der De-minimis-Regelungen.   

Solarenergie

Alle geeigneten Dächer sollen künftig für die Solarenergie genutzt werden. Für gewerbliche Neubauten soll dies verpflichtend und für private Neubauten die Regel werden. Damit finden nun die bereits landesweiten Vorgaben auch bundesweit Anwendung. Die Solarenergie soll auf 200 Gigawatt (GW) bis 2030 ausgebaut werden. Bis Oktober 2021 waren rund 58 GW Solarleistung in Deutschland installiert. Dafür sollen alle Hemmnisse aus dem Weg geräumt werden. Exemplarisch sollen Netzanschlüsse und die Zertifizierung beschleunigt, Vergütungssätze angepasst, die Ausschreibungspflicht für große Dachanlagen und die Deckel geprüft werden. Auch innovative Solarenergie wie Agri- und Floating-PV sollen gestärkt werden.

Wenn diese Maßnahmen richtig umgesetzt werden, dann kann dies das wichtigste Geschäftsfeld der Energiegenossenschaften „Solarenergie“, vor allem außerhalb von Ausschreibungen, erfolgreich wiederbeleben. Hierzu müssen die Maßnahmen aber schnellstmöglich in Gesetzestext fließen, damit sie schon im Jahr 2022 in Kraft treten. Außerdem müssen folgende Forderungen erfüllt werden: 

  • Die Zubaumenge von Solaranlagen kleiner 750 kW (beziehungsweise 1 MW), deren anzulegender Wert nicht im Rahmen einer Ausschreibung ermittelt wird, muss von 2,5 GW auf rund 7,5 GW erhöht werden,
  • die gesetzlichen Förderansprüche von Solaranlagen kleiner 750 kW (beziehungsweise 1 MW) müssen kurzfristig schon für und ab 2022 erhöht werden, 
  • die Ausschreibungspflicht für große Dachanlagen (beziehungsweise alle Solaranlagen) muss auf 1 MW angehoben werden und
  • der atmende Deckel muss geändert werden, da sonst die hohen solaren Ausbauziele nicht zu erreichen sind.

Die Mieterstrom- und Quartierskonzepte könnten dadurch gestärkt werden, indem der gemeinsam handelnde Eigenversorger dem Eigenversorger gleichgestellt wird und insgesamt die Personenidentität zwischen Anlagenbetreiber und Letztverbraucher aufgehoben wird.

Strommarktdesign und EEG-Umlage

In der Legislaturperiode 2021 bis 2025 soll ein neues Strommarktdesign erarbeitet werden. Hierzu soll eine Plattform „Klimaneutrales Stromsystem“ eingesetzt werden, die schon in 2022 konkrete Vorschläge zusammen mit diversen Stakeholdern erarbeitet. Die EEG-Umlage soll ab dem 1. Januar 2023 über den Haushalt aus den Einnahmen aus dem Emissionshandel und einem Zuschuss aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. In diesem Zusammenhang muss abgewartet werden, ob ausreichend finanzielle Mittel vorhanden sein werden, um die EEG Umlage komplett abzuschaffen. Wenn die EEG-Umlage ab dann komplett auf null abgesenkt ist, muss man dies auch bei der wirtschaftlichen Planung zukünftiger neuer Anlagenpacht- und Eigenversorgungsprojekte beachten.

Windenergie an Land

Um den Zubau der Windenergie an Land wieder massiv zu beschleunigen, sind entsprechende Flächen, eine Lösung der Natur- und Artenschutzkonflikte mit der Windenergie an Land beziehungsweise schnellere Verwaltungs-, Planungs- und Genehmigungsverfahren laut Koalitionsvertrag von zentraler Bedeutung. Die Verfahrensdauer soll mindestens halbiert werden. 

Für die Windenergie an Land sollen zwei Prozent der Landesflächen ausgewiesen werden. In Baden-Württemberg wird dies bereits über das vor Kurzem novellierte Klimaschutzgesetz geregelt. Auch in windschwachen Regionen soll der Windausbau deutlich vorangebracht werden. Wo bereits Windparks stehen, soll es ohne großen Genehmigungsaufwand möglich sein, alte Windenergieanlagen durch neue zu ersetzen. So wollen die Koalitionäre die Abstände zu Drehfunkfeuern und Wetterradaren kurzfristig reduzieren. Zusätzlich soll der Windenergieausbau bei der Ausweisung von Tiefflugkorridoren verstärkt berücksichtigt werden.

Biomasse und Wärme

Laut Koalitionsvertrag soll eine nachhaltige Biomasse-Strategie erarbeitet werden. Die Koalitionäre werden sich für eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung und den Ausbau der Wärmenetze einsetzen. Bis 2030 sollen 50 Prozent der Wärme klimaneutral erzeugt werden und ab 1. Januar 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden.

Dies sind gute Signale für die weitere Verdichtung von bestehenden genossenschaftlichen Nahwärmenetzen und für neue genossenschaftliche Nahwärmenetze, die in den nächsten vier Jahren in konkrete Maßnahmen fließen müssen, damit es nicht nur Signale beziehungsweise Ziele bleiben.

Mobilität

Der Ausbau der Ladeinfrastruktur soll mit dem Ziel von einer Million öffentlich und diskriminierungsfrei zugänglichen Ladepunkten bis 2030 mit Schwerpunkt auf Schnellladeinfrastruktur ressortübergreifend beschleunigt, auf Effizienz überprüft und entbürokratisiert werden. Die Koalitionäre wollen des Weiteren die Hemmnisse in Genehmigungsprozessen, bei der Netzinfrastruktur und den Netzanschlussbedingungen abbauen. Das bidirektionale Laden soll ermöglicht, für transparente Strompreise und einen öffentlich einsehbaren Belegungsstatus soll gesorgt werden. Die Rahmenbedingungen und Fördermaßnahmen wollen die Koalitionäre darauf ausrichten, dass Deutschland Leitmarkt für Elektromobilität mit mindestens 15 Millionen Elektro-Pkw im Jahr 2030 ist. Digitale Mobilitätsdienste, innovative Mobilitätslösungen und Carsharing sollen laut Koalitionsvertrag unterstützt werden.

Netze, Smart-Meter und Speicher

Der Netzausbau soll schneller und verbindlicher auf allen Ebenen vorankommen. Hierzu sollen ebenfalls die Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Die Verteilnetze sollen modernisiert und digitalisiert, indem diese unter anderem vorausschauender geplant und steuerbarer werden. Eine Reform der Netzentgelte soll vorangetrieben werden, die die Transparenz stärkt, die Transformation zur Klimaneutralität fördert und die Kosten der Integration der Erneuerbaren Energien fair verteilt. Hinter den letzten Stichwörtern kann sich eine Reform der Netzentgelte hinsichtlich einer Vereinheitlichung der Netzentgelte auf Verteilnetzebene und Kundenseite verbergen. Der Smart-Meter-Rollout soll erheblich beschleunigt werden und Speicher sollen als eigenständige Säule des Energiesystems rechtlich definiert werden.

Stärkere Marktorientierung der Erneuerbaren Energien

Laut Koalitionsvertrag soll mit dem Kohleausstieg auch die Förderung der Erneuerbaren Energien auslaufen. Aufgrund des aktuellen Strommarktdesigns, insbesondere dem Merit-Order-Effekt, der aktuellen Börsenstrompreise beziehungsweise der fehlenden Möglichkeiten, die Börsenstrompreise auf zehn bis 20 Jahre zu prognostizieren, ist eine wirtschaftliche Investition in viele EE Projekte ohne eine Förderung durch das EEG nicht möglich. Außerdem ist ohne eine EEG-Vergütung, eine Marktprämie oder ein anderes Instrument zur Refinanzierung der Kapitalkosten nur noch eine Unternehmensfinanzierung (anstelle einer Projektfinanzierung) möglich, das heißt, die Fremdkapital-Finanzierung wird deutlich erschwert. Eine weitere Marktkonzentration wäre bei einer bloßen Abschaffung der Förderung der Erneuerbaren Energien die zwangsläufige Folge.Daher sollten die EEG-Vergütung und Marktprämie oder andere Instrumente zur Refinanzierung der Kapitalkosten bei EE-Anlagen so lange erhalten bleiben, bis marktwirtschaftliche Vermarktungsinstrumente oder der Strommarkt eine wirtschaftliche Investition in EE-Anlagen durch alle Marktteilnehmer ermöglichen. 

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