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Digitale grüne Revolution

Digitalisierung Weinwirtschaft
Messe Stuttgart

Digitalisierung hält zum einen unter dem Begriff „Smart Farming“ Einzug in die moderne Landwirtschaft. Zum anderen werden mittelfristig sämtliche Geschäftsprozesse innerhalb der Genossenschaften optimiert. In der letzten Ausbaustufe wird dadurch eine vollständige Integration in die Prozessketten zwischen Landwirtschaft und allen Wirtschaftsbeteiligten möglich.

Digitalisierung der Landwirtschaft

In der Vergangenheit sorgten vor allem Züchtung, gezielter Einsatz von Düngemitteln und wirksamere Pflanzenschutzmittel sowie technische Fortschritte für höhere Erträge in der Landwirtschaft. Hier stößt die Branche an Grenzen:

  • Moderne Züchtungsmethoden werden gesellschaftspolitisch zunehmend kritisch bewertet.
  • Der Düngemitteleinsatz soll aus Umweltschutzgründen stark reduziert werden.
  • Dies gilt auch für Pflanzenschutzmittel: Viele Wirkstoffe werden wegen exorbitant hoher Zulassungshürden zukünftig nicht mehr zur Verfügung stehen.

Dagegen bietet das Datenmanagement rund um den landwirtschaftlichen Betrieb vielfältige Ansatzpunkte für weitreichende Verbesserungen. Zahlreiche Innovationen auf dem Gebiet der Elektronik und ein anhaltender Preisrückgang bei den erforderlichen Bauteilen machen es möglich: Mit kontinuierlich erfassten Daten werden Systeme gespeist, die den Landwirt unterstützen, das Verhältnis von Input zu Output weiter zu verbessern. So helfen zum Beispiel engmaschig installierte Feuchtesensoren, Pilzbefall frühzeitig zu erkennen und ersparen häufige Inspektionsfahrten. Eine flächenoptimierte Applikationstechnik ermöglicht optimale Behandlungserfolge bei minimalem Spritzmitteleinsatz. Das schont Umwelt und Geldbeutel. Entsprechende Systeme werden von IT-Dienstleistungsunternehmen hergestellt.

Eine aktuelle Umfrage vom Deutschen Bauernverband und dem IT-Branchenverband Bitkom bei 521 Landwirten und Lohnunternehmern ergab, dass

  • 53 Prozent der Landwirte bereits digitale Anwendungen nutzen,
  • 86 Prozent eine umweltschonendere Produktion erwarten,
  • 75 Prozent langfristig Kostenvorteile sehen,
  • 67 Prozent bessere Produktqualität erwarten und
  • 37 Prozent sich höhere Produktionseffizienz erhoffen.

Allerdings gibt es auch Bedenken:

  • 64 Prozent der befragten Landwirte befürchten hohe Investitionskosten,
  • 54 Prozent mehr staatliche Kontrollmöglichkeiten und
  • 42 Prozent haben Bedenken bezüglich der Datensicherheit.
  • 84 Prozent würden – unter bestimmten Bedingungen – dennoch ihre Daten an Dritte weitergeben.

Hier sind die genossenschaftlichen Unternehmen als unabhängige und kundenorientierte Händler und Dienstleister gefordert. Die Warengenossenschaften müssen und wollen ihre Mitglieder und Kunden auf dem Weg der erfolgreichen Digitalisierung begleiten. Digitale Dienste werden zum festen Bestandteil des Sortiments.

Beispiel Landmaschinen

Der Verkauf digitalisierter Maschinen ist heute mit intensiver Beratung und Einweisung des Käufers in die neuen Funktionen verbunden. Vernetzte Maschinen müssen nicht nur mechanisch gewartet werden – zum Ölwechsel kommt in Zukunft das Update der Software. Wer GPS-gestützt punktgenau düngen will, muss von der Bodenprobenahme über die Laborergebnisse, über die Schlagdaten des Landwirts eine sogenannte Applikationskarte auf den Rechner bringen, der dann Schlepper und Düngerstreuer punktgenau steuert. So mancher Landwirt, der zu diesem Zweck beim Maschinenkauf optimistisch in „Smart Farming“ investiert, wird jedoch bitter enttäuscht, weil dieser Prozess eben nicht immer und vor allem nicht so einfach funktioniert wie angenommen. Die eingeschränkte Kompatibilität und die Komplexität der Systeme sind derzeit ein großes Investitionshindernis. Damit Smart Farming in der Praxis funktioniert, müssen Hersteller und Vertriebspartner eng zusammenarbeiten.

Beispiel Betriebsmittel

Landwirtschaftliche Betriebsmittel müssen sehr exakt ausgebracht werden. Dazu bedarf es spezifischer Informationen. Die Pflanzenschutzspritze kann beispielsweise nur den korrekten Abstand zu Gewässern und Biotopen einhalten, wenn zuvor die jeweiligen Abstandsauflagen eingepflegt worden sind. Damit gewährleistet ist, dass alle Informationen immer an der richtigen Stelle ankommen und zudem immer aktuell sind, ist eine enge Vernetzung zwischen Landwirten, Betriebsmittel- Lieferanten, Zulassungsbehörden und Software- Häusern unerlässlich. Es ist Aufgabe der Genossenschaften, diese Vernetzung voranzutreiben.

Digitalisierung des Handels

Weniger auffällig, aber nicht minder tiefgreifend verläuft die Digitalisierung innerhalb des Handels: Der Informationsaustausch mit den landwirtschaftlichen Kunden geschieht heute noch überwiegend persönlich, per Telefon oder mit nicht-normierten elektronischen Nachrichten (Fax oder E-Mail). Das sorgt zwar für eine persönliche Beziehung, die ist jedoch für viele Geschäftsprozesse entbehrlich, vor allem aber kostenintensiv. Auf dem Weg vom Vorlieferanten bis zum Endkunden verursacht heute jedes Gut eine Vielzahl von Belegen, die händisch erzeugt und deren Inhalte manuell übertragen werden. Das ist sehr zeitaufwändig und fehlerbehaftet. Artikelnummern sind in der Regel nicht standardisiert. Das behindert bislang den Informationsaustausch mit Marktpartnern. Zukünftig gewinnen Informationstechniken an Bedeutung, die – unabhängig von Tageszeit und Standort – schnell und effizient eingesetzt werden können. Dann kann der Landwirt auch außerhalb der Öffnungszeiten Waren bestellen und Verfügbarkeiten abrufen. Gleichzeitig werden Medienbrüche reduziert. Bei Konsumgütern für den privaten Bedarf ist der Online-Handel bereits heute eine feste Größe. Eine aktuelle Studie des Kölner Instituts für Handelsforschung ermittelt für den deutschen Online-Handel im Jahr 2016 ein Umsatzvolumen von 52,3 Milliarden Euro, elf Prozent mehr als im Vorjahr. Angetrieben wird die Entwicklung von Branchen, in denen der Internethandel bislang noch eine vergleichsweise untergeordnete Rolle spielt – etwa Wohnen und Einrichten, Heimwerken und Garten, aber auch Lebensmittel und Drogerieartikel. Im Buchhandel ist das Marktpotenzial des Online-Handels hingegen fast ausgeschöpft.

Auch Landwirte bestellen Waren über das Internet. Warum sollten sie bei ihrem Betriebsmittel- Lieferanten nicht denselben Service erwarten, insbesondere einfache Bedienbarkeit, 24/7-Verfügbarkeit, kurze und vor allem verbindliche Bereitstellungszeiten? Wer solchen Ansprüchen nicht entspricht, wird künftig zweiter Sieger sein und sich in der umsatzfreien Zone bewegen. Warengenossenschaften können den steigenden Erwartungen nur gerecht werden, wenn sie ihre internen Abläufe optimieren, allgemeine Standards nutzen (normierte Nummernkreise, Kennzeichnungssysteme sowie die zugehörigen Lesegeräte) und ihre internen Prozesse für Dritte (zum Beispiel Lieferanten und Kunden) öffnen. Mit CRM-Systemen (Kundenbeziehungsmanagement) müssen sie ihre Kenntnisse über jeden einzelnen Kunden systematisieren, damit sie frühzeitig deren Bedürfnisse und Wünsche erkennen. Schließlich werden die lokal oder regional tätigen Unternehmen funktionale Netzwerke bilden (beispielsweise zur Optimierung der Warenverfügbarkeit).

Dazu müssen die Partner in der Wertschöpfungskette enger zusammenrücken. Nur gemeinsam werden die genossenschaftlichen Unternehmen das Kapital

  • für die notwendige IT-Infrastruktur,
  • für logistisch optimierte Warenströme und
  • für ein bedarfsgerecht breites Sortiment

bereitstellen können. Entscheidender Faktor ist dabei die Zeit. Die Bindung zwischen den Landwirten und ihrer Genossenschaft sollte nicht überschätzt werden. Sobald ein Wettbewerber deutlich bessere Geschäftsprozesse bietet, wird die Leistungsfähigkeit der Genossenschaft kritisch hinterfragt. Spätestens dann muss beispielsweise eine Warengenossenschaft ihren Landwirten digitale
Lösungen anbieten, mit denen Betriebsmittel bedarfsgerecht bezogen und eingesetzt werden. Innerhalb der weit verzweigten Genossenschaftsorganisation existieren bereits Erfolg versprechende Ansätze. Der Deutsche Raiffeisenverband und die kürzlich gegründete Raiffeisen-Service GmbH bringen alle „Stakeholder“ an einen Tisch und bereiten gemeinsam mit den Unternehmen sinnvolle, langfristig tragfähige Konzepte für den Erfolg in der digitalen Welt vor. Durch optimalen Service werden die genossenschaftlichen Unternehmen dafür sorgen, dass nicht landwirtschaftsfremde Dritte das Ruder übernehmen und von einer Steueroase aus die Geschicke der europäischen Landwirtschaft lenken. Sollten die politischen Rahmenbedingungen uns keinen Strich durch die Rechnung und alle Beteiligten ihre Hausaufgaben machen, dann wird der genossenschaftliche Agrarhandel der verlässliche und unverzichtbare Partner der Landwirtschaft für die erfolgreiche digitale grüne Revolution sein.

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