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Der Strukturwandel im Südwesten setzt sich fort

Strukturveränderung im Wasser, kleine Wellen
Dr. Stephan Barth, pixelio

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Die kleingewerblich-handwerklichen Traditionen des 19. Jahrhunderts verschafften Baden-Württemberg gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche Entwicklung von hochspezialisierten Industriebetrieben, die sich zu Weltmarktführeren entwickeln konnten. So ist Baden-Württemberg heute ein Flächenindustrieland und zählt zu den wirtschaftsstärksten Regionen Europas. Auch die Herausforderungen eines globalen Wettbewerbs, die ab den 1980er Jahren kontinuierlich zunahmen, konnten die Unternehmen gut bewältigen. Im Vergleich zu anderen Bundesländern war Baden-Württemberg seit den 1990er Jahren weitaus weniger von einem negativen Strukturwandel betroffen, insbesondere da die hiervon stark betroffene Kohle- und Stahlwirtschaft in Baden-Württemberg nur eine sehr geringe Rolle spielte.

Textil und zum Teil Elektro unter Verlierern

Deutlich sichtbarer waren die Auswirkungen wachsender globaler Wertschöpfungsketten für Baden-Württemberg in der Textilindustrie und Elektrotechnik. Gegenüber neuen Konkurrenten konnten sich nur noch wenige Unternehmen behaupten. So gibt es auch in der wirtschaftlichen Entwicklung in Baden-Württemberg Beispiele von Unternehmen, die neuen Herausforderungen nicht gewachsen waren und sich in einem steten Strukturwandel nicht behaupteten. Die Erkenntnis, dass frühere Erfolge sich nicht selbstverständlich in die Zukunft übertragen lassen, ist zurzeit besonders stark ausgeprägt. Offensichtlich ist, dass Unternehmen der Digitalwirtschaft in kürzester Zeit bestehende Branchen fundamental veränderten und gleichzeitig in ihrer Marktkapitalisierung traditionsreiche Unternehmen oftmals deutlich übertreffen. Exemplarisch ist hier Alphabet, der Mutterkonzern von Google. Dieser hat es in nur 20 Jahren zu einem sieben Mal höheren Unternehmenswert (448 Milliarden Euro) gebracht als die seit 120 Jahren bestehende Daimler AG (63,6 Milliarden Euro). Gleichzeitig bewegt sich auch die Wirtschaft in Baden-Württemberg in einem Umfeld stets sinkender Wachstumsraten. Zwar verzeichnete die Region zwischen 1950 und 1967 ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 5,5 Prozent. Doch bereits in den folgenden Jahren bis zur Wiedervereinigung ging das Wachstum auf drei Prozent zurück und erreichte von 1991 bis 2011 einen Durchschnittswert von rund einem Prozent. Dass die Trendwachstumsraten der großen Volkswirtschaften seit der Jahrtausendwende niedriger geworden sind, wird als sekuläre Stagnation aufgefasst – eine Entwicklung, von der Baden- Württemberg nicht ausgenommen bleibt und die gerade in einem Industrieland wie Baden- Württemberg einen verschärften Strukturwandel bedingt.

Digital-Initiativen der Landesregierung

Wichtige Rahmenbedingungen, um eine Anpassung zu ermöglichen, werden gegenwärtig durch die Landesregierung geschaffen. Die Lernfabriken 4.0 an beruflichen Schulen, neue Inkubatoren für digitale Geschäftsmodelle oder der beschleunigte Breitbandausbau stellen wichtige Ansätze dar, um die notwendigen Voraussetzungen für künftigen wirtschaftlichen Erfolg zu schaffen. Auch mit einer umfassenden Digitalisierungsstrategie sollen die politischen und administrativen Bedingungen für eine wettbewerbsstarke Wirtschaft hergestellt werden. Dabei kann man kritisch beobachten, dass die erzielten Erfolge noch keine hinreichende Dynamik entwickelt haben, um als Wachstumsimpuls zu dienen. Beispielhaft ist hier die geringe Verbreitung von Elektrofahrzeugen und teilweise geringe Nutzung von Car-Sharing-Konzepten in ländlichen Regionen. Hier häufen sich die Berichte von ländlichen Kommunen, die ihr Elektro-Car-Sharing-Angebot einstellen. Dies bestätigt die These, dass sich struktureller Wandel sehr ungleichzeitig ereignet und in seiner Konsequenz kurzfristig überschätzt und langfristig unterschätzt wird. Es benötigte vier Anläufe und fast 30 Jahre, bis sich 1876 das Telefon durchsetzen konnte. Es dauerte weitere 100 Jahre, bis mehr Telefongespräche in Deutschland geführt als Briefsendungen verschickt wurden. Es ist also noch zu früh, um den Untergang der „traditionellen“ Wirtschaft zu verkünden. Vielmehr gilt es anzuerkennen, dass technischer Fortschritt und der damit verbundene Strukturwandel gestaltet und geprägt werden müssen.

Genossenschaften gestalten mit

Hier setzen Genossenschaften und Unternehmen rund um die genossenschaftliche Wirtschaft an – zum Beispiel auf dem ersten Genopreneurship-Summit, der sich um die Verbindung von Startup und Genossenschaft drehte. Der Strukturwandel verändert auch die genossenschaftliche Weinwirtschaft, wie zwei Persönlichkeiten aus dem Südwesten im Geno-Graph-Interview zu berichten wissen. Ein ganz wesentlicher Treiber des Strukturwandels ist die fortschreitende Digitalisierung. Der Gewinnsparverein Baden-Württemberg beschreibt den neuen Online-Vertrieb des für die Volksbanken und Raiffeisenbanken wichtigen strategischen Produkts VR-Gewinn-Sparen. Weil sich seine Mitgliedsunternehmen den Herausforderungen des Strukturwandels stellen müssen, beschäftigt sich selbstverständlich auch der BWGV selbst mit dieser Thematik. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Arbeit der Gremien im BWGV. Dort werden Themen des Strukturwandels intensiv behandelt. Die nächste Gremien-Mandatsperiode klopft an die Tür.

Fotonachweis: Dr. Stephan Barth, pixelio

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