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Ländle 4.0 - Digitalisierung und Genossenschaften

Breitbandausbau- Kabel
Karl-Heinz Laube/pixelio

Ein Schlagwort nimmt in den Medien Fahrt auf, rasant Fahrt auf: Digitalisierung. Zu Recht. Volks- und Betriebswirte, Soziologen, Sozialpsychologen, Wirtschaftsverbände und die Politik sind sich einig wie selten. Wirtschaft und Gesellschaft ändern sich schneller und nachhaltiger denn je. Die Vokabel Umwälzung wird gern und häufig verwendet, um die Dynamik, ja Dramatik zu verdeutlichen. In jeder Sekunde eines durchschnittlichen Tages wird heute mehr Information über das Internet ausgetauscht, als vor 20 Jahren im gesamten Netz überhaupt abgespeichert war. Autos fahren selbstständig und steuern umsichtiger und unfallfreier durch das Verkehrsgewusel als menschliche Fahrer. Androide sind soweit, schlau und empathisch zu agieren. Und Systeme der künstlichen Intelligenz (KI) treffen Entscheidungen besonnener und genauer, als Menschen es jemals könnten. Ein Beispiel vor unserer Haustür: Im BoschWerk Stuttgart-Feuerbach ist ein Instandhaltungssystem für Maschinen im Einsatz, das selbstständig Ersatzteile oder Service-Techniker anfordert.

Es lohnt sich, den Blick auf den Quell von Innovation schlechthin zu richten: aufs kalifornische Silicon Valley. Das Tal ist nicht mehr nur ein IT-Cluster, sondern hat sich zum umfassenden Motor für Innovation entwickelt. Natürlich gibt es die vielen Start-ups, mehr übrigens als in der restlichen Welt zusammen. Aber es agieren von dort aus eben auch weltweite Technologieführer und zahllose schon etablierte Unternehmen. Wohin die Reise bei der Digitalisierung für das Bankgeschäft voraussichtlich geht, verdeutlicht die radikal klingende Aussage, dass Finanzdienstleistungen in Zukunft nur noch Apps sind. Allerdings keine Apps im herkömmlichen Verständnis als einfache Bankfunktionalitäten. Vielmehr werden auf der Grundlage komplexer und umfassender Datenanalysen die Kunden höchst individuell digital und automatisiert beraten und ihnen Produkte angeboten. So soll auch das Bankgeschäft ähnlich wie die Tendenz im Buchhandel oder in der Touristik weitgehend digitalisiert werden.

Drei Handlungsfelder für Genossenschaftsbanken

Der Geno Graph kann nicht alle wirtschaftlichen Aspekte der Digitalisierung beleuchten. Er setzt Schlaglichter. Kundige Beobachter sehen für die Genossenschaftsbanken drei wesentliche Handlungsfelder, die zu bearbeiten sind: Datenanalyse und Kundeninformationssysteme müssen grundlegend verbessert werden. Dazu hat die COM 16, die aktuell stattgefundene Hausmesse der Fiducia & GAD IT, Perspektiven vorgestellt. Zum Beispiel Lösungen im Privat- und Firmenkundengeschäft der Zukunft mittels Big Data und künstlicher Intelligenz (der Geno Graph berichtet im Juni). Die digitale Markenführung gilt es zu optimieren. Das Innovationsmanagement sollte aktiviert (siehe Beitrag „Der erste GenoHackathon“ ) und an Ideen von Wettbewerbern und Fintechs angedockt werden.

Für die Realwirtschaft zeigte beispielsweise die diesjährige IT-Messe CeBIT in Hannover die Herausforderungen auf. Mit einem milliardenschweren Zehn-Punkte-Plan will die Bundesregierung einen Rückstand Deutschlands beim digitalen Wandel verhindern. Man kann auch sagen: aufholen. Wesentliche Bestandteile der sogenannten Digitalen Strategie 2015 von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel sind Glasfaser-Leitungen und Aufbau einer Digitalagentur als Schaltzentrale. Der Industrieverband BDI warnte auf der CeBIT vor einem wirtschaftlichen Rückstand Deutschlands aufgrund des aus seiner Sicht dramatisch stockenden Ausbaus digitaler Netze. In der Tat ist unser Land von einer hochleistungsfähigen digitalen Infrastruktur weit entfernt. Hannes Ametsreiter nennt eine Zahl. Mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 11 Megabit pro Sekunde sei die Verbindung in Deutschland gerade einmal halb so schnell wie in Südkorea, moniert der Deutschland-Chef von Vodafone.

Breitbandausbau mit Glasfaser - Forderung des BWGV an die Politik

Vor allem in den ländlichen Regionen – auch in Baden-Württemberg – ist ein Breitbandausbau unerlässlich. Experten meinen, dass sich Deutschlands Zukunft nicht auf dem Kupferdraht, sondern mit der gigabitschnellen Glasfaser entscheiden wird. Der Glasfaser-Breitbandausbau ist eine Forderung, die der BWGV nachdrücklich an die Adresse der (Landes-)Politik richtet. Genossenschaften können hier eine Lösung sein. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur weist Genossenschaften beim Breitbandausbau explizit als Rechtsform und Möglichkeit für eine bürgernahe Projektentwicklung aus.

Kommunen können in Baden-Württemberg dann tätig werden, wenn ein „Marktversagen“ eintritt, das heißt, wenn sich innerhalb von drei Jahren kein privatwirtschaftliches Unternehmen für den Ausbau des Breitbandnetzes gefunden hat. Die Genossenschaft kann dann beispielsweise Eigentümerin der Netzinfrastruktur sein und vermietet die Netzinfrastruktur an einen (oder mehrere) Netzbetreiber beziehungsweise Provider. Das genossenschaftliche Unternehmensmodell kann vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung auch in einer weiteren Hinsicht eine besondere Rolle spielen. Erst wenn verschiedene Unternehmen ihre jeweils komplementären Fähigkeiten einbringen, können neue Geschäftsmodelle entstehen. Ein gutes Beispiel für eine vertiefte Kooperation über Wertschöpfungsketten hinweg ist die Entwicklung in der Elektromobilität. Die Automobilhersteller haben sich in interdisziplinären Partnerschaften mit Zulieferern und unterschiedlichen Anbietern aus anderen Industriezweigen zusammengeschlossen. Beispielsweise kooperieren Chemieunternehmen und Werkstoffhersteller bei der Entwicklung von Batteriezellen, Komponentenhersteller in der Produktion von Elektromodulen und Energiegenossenschaften mit Fahrzeugherstellern bei der Bereitstellung der Lade-Infrastruktur. Die Kooperation zwischen Unternehmen in der Wirtschaft 4.0 hat wesentlich an Bedeutung gewonnen. Die genossenschaftliche Rechtsform bietet dabei einen geeigneten Rahmen, um die Notwendigkeit zur Kooperation stabil zu halten. Ein Beispiel dafür ist die seit zehn Jahren erfolgreiche Open Source Automation Development Lab eG, Heidelberg.

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