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Über Bankentgelte für Basiskonten

Bankentgelt Oberlandesgericht-Entscheidung
Bernd Wachtmeister / pixelio.de

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Mit dem instruktiven Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichtes vom 8. Mai 2018 (Az.: 2 U 6/17) liegt nun erstmals eine obergerichtliche Entscheidung zur Preisgestaltung bei Basiskonten vor. Durch sie wurde die Berufung des Bundesverbands der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände gegen die erstinstanzliche Klageabweisung durch das LG Lübeck vom 8. August 2017 (Az.: 16 O 4/17) im Verfahren gegen eine Sparkasse (primär) wegen nicht hinreichend klar und eindeutig bestimmten Haupt- und Hilfsklageanträgen als unzulässig abgewiesen. Auf elf weiteren Seiten Hilfsbegründung führt das Gericht darüber hinaus aus, welche Grundsätze bei der materiellen Angemessenheitsprüfung des Entgelts zu beachten seien und dass die Unterlassungsklage nach den Einzelfallumständen auch in der Sache unbegründet gewesen wäre.

Der Sachverhalt

Ursprünglich hatte die Sparkasse in ihrem Preisaushang Stand 1. Januar 2017 neben fünf allgemeinen Girokontomodellen – davon drei entgeltlich geführte Standard-Girokontomodelle für jedermann („H1 Giro Online“, „H1 Giro Plus“ sowie „H1 Giro Komfort“) und zweier, gänzlich kostenfrei geführter Girokontomodelle nur für Kinder, Schüler, Auszubildende und Studenten („H1 Giro Online Jugendmarkt“, und „Konto-Zukunft“) – zusätzlich auch noch ein einziges, entgeltlich geführtes Basiskonto („H1 Basiskonto“) ausgewiesen. Bei diesem Basiskonto waren – wie auch bei dem preis- und inhaltsidentischen Standardkonto „H1 Giro Komfort“ – alle angebotenen Zahlungsdienste mit dem pauschalen monatlichen Grundpreis von 8,95 Euro (unter bestimmten Voraussetzungen reduzierte 7,95 Euro) mit abgegolten (sogenannte All-inclusive-Kontomodelle).

Bei den anderen Kontomodellen „H1 Giro Plus“ und „H1 Giro Online“ wurden zusätzlich zu den Grundpreisen von 4,95 Euro beziehungsweise 2,95 Euro für die einzelnen in Anspruch genommenen Zahlungsdienste je nach Nutzerverhalten und Nutzungskanal (beleghaft, online, am Schalter, am Geldautomaten, am SB-Terminal, telefonisch etc.) unterschiedlich hohe Einzelentgelte zusätzlich berechnet.

Nachdem die Beklagte während des Unterlassungsklageprozesses vor dem LG Lübeck von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) am 6. März 2017 schriftlich aufgefordert worden war, ihre Vertragsbedingungen dahingehend anzupassen, dass die Entgeltfestsetzung für das Basiskonto das Nutzerverhalten als Anforderung für die Angemessenheit gem. § 41 Abs. 2 Zahlungskontengesetz (ZKG) hinreichend berücksichtigt, führte die Beklagte ab dem 1. April 2017 zusätzlich zu dem abgemahnten Pauschalpreis-Basiskonto zu einem Preis von 8,95 Euro beziehungsweise 7,95 Euro ein zweites Basiskontomodell „H1 Basiskonto Einzelpreis“ ein. Dessen Grundpreis betrug 3,95 Euro und für die einzelnen in Anspruch genommenen Leistungen wurden je nach Nutzerverhalten und Nutzungskanal unterschiedlich hohe Einzelentgelte zusätzlich berechnet. Die BaFin verzichtete daraufhin am 6. April 2017 auf die bereits angekündigten Anordnungen gegen die Beklagte.

Die vom OLG angeführten Grundsätze

In den Vertrag einbezogene Preisaushänge und Preis- und Leitungsverzeichnisse unterlägen als Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.d. § 305 Abs. 1 BGB bezüglich der darin vereinbarten Preisabreden ausnahmsweise dann der gerichtlichen Inhaltskontrolle, wenn der Gesetzgeber preisrechtliche Leitlinien für die Preisgestaltung vorgegeben habe. Die Preisgestaltung bei Basiskonten sei kontrollfähig, weil durch § 41 Abs.2 ZKG gesetzlich vorgegeben sei, dass das vereinbarte Entgelt angemessen sein müsse. Nach § 41 Abs. 2 Satz 2 ZKG seien für die Beurteilung der Angemessenheit der Basiskontoentgelte insbesondere die marktüblichen Entgelte sowie das Nutzerverhalten zu berücksichtigen.

Aus der Formulierung „insbesondere“ ergebe sich, dass diese Kriterien nicht abschließend seien, sondern auch weitere Gesichtspunkte berücksichtigt werden könnten. Bei der Prüfung sei vom weitreichenden, zwingend für ein Basiskonto vorgeschriebenen gesetzlichen Mindestumfang an Zahlungsfunktionen nach § 38 Abs. 2 ZKG auszugehen. Die Zahlungsdienste seien ohne zahlenmäßige Beschränkung so zur Verfügung zu stellen, wie sie den Inhabern von Zahlungskonten allgemein angeboten würden. Auch Basiskontoinhabern sei die Erteilung von Zahlungsdiensteaufträgen in allen von der Bank hierfür allgemein vorgesehenen und für seine Kunden vorgehaltenen Kommunikationsformen (zum Beispiel in den Filialen, Nutzung von Papierformularen, Terminals, Online-Systemen etc.) zu ermöglichen.

Auch solchen Basiskontoinhabern, die faktisch Bankgeschäfte beispielsweise ausschließlich online erledigten und Bargeldabhebungen ausschließlich am Geldautomaten vornehmen wollten, sei gleichwohl vollumfänglicher Zugang zu den Filialen, die Nutzung der SB-Terminals und Schalter und jederzeit Papierüberweisungen, Scheckeinreichungen etc. zu gewähren. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Institute nach § 45 ZKG zu Unterstützungsleistungen verpflichtet wären und ihre Kündigungsmöglichkeiten gem. § 42 ZKG massiv erschwert seien.

Als Bezugspunkt der Angemessenheitskontrolle sei kein objektiver, institutsunabhängiger Maßstab, sondern es seien die (individuellen) Kosten des konkreten kontoführenden Instituts zu Grunde zu legen. Ferner sei eine sogenannte „Meistbegünstigungsvorgabe“ als vom Gesetzgeber nicht gewollt abzulehnen, so dass die Entgeltgestaltung nicht generell dahingehend begrenzt sei, dass die Banken besonders günstige Entgeltkonditionen, die sie für andere Kunden anbieten, auch für Basiskontoinhaber anbieten müssten. Möglich bleiben solle, aus geschäftspolitischen Gründen durch besondere Entgeltgestaltungen (z.B. GraGratiskonten für Auszubildende und Studenten), um bestimmte Kundengruppen zu werben. Das Entgelt eines Basiskontos beschränke sich nicht auf die tatsächlich entstandenen Kosten und dürfe den Preis eines „normalen“ Girokontos des kontoführenden Institutes auch übersteigen. Zur Frage der Marktüblichkeit des Entgeltes sei vom Kläger nicht dargelegt worden, dass die ausgewiesene Pauschale von mindestens 7,95 Euro die bundesweit oder regional marktüblichen Entgelte übersteigen würde. Es sei auch nicht sonst ersichtlich, dass sich die Pauschale außerhalb des Rahmens der Preisbildung anderer Filialinstitute bewege, zumal auf der Internetseite „Günstige und kostenlose Basiskonten bzw. Guthabenkonten im Vergleich“ Pauschalen von bis zu 9,50 Euro gelistet seien.

Das Entgelt dürfe aber nicht so abschreckend hoch sein, dass dadurch das gesetzgeberische Ziel, schutzbedürftigen Verbrauchern einen Zugang zu Zahlungskonten zu ermöglichen, praktisch nicht erreicht werden könne. Beim Kriterium des „Nutzerverhaltens“ sei zu beachten, dass die wirtschaftliche Lage der Basiskontoberechtigten regelmäßig angespannt sei. Deshalb könne zugrunde gelegt werden, dass regelmäßig nur wenige Zahlungen über das Basiskonto abgewickelt würden. Gerade die Basiskontoinhaberzielgruppen der Obdachlosen, Asylbewerber und Flüchtlinge würden im Allgemeinen keinen Dauerauftrag einrichten, weil bei ihnen beispielsweise die typischerweise über einen Dauerauftrag zu leistenden Mietzahlungen gar nicht anfallen würden. Der ihnen zu überweisende Monatsbetrag für Sozialhilfe, Asylhilfe und anderer Sozialleistungen sei so gering, dass neben den zu bezahlenden Geschäften des alltäglichen Lebens wenig Spielraum für sonstige Zahlungen verbliebe, die über das Basiskonto abgewickelt werden könnten. Dies schlösse eine Entgeltstruktur aus, die nicht überwiegend zahlungsvorgangsorientiert sei und durch eine hohe Pauschalvergütung den typischen Basiskontonutzer mit wenigen Zahlungsvorgängen benachteiligen würde. Weiterhin sei zu berücksichtigen, dass ein nicht unerheblicher Teil aus den Zielgruppen der Basiskontonutzer individuelle Hilfe bei der Erledigung von Zahlungsvorgängen benötigen würde. Gerade Flüchtlingen aus dem arabischen Raum oder aus Ländern, in denen die kyrillische Schrift üblich ist, würden vielfach die lateinische Schrift nicht beherrschen und könnten schon deshalb im Allgemeinen gar nicht am Online-Banking teilnehmen. Obdachlose und ältere Menschen seien häufig gänzlich unerfahren mit dem Internet und kämen vielfach selbst mit SB-Terminals nicht zurecht. Andererseits würden gerade junge Flüchtlinge, die keine Schwierigkeiten mit der lateinischen Schrift haben, eine hohe Affinität zu Smartphones haben, so dass ohne Weiteres zugrunde gelegt werden könne, dass es auch einen nicht unerheblichen Teil von Basiskontoinhabern gäbe, der ausschließlich oder überwiegend seine Bankgeschäfte online erledigen würde.

Nach dem ZKG sei es grundsätzlich ausreichend, dass ein Institut nur ein einziges Basiskontomodell anbietet. Wenn jedoch nur ein einziges Basiskontomodell angeboten werde, müsse bei der Entgeltbemessung ein Mittelweg gefunden werden, in dem sich auch unterschiedliches Nutzungsverhalten innerhalb der gesamten Basiskonto- Zielgruppen angemessen abbilden würde. Die Bank müsse auch nicht ihr preisgünstigstes Kontomodell als Basiskonto anbieten. Andererseits dürfe sich die Preisbildung auch nicht einseitig an Nutzern orientieren, die ihre Bankgeschäfte (nur) in einer bestimmten Weise (beispielsweise Inanspruchnahme von persönlicher Unterstützung am Schalter oder online oder in Papierform etc.) erledigen würden. Die Höhe des Entgeltes müsse vielmehr das durchschnittliche Nutzungsverhalten aller Basiskontoinhaber angemessen widerspiegeln. Schließlich sei bei der Angemessenheitsprüfung auch das allgemeine Benachteiligungsverbot gem. § 40 ZKG zu berücksichtigen, wonach das Basiskonto nicht zu Bedingungen geführt werden dürfe, die im Vergleich zu den Bedingungen für sonstige angebotene Zahlungskonten benachteiligend seien.

Das Ergebnis des OLG

Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen sei im Streitfall ursprünglich bei Klageerhebung, solange von der Beklagten ausschließlich nur das Pauschalpreisbasiskontomodell und keine alternativen Basiskontomodelle angeboten wurden, das Entgelt von pauschal 8,95 Euro für das Basiskonto nicht angemessen gewesen. Zwar eröffne der Pauschalpreis (Kalkulations-Sicherheit, weil es nicht zu bösen Überraschungen kommen könne, die bei anderen Kontomodellen durch die Abrechnung von Einzelleistungen zusätzlich zum Grundpreis eintreten könnten. Der abgemahnte Pauschalpreis habe sich auch im Rahmen der marktüblichen Entgelte anderer Filialbanken bewegt. Und für Personen, die vielfach individuelle Hilfe bei der Abwicklung ihrer Bankgeschäfte benötigten, sei ein Pauschalpreis sehr sinnvoll.

In der Höhe von 8,95 Euro würde sich aber nicht ausreichend widerspiegeln, dass Basiskontoinhaber wegen ihrer angespannten wirtschaftlichen Verhältnisse i.d.R. nur sehr wenige Zahlungen über das Konto abwickeln würden. Auch könnte bei einem Pauschalpreis vom Kontoinhaber durch sein individuelles Nutzerverhalten kein aktiver Einfluss auf die Höhe des von ihm letztlich zu bezahlenden Entgeltes genommen werden. So würwürden beispielsweise Basiskontoinhaber, die ihre Bankgeschäfte ausschließlich oder überwiegend online erledigen würden, durch den um 6 Euro – mehr als 200 Prozent – über dem Grundpreis des Konto „H1 GiroOnline“ von 2,95 Euro liegenden Kontoführungspreis von 8,95 Euro gegenüber dem gewöhnlichen Kreis der Zahlungskontoinhaber, denen drei alternative Kontomodelle zur Auswahl stünden, stark benachteiligt werden.

Weil die Beklagte aber seit dem 1. April 2017 zwei Basiskontomodelle angeboten habe, bliebe die Berufung gegen die Klagabweisung im Ergebnis in der Sache ohne Erfolg. Wenn ein Institut mehrere Kontomodelle für Basiskonten anbietet, die sich im Kern an einem unterschiedlichen Nutzerverhalten ausrichten, sei dem Verbraucher zuzumuten, bei Abschluss des Basiskontovertrags selbst einzuschätzen und auszuwählen, welches Kontomodell seinem individuellen Nutzungsverhalten am Nächsten kommt. Die Unterlassungsklage hätte (ab dem 1. April 2017) nur dann (noch) begründet sein können, wenn beide angebotenen Basiskontomodelle zu einem nicht angemessenen Entgelt angeboten worden wären oder, wenn die Gefahr bestanden hätte, dass die Beklagte zu ihrer früheren Praxis zurückkehren und künftig wieder nur noch das „Basiskonto Pauschal“ zu einem Preis von mindestens 7,95 Euro anbieten und diese Pauschale berechnen würde. Der Kläger habe jedoch nicht schlüssig dargelegt, dass das alternativ angebotene „H1 Basiskonto Einzelpreis“ im Durchschnitt des Nutzungsverhaltens der Zielgruppe der Basiskontoberechtigten im Ergebnis zu einem Gesamtpreis führen würde, der nicht mehr als angemessen i.S.d. § 41 Abs. 2 ZKG anzusehen sei.

Die regelmäßig nur durch Abgabe einer angemessen strafbewehrten Unterlassungserklärung zu beseitigende Vermutung einer Wiederholungsgefahr sei im vorliegenden Fall nach den konkreten Einzelfallumständen ausnahmsweise als widerlegt anzusehen. Wegen des Einschreitens der BaFin und der im März und April 2017 zwischen Beklagter und BaFin geführten Korrespondenz sei eine Rückkehr der Beklagten zu ihrer alten Praxis nicht ernstlich zu erwarten, weil sie ansonsten sofort mit erneuten Aufsichtsmaßnahmen der BaFin zu rechnen haben würde.

Verhältnis zur Sichtweise der BaFin

Die Entscheidung des OLG liegt auf einer Linie mit der Veröffentlichung der BaFin vom 15. April 2017 „Basiskonto: Welches Entgelt ist angemessen?“. Danach beanstandet die BaFin, wenn Institute bei Basiskonten ausschließlich nur Pauschalmodelle anbieten und fordert dazu auf, bei Basiskonten mindestens zwei Entgeltmodelle für unterschiedliche Nutzertypen anzubieten.

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