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Smart statt Big – der Wettlauf um die (richtigen) Daten

Datenauswahl Big Data
Andreas Hermsdorf / pixelio.de

Was haben der Suchmaschinengigant Google, US-Präsident Donald Trump und der moderne Landwirt gemeinsam? Auf den ersten Blick scheinbar nur wenig. Einen zweiten Blick werfen Dr. Frank Engels, Leiter Portfoliomanagement & Multi Asset bei Union Investment, und die Geno-Graph-Redaktion auf das Thema und sprechen auch über die Bedeutung von „Big Data“ für die Kapitalmärkte.

Herr Dr. Engels, welche Gemeinsamkeiten haben also Google, Trump und der Landwirt?

Mehr als man denkt. Das Stichwort lautet hier „Big Data“. Denn ohne „Big Data“ wären alle drei nicht da, wo sie heute sind. Die besseren Suchalgorithmen, die gezieltere Social-Media-Strategie im Wahlkampf und die genauere Kenntnis von Wetter, Düngung und Fütterung: In vielen Bereichen hat die allumfassende Datenverfügbarkeit die Welt verändert.

Auf was kommt es bei der Ermittlung von Daten an?

Kurz gesagt geht es um die Schlagwörter Masse, Geschwindigkeit und Qualität. Der Umfang an verfügbaren Daten wächst rasant und dank des technologischen Fortschritts gibt es ausreichend Rechenkapazität, um all diese Informationen zu verarbeiten. Auch können Daten inzwischen immer häufiger in Echtzeit gemessen werden. So muss auf Zahlen zum Konsumverhalten der Bürger, die Aufschluss über die Umsätze und damit auch den Aktienkurs von Einzelhändlern geben können, nicht mehr zwei Wochen gewartet werden, bis sie von einem offiziellen Statistikamt veröffentlicht werden. Heute liefern Suchanfragen im Internet oder Satellitenaufnahmen von Parkplätzen die benötigten Informationen quasi direkt beim Entstehen. Und schließlich helfen Algorithmen, vormals schwer zu greifende, qualitative Aspekte wie Meinungen oder Stimmungen messbar zu machen.

Welche Rolle spielen die so gewonnenen Erkenntnisse für die Kapitalmärkte?

Eine immer größere. Glaubt man der Markteffizienzhypothese, dann sind Börsen nicht vorhersehbar. Denn wenn tatsächlich alle verfügbaren Informationen zu jeder Zeit in den Kursen enthalten sind, dürfte eigentlich niemand einen Vorsprung haben. Doch an den realen Börsen stellt sich die Effizienz nie unmittelbar ein. Es gibt einen Wettlauf um Informationen. Und in diesem Wettlauf spielen Daten inzwischen eine herausragende Rolle.

Was bedeutet das für Sie als Asset Manager?

Die großen Herausforderungen für uns als Asset Manager sind: die Auswahl der richtigen Daten, das Ziehen der bestmöglichen Erkenntnisse und ihre optimale Nutzung in unseren Anlageentscheidungen. Denn am Kapitalmarkt müssen über die verschiedenen Anlageklassen hinweg tausende von Investitionsmöglichkeiten mit zahlreichen Einflussfaktoren rund um die Uhr im Auge behalten werden. Um also nicht nur die sprichwörtliche Nadel, sondern vor allem auch den richtigen Heuhaufen zu finden, lautet unser Motto: „Smart Data“ statt „Big Data“.

Was genau meinen Sie damit?

Damit der unsortierte Datenwust in geordnete und am Ende gewinnbringende Bahnen gelenkt wird, haben in unserem Portfoliomanagement die sogenannten Data Scientists Einzug gehalten. Spezialisten für Statistik und Analyse, die auch das technische Know-how mitbringen, um Algorithmen für das Sammeln, Aufbereiten und Auswerten von Daten zu durchdringen. Ein neues Aufgabengebiet, das unterstreicht, dass in Zeiten von „Big Data“ im Portfoliomanagement einer nicht mehr Experte für alles sein kann. Star-Fondsmanager war gestern – interdisziplinäre Teams sind heute. Nur so können Datenquellen erschlossen und für Anlageentscheidungen genutzt werden, die noch vor kurzem im Verborgenen lagen.

Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Engels Union Investment
Dr. Frank Engels, Leiter Portfoliomanagement bei Union Investment: „Das A und O ist die Verbindung von neuen technologischen Möglichkeiten mit menschlichem Wissen.“

Ein gutes Beispiel ist Textmining, also die automatisierte Quantifizierung von Meinungen und Stimmungen aus Texten in öffentlichen und sozialen Medien. Bei führenden Anbietern im Bereich Textmining werten Linguisten und ComComputerwissenschaftler pro Tag rund zwei Millionen englischsprachige Artikel aus. Sie durchforsten Zeitungen und Nachrichtenagenturen ebenso wie Twitter und Blogs. Mithilfe von Methoden der Künstlichen Intelligenz werden die Texte sortiert, automatisch bewertet und in ein strukturiertes Format gebracht. So entstehen bis zu 400.000 minütlich aktualisierte Zeitreihen, die nach unterschiedlichen Kriterien, etwa mit Bezug auf Aktien, Währungen oder Rohstoffe, kategorisiert werden. Welche ölexportierenden Länder tauchen in Zeitungen im Zusammenhang mit Sanktionen auf? Wo wird besonders intensiv über Werkschließungen oder Entlassungen diskutiert? Wie häufig wird bei Google nach „Facebook Account löschen“ gesucht? Auf diese und andere Fragen liefert der Computer Antwortbausteine. Doch erst die richtige Interpretation führt zum Erfolg im Datenwettlauf.

Und dafür setzen Sie auch weiterhin auf die menschlichen Experten?

Auf jeden Fall. Der Computer kann zwar ohne Probleme die Margenentwicklung eines Unternehmens errechnen und mit anderen vergleichen. Bei der Bewertung der Persönlichkeiten im Management oder der Qualität des Geschäftsmodells stößt der Algorithmus aber schnell an seine Grenzen. Das A und O ist also die Verbindung von neuen technologischen Möglichkeiten mit menschlichem Wissen.

Das heißt, der Faktor Mensch bleibt damit weiter gefragt?

Ja und das nicht nur trotz, sondern gerade wegen der zunehmenden „Automatisierung“. Die Datenberge wachsen immer schneller. Die notwendigen Auswertungsmethoden sind vorhanden. Aus ihnen die richtigen Schlüsse zu ziehen, dafür bleibt menschliches Wissen unverzichtbar. So hilft die Künstliche Intelligenz bei der Informationsaufbereitung und unterstützt bei der Entscheidungsfindung, beim Kauf des Wertpapiers hat aber oftmals der Mensch das letzte Wort.

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