Die Volksbanken und Raiffeisenbanken haben 2016 sowohl bei den Einlagen (plus 5,0 Prozent) als auch bei den Krediten an Privatpersonen und Unternehmen (plus 4,8 Prozent) deutliche Zuwächse verzeichnet. Auch die Zahl der Mitglieder hat weiter spürbar zugelegt – um 45.000 auf nun 3,73 Millionen. Seit Ausbruch der Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise 2008 ist die Zahl der Mitglieder bei Volksbanken und Raiffeisenbanken im Südwesten damit um 450.000 gestiegen. „Die Menschen vertrauen den genossenschaftlichen Banken mit ihrem einzigartigen Geschäftsmodell, das auf Nähe, Regionalität und Solidität basiert“, sagte Präsident Glaser.
Der Zinsüberschuss der 193 genossenschaftlichen Kreditinstitute im Land ist durch die extreme und lang anhaltende Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) um 3,2 Prozent gesunken. „Wir sind und bleiben die verlässlichen und fairen Finanzpartner für die Menschen und mittelständischen Unternehmen vor Ort – besonders auch in schwierigeren Zeiten“, verdeutlichte Glaser mit Verweis auf die Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise und die Jahre danach. Und es ist auch weiterhin Verlass auf die Volksbanken und Raiffeisenbanken: Mit einem Plus von fast 4,2 Milliarden Euro haben sie 2016 deutlich mehr Kredite zur Verfügung gestellt als noch im Vorjahr. Dadurch kletterten die Kundenforderungen um 4,8 Prozent auf 91,1 Milliarden Euro. Das Wachstum geht gleichermaßen auf private Kredite sowie auf Kredite für die mittelständische Wirtschaft zurück. Insgesamt legte das Kundenkreditvolumen (Kundenforderungen plus Bürgschaften) um 4,5 Prozent auf 95,7 Milliarden Euro zu. „Wir sorgen für Wertschöpfung in den Regionen und werden unserer realwirtschaftlichen Verantwortung aus voller Überzeugung gerecht. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken sind eine zentrale Stütze für die mittelständische Wirtschaft in Baden-Württemberg“, betonte der BWGV-Präsident. Die Kredite der Genossenschaftsbanken an Unternehmen haben um 4,0 Prozent auf 34,9 Milliarden Euro zugelegt, die an Privatpersonen sogar um 5,2 Prozent auf 54,4 Milliarden Euro – Haupttreiber hierbei war der Wohnungsbau.
Genossenschaftsbanken sind solide kapitalisiert
Wie schon in den Vorjahren haben die Volksbanken und Raiffeisenbanken 2016 ihre Kernkapitalquote weiter gesteigert. Sie liegt nun im Durchschnitt bei 15,2 Prozent (plus 4,1 Prozent). In absoluten Zahlen haben die genossenschaftlichen Banken in Baden-Württemberg ihr Kernkapital (Geschäftsguthaben der Mitglieder und Rücklagen) deutlich um 7,7 Prozent auf 12,5 Milliarden Euro gesteigert, das haftende Eigenkapital (Eigenmittel) stieg derweil um 3,1 Prozent auf 15,9 Milliarden Euro. „Die Genossenschaftsbanken sind solide kapitalisiert“, betonte Glaser.
Einlagen: Vertrauen der Kunden bestätigt Ehrung durch die UNESCO
An der Entwicklung der Kundeneinlagen ist zu erkennen, wie sehr die Menschen dem genossenschaftlichen Geschäftsmodell vertrauen – trotz der aktuell extrem niedrigen Zinsen am Markt: Die Einlagen sind mit einem Plus von 5,0 Prozent auf 114,8 Milliarden Euro deutlich gestiegen. Während es bei den Termineinlagen (minus 7,4 Prozent auf 8,2 Milliarden Euro) marktbedingt deutliche Rückgänge gab, legten die täglich fälligen Kundeneinlagen (plus 9,6 Prozent auf 70,5 Milliarden Euro) weiter stark zu. Etwa stabil blieben die Spareinlagen (plus 0,3 Prozent auf 35,5 Milliarden Euro). Das außerbilanzielle Kundenanlagevolumen stieg um 5,4 Prozent auf 84,3 Milliarden Euro. Dieser Zuwachs war durch die über das Gesamtjahr 2016 positive Entwicklung an den Börsen getrieben, aber auch durch den erhöhten Bestand an Bauspareinlagen und Zuwächse bei Immobilien- und Aktienfonds. „Genossenschaftsbanken werden geschätzt, weil sie anders sind als andere Kreditinstitute. Wir verbinden wirtschaftlichen Erfolg mit sozialer Verantwortung“, begründete Glaser die sehr ordentlichen Zahlen für das Jahr 2016. Dies erkenne auch die UNESCO an, die die genossenschaftliche Idee und ihre Umsetzung in der Praxis Ende 2016 in die renommierte „Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit“ aufgenommen hat – als ersten Beitrag aus Deutschland überhaupt. „Wir sind sehr stolz auf diese besondere Ehrung und nehmen sie als großen Ansporn für unser heutiges und künftiges Handeln zum Wohl unserer Mitglieder“, versicherte der BWGV-Präsident.
Klare Absage an eine europäische Einlagensicherung
Was die Mitglieder und Kunden von Genossenschaftsbanken ebenfalls außerordentlich schätzen, ist die absolute Sicherheit ihrer Einlagen: Die bundesweite Sicherungseinrichtung der Volksbanken und Raiffeisenbanken besteht schon seit mehr als 80 Jahren – und in dieser Zeit hat noch nie ein Kunde auch nur einen Cent oder Pfennig seiner Einlagen verloren. Durch diese Institutssicherung garantieren die Genossenschaftsbanken die Existenz aller knapp 1.000 Institute der Gruppe und somit alle Kundengelder in unbegrenzter Höhe. Damit geht die Absicherung weit über die mittlerweile staatlich garantierten 100.000 Euro hinaus. Entsprechend lehnt Glaser im Einklang mit der gesamten genossenschaftlichen FinanzGruppe und im Übrigen auch mit den Sparkassen in Deutschland jede Form der Vergemeinschaftung der Einlagensicherung in der Eurozone ab. „Die Europäische Kommission und alle, die ihr in dieser Frage folgen, setzen das Vertrauen der Sparer aufs Spiel. Mit einer europäischen Einlagensicherung müssten Volksbanken und Raiffeisenbanken und deren Kunden für andere europäische Banken – mit zum Teil riskanten Geschäftsmodellen – haften. Das geht auf Kosten der Bankkunden in Deutschland“, sagte der BWGV-Präsident. Bei ihrer Kritik an den EU-Plänen erhalten die Genossenschaftsbanken in Baden-Württemberg auch die Rückendeckung der Bundes- und Landespolitik, der deutschen Europaabgeordneten sowie von Wirtschaftswissenschaftlern und der Deutschen Bundesbank.
Gemeinsame Delegationsreise der Südwest-Wirtschaft nach Brüssel
Für die Beibehaltung der Einlagensicherung in der nationalen Eigenverantwortung der Mitgliedsstaaten sprechen sich auch der Baden-Württembergische Handwerkstag (BWHT), der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) und der Sparkassenverband Baden-Württemberg (SVBW) aus. Im Rahmen einer gemeinsamen Delegationsreise nach Brüssel Anfang Februar (der Geno Graph berichtete) forderten die Repräsentanten von BWHT und BWIHK gemeinsam mit den Vertretern des BWGV und des SVBW, dass der umfassende Sicherungsgedanke der Institutssicherung nicht ausgehöhlt wird. Die Vertreter der Südwest-Wirtschaft sprachen bei dem Besuch in Brüssel mit Parlamentariern sowie EU-Beamten und überreichten ihnen ihr gemeinsames Positionspapier „Mittelstand stärken – Kreditfinanzierung sichern – Finanzmarktregulierung anpassen“. Darin fordern die vier Verbände, die 780.000 Unternehmen, 193 Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie 51 Sparkassen in Baden-Württemberg vertreten, eine Regulierung mit Augenmaß, mehr Verständnis für die Bedürfnisse von kleineren und mittelgroßen Unternehmen sowie die Sicherung der Kreditfinanzierung des Mittelstands. „Die mittelständischen Unternehmen sind auf die Kredite der mittelständischen Banken angewiesen, die ihrer realwirtschaftlichen Verantwortung bereitwillig und verlässlich nachkommen“, sagte Glaser.
Regulatorik: BWGV fordert mehr Augenmaß und Proportionalität
Beim Dauerthema Bankenregulierung spricht sich der BWGV vehement für die konsequente Rückkehr zu einer Politik mit mehr Augenmaß aus – und weiß dabei ebenfalls die mittelständische Wirtschaft hinter sich. Gerade die verlässlichen kleinen und mittleren Institute mit ihren regionalen und seriösen Geschäftsmodellen dürften nicht durch übertriebene bürokratische Belastungen, die im Übrigen zunehmend auch deren Kunden belasten, in Schwierigkeiten gebracht werden. „Wir nehmen erfreut zur Kenntnis, dass bei einigen politischen Entscheidungsträgern das Bewusstsein für Defizite in der europäischen Bankenregulierung gewachsen ist“, sagte BWGV-Präsident Glaser. Trotzdem erarbeiten die EU-Kommission, die EZB und die Bankenaufsicht EBA immer neue Vorschriften. „Hier muss es ein klares Umdenken geben. Wir fordern eine eindeutige Differenzierung in der Regulatorik zwischen systemrelevanten Großbanken und kleinen, ausschließlich regional tätigen Instituten.“ Der BWGV hofft auf die weitere Unterstützung der Landes- und Bundespolitik sowie der deutschen Parlamentarier in Straßburg und Brüssel. Denn gerade kleine und mittlere Institute, wie es die Volksbanken und Raiffeisenbanken sind, werden durch administrative Aufgaben wie Dokumentationspflichten, Anlegerschutzvorgaben oder das Melde- und Beauftragtenwesen weit über Gebühr belastet. „Es ist höchste Zeit, dass die vielen regulatorischen Maßnahmen, die in den vergangenen Jahren beschlossen worden sind, auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden“, sagte BWGV-Präsident Glaser nicht zuletzt an die Adresse der Finanzminister der G20-Staaten gerichtet. Diese trafen sich am 17. und 18. März in Baden-Baden.
„Die Ertragslage der Volksbanken und Raiffeisenbanken war trotz der sehr schwierigen Rahmenbedingungen 2016 noch zufriedenstellend“, berichtete Glaser. Das Betriebsergebnis vor Risiko stieg leicht um 1,3 Prozent auf 1,27 Milliarden Euro. Dahinter standen ein um 3,2 Prozent merklich gesunkener Zinsüberschuss von 2,9 Milliarden Euro sowie ein um 1,3 Prozent verringerter Provisionsüberschuss von 936 Millionen Euro. Als Jahresüberschuss erwarten die baden-württembergischen Genossenschaftsbanken 499 Millionen Euro (plus 22,8 Prozent). Die Ertragssteuern, die die genossenschaftlichen Institute in Baden-Württemberg für das Jahr 2016 an die öffentliche Hand bezahlen, steigen um 4,1 Prozent auf 351 Millionen Euro.
Enorme regionale Wertschöpfung durch die Genossenschaftsbanken
Über den enormen Wert der genossenschaftlichen Kreditinstitute für den Standort Deutschland und ganz besonders für ihre jeweiligen Regionen geben einige Kennzahlen Auskunft: Neben den bereits erwähnten Steuerzahlungen der Volksbanken und Raiffeisenbanken an Bund, Land und Gemeinden um Umfang von 351 Millionen Euro fließen allein in Baden-Württemberg gut 1,35 Milliarden Euro an Löhnen und Gehältern an die 23.400 Mitarbeiter der Institute. Diese bezahlen jährlich etwa 322 Millionen Euro an Steuern und verfügen über eine Kaufkraft von 688 Millionen Euro, die zum großen Teil direkt in die Region zurückfließen. Ebenfalls in die Regionen gehen 267 Millionen Euro, die die genossenschaftlichen Banken jährlich in Erhalt und Ausbau ihrer Geschäftsstellen investieren, und 74 Millionen Euro pro Jahr an Geld- und Sachspenden für Vereine und soziale Einrichtungen. „Unsere Banken sorgen für massive regionale Wertschöpfung – Jahr für Jahr und aus voller Überzeugung“, betonte BWGV-Präsident Glaser.
Volksbanken und Raiffeisenbanken kritisieren „fatale Zinspolitik“
„Die fatale Zinspolitik der EZB wird sich in den kommenden Jahren stark auf die Bankbilanzen auswirken und zu deutlich sinkenden Zinsüberschüssen führen“, prognostizierte Glaser, der eindringlich ein rasches Ende dieser Politik fordert – gerade auch zum Wohl der Sparer. „Die extrem niedrigen Zinsen lösen keine Probleme, vielmehr werden damit neue geschaffen.“ Die Sparer in Deutschland sind die großen Verlierer dieser Entwicklung, da traditionelle und sichere Anlagen wie Festgeld, Tagesgeld oder Sparbücher kaum noch Ertrag bringen. „Die Zinsen sind politisch gewollt, für die Volkswirtschaft aber langfristig äußerst schädlich“, sagte Glaser. Der Zins habe seine eigentliche Steuerungsfunktion fast vollständig verloren. Vor allem jungen Menschen sei es derzeit nur noch schwer zu vermitteln, dass Sparen nach wie vor notwendig ist. Die Quasi-Nullzinspolitik habe aber auch eine soziale Dimension. So litten wohltätige Stiftungen unter der aktuellen Lage ebenso wie die sozialen Sicherungssysteme. „Ein ausreichendes Sparen fürs Alter ist vor diesem Hintergrund kaum noch möglich“, konstatierte der BWGV-Präsident. Durch die Mini-Zinsen der EZB drohen den Menschen erhebliche Versorgungslücken bis hin zur Altersarmut.
Genossenschaftsbanken machen sich fit für die Zukunft
Vor dem Hintergrund der Niedrigzinsen wird das Thema Beratung immer wichtiger. „In der kompetenten und vertrauensvollen Beratung liegt die Stärke unserer Banken, die traditionell sehr nahe an den Menschen und mittelständischen Unternehmen sind“, verdeutlichte Glaser. Hierzu werden die Volksbanken und Raiffeisenbanken in Baden-Württemberg ihr Angebot weiter ausbauen und verbessern. Bei der genossenschaftlichen Beratung verfolgen die Institute einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem die individuellen Ziele und Wünsche der Mitglieder und Kunden im Mittelpunkt stehen. „Deshalb werden die Beratungsinhalte und Beratungsprozesse kontinuierlich optimiert“, sagte Glaser.
Daneben verfeinern die Volksbanken und Raiffeisenbanken stetig die digitalen Zugangswege zur Bank wie das Online-Banking und die VR-Banking-App für Smartphones und Tablets. Das große Stichwort dabei heißt: Omnikanalkompetenz. „Wir werden beides in sehr hoher Qualität anbieten – die digitalen Zugangswege zur Bank und die Beratung in unseren zahlreichen Filialen“, versicherte der Genossenschaftspräsident. Eine erfreuliche Entwicklung nimmt derweil paydirekt, das neue, sichere Online-Bezahlsystem der deutschen Kreditwirtschaft: Ein gutes Jahr nach Start des Systems nutzen bereits mehr als 900.000 Kunden paydirekt, die Zahl der Händler nähert sich mittlerweile der 1.000er-Marke, darunter Top-Marken wie Deichmann, Trigema, dm, Haribo, Media-Markt und Saturn.
Die Bilanzsumme der 193 (Vorjahr: 206) Volksbanken und Raiffeisenbanken erhöhte sich um 4,3 Prozent auf 151,9 Milliarden Euro. Die Zahl der Bankstellen (inklusive SB-Stellen) hat sich auf 2.821 (minus 133) verringert. Die Zahl der Mitarbeiter ging um 304 auf 23.433 zurück (umgerechnet auf Vollzeitstellen). Aktuell arbeiten 2.157 Auszubildende (minus 225) bei den Instituten, was einer Azubi-Quote von gut neun Prozent entspricht.