In der Tübinger Geschäftsstelle ist einiges los. Es läuft gerade eine Nutzereinführung. Die beiden BWGV-Mitarbeiter werden von Elke Gold, Andreas Koppo und Christian Gäßler zum Gespräch nebenan ins Besprechungszimmer gebeten. Das Thema: „Das Abenteuer Rechtsform eG“, wie der Aufsichtsratsvorsitzende Christian Gäßler formuliert. 1993 gründeten 42 Initiatoren in Tübingen und Reutlingen eine Carsharing-Initiative, den Verein Ökostadt Tübingen/Reutlingen. In der Universitätsstadt Tübingen entwickelte sich die ökologisch und sozial ausgerichtete teilAuto prächtig, in Reutlingen weniger. 2008 wurden die Fuhrparks der Tübinger und der Reutlinger zusammengelegt. Seitdem ist der Verein wieder zusammengewachsen. Und so groß geworden, dass die Fortführung des Geschäftsbetriebs als Verein nicht mehr ausreichend gut funktionierte. „Wir haben mehr Fahrzeuge als Vereinsmitglieder“, bemerkt Aufsichtsratschef Gäßler.
Beteiligung Vieler durch Genossenschaft
Im Frühjahr 2017 erfolgte die „arbeitsintensive Neugründung mit Betriebsübergang“. Rechtsformen wie GmbH oder AG „passen nicht zu Tübingen“, so Gäßler weiter. „Was wir brauchen, ist ein Identifik ationswerkzeug fürs Umland Neckar-Alb und wir benötigen Menschen, die sich beteiligen“, ergänzt Vorstandsmitglied Elke Gold. Das funktioniere am besten als Genossenschaft, sind die drei Gesprächspartner überzeugt. Rund 130 Fahrzeuge – vom Kleinwagen bis zum großen Rollstuhlbus mit Platz für vier Rollstühle – sind mietbar, sagt das für den Fuhrpark zuständige Vorstandsmitglied Andreas Koppo. Neben Normaltarifen, gestaffelt nach der Fahrzeuggröße, gibt es einen reduzierten Studententarif und einen vergünstigten für die (mit Stand Ende September 2017) 93 Genossenschaftsmitglieder. Die Stadt Tübingen steht hinter Carsharing und händigt Neubürgern einen Gutschein fürs kostenreduzierte Ausprobieren des TeilAuto-Angebots aus. teilAuto kooperiert mit dem Verkehrsverbund „naldo“ (das Kürzel steht für Neckar-Alb-Donau), regionalen Stadtwerken und mit Stadt- und Gemeindeverwaltungen. In Reutlingen unterhält die Genossenschaft eine Anlaufstelle. Nutzer sind nicht nur Privatleute, die das zeitweise Ausleihen von Autos als Ergänzung zum Angebot des ÖPNV sehen. Christian Gäßler: „Wir ersetzen nicht den öffentlichen Personennahverkehr, sondern sind eindeutig ein Ergänzungsangebot.“
Smartphone-App und Kooperationen
„Institutionen und Unternehmen verkleinern ihren eigenen Fuhrpark und nutzen unser Angebot, aber auch beispielsweise die Stadtverwaltungen Tübingen, Reutlingen und Rottenburg“, sagt Elke Gold. Gebucht werden kann mittels Internet-Auftritt und Smartphone-App, die die Standorte der verfügbaren teilAuto-Fahrzeuge anzeigt. Es besteht eine Kooperation mit Carsharing-Anbietern in anderen Städten wie Berlin oder Stuttgart. Die Abrechnung funktioniert dann über die übliche Monatsrechnung der teilAuto eG. In der Datenbank stehen über 3.000 Nutzer aus der Region Neckar-Alb, die meisten sind in Tübingen zuhause. Von der Einkaufsfahrt bis zur mehrtägigen Urlaubsreise reiche das Nutzungsverhalten. teilAuto beschäftigt elf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter zwei Menschen mit Behinderung.
Welche Zukunftsziele verfolgt der genossenschaftliche Carharing-Anbieter? „Nun, fürs Carsharing gibt es keinen Masterplan. Wir sind gut aufgestellt und wollen unser Angebot sinnvoll ausweiten“, erklärt Vorstandsmitglied Koppo. Dazu gehöre, die E-Mobilität auszubauen. Zurzeit sind acht Hybrid-Fahrzeuge und zwei reine Elektro-Autos Bestandteil des Fuhrparks. „Wir wollen nur dann in die Fläche, wenn wir über Kooperationen Nachhaltigkeit herstellen können“, ergänzt Aufsichtsratsvorsitzender Gäßler. teilAuto profitiert aktuell vom am 1. September 2017 in Kraft getretenen Carsharing-Gesetz. Das schreibt mehr für Carsharing-Fahrzeuge reservierte Stellplätze im öffentlichen Bereich von Kommunen vor. „In Tübingen sind bereits neun Stellplätze entsprechend umgewidmet, weitere acht sind in der Umsetzung“, freut sich Vorstandsmitglied Koppo.
„Das bietet unseren Nutzern noch mehr Verlässlichkeit, das gewünschte Fahrzeug am gewünschten Standort vorzufinden.“
Werbung: Nutzer zu Mitgliedern
Was nun ansteht: Nutzer zu Mitgliedern machen. Wir wollen so viele Menschen wie möglich ins Genossenschafts-Boot holen“, betont Vorstandsmitglied Elke Gold. Denn die Vorzüge lägen auf der Hand. „Einer der wichtigsten Vorteile: Überschüsse können direkt in neue Fahrzeuge und Stationen investiert werden. Damit können wir auch in Zukunft weitere Menschen von der Carsharing-Idee überzeugen und Wachstum sicher finanzieren“, sagt Gold. Ein Genossenschaftsanteil beträgt 100 Euro. Natürliche Personen müssen drei, juristische Personen mindestens zehn Geschäftsanteile erwerben.
Elke Gold, Andreas Koppo und Christian Gäßler sind zwar keine „Initiatoren der ersten Stunde“, wie sie selbst sagen, dafür aber umso begeisterte Botschafter für nachhaltige Mobilität. Mit diesem festen Eindruck treten die beiden Geno-Graph-Mitarbeiter die Heimreise nach Stuttgart an. Mit dem Zug, übrigens.
Foto oben:
Die beiden teilAuto-Vorstandsmitglieder Elke Gold und Andreas Koppo sowie Aufsichtsratsvorsitzender Andreas Gäßler (von links) vor der Tübinger Geschäftsstelle der Genossenschaft.