
Franz-Josef Holzenkamp übernahm am 1. Juli 2017 von Manfred Nüssel den Stab der Präsidentschaft des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV) in Berlin. Der 57-jährige Landwirtschaftsmeister und Industriekaufmann Holzenkamp aus dem Oldenburger Münsterland verfügt über langjährige Erfahrungen in der Genossenschaftsorganisation, im Berufstand und vor allem in der Agrarpolitik. Seit Mai 2012 ist er Aufsichtsratsvorsitzender der Agravis Raiffeisen AG in Münster. Von 2002 bis 2013 hatte er das Amt des Vizepräsidenten des Landvolks Niedersachsen inne. Franz-Josef Holzenkamp war von 2005 bis zum Ende der abgelaufenen Legislaturperiode in diesem Jahr Mitglied des Bundestags und im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft sowie stellvertretendes Mitglied im Haushaltsausschuss. Die Geno-Graph-Redaktion befragte den Niedersachsen unter anderem zu den landwirtschaftlichen Strukturen im Südwesten im Allgemeinen und zur Milchwirtschaft im Besonderen.
Herr Holzenkamp, hat die eher kleinteilige Landwirtschaft in Baden-Württemberg eine Zukunft?
Das, was Sie als eher kleinteilige Landwirtschaft beschreiben, hat ja zugleich den Vorzug einer beeindruckenden Vielfalt an landwirtschaftlicher Produktion und betrieblichen Strukturen. Ich denke da an die wichtige Rolle, die die Sonderkulturen Wein sowie Obst und Gemüse in Baden-Württemberg spielen. Zudem haben die Betriebe in Baden-Württemberg den großen Vorteil, dass sie einen kaufkräftigen Markt mit anspruchsvollen Verbrauchern vor der Haustür haben, worüber andere stärker und einseitiger agrarisch geprägte Regionen nicht verfügen. Es gibt also zahlreiche gute Gründe, warum im Südwesten diese einzigartige Agrarstruktur zu erhalten ist und auch eine gute Zukunft hat. Diese sehe ich insbesondere in den regionalen Märkten und in der Qualitätsproduktion. Dabei werden die Landwirte von sehr leistungsfähigen und marktnahen Genossenschaften in den verschiedenen Sparten unterstützt.
Wie sollten diese Strukturen im Prozess der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU nach 2020 Berücksichtigung finden?
Was wir bei der GAP nach 2020 anstreben, ist vor allen Dingen Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Bei der letzten EU-Reform wurden bei den Direktzahlungen Zuschläge für die ersten Hektare bis 15 Hektar und bis 30 Hektar vorgenommen. Außerdem müssen die Leistungen, die Landwirte gerade in Baden-Württemberg für Landschaftsschutz und -gestaltung sowie für die Biodiversität erbringen, stärker honoriert werden. Zudem ist es erforderlich, Landwirten und Genossenschaften Instrumente an die Hand zu geben, mit denen sie erfolgreich auf volatilen Märkten agieren können. Sehr bedeutsam sind neben der Preisabsicherung an den Warenterminmärkten aktuelle und vor allem präzise Marktinformationen. Hier sehe ich Verbesserungspotenzial. Die Einrichtung von „Marktbeobachtungsgruppen“ bei der EU-Kommission, zum Beispiel für Milch und Getreide, begrüße ich ausdrücklich als einen richtigen Schritt. Der DRV ist mit seinen Marktexperten in diesen Gremien vertreten und gibt die Informationen zeitnah an die Mitgliedsunternehmen weiter.
Das Bundeskartellamt hat die Lieferbeziehung zwischen Milchbauer und seiner Genossenschaftsmolkerei scharf kritisiert. Warum liegt das Amt falsch?
Das Bundeskartellamt untersucht nicht nur die Lieferbeziehungen zwischen Milcherzeugern und ihren Genossenschaftsmolkereien. Auch die nicht genossenschaftlichen Lieferbeziehungen stehen im Fokus der Untersuchungen. Die Bonner Behörde liegt falsch, weil die in den Satzungen und Milchlieferordnungen vereinbarten Lieferbedingungen das Ergebnis von Entscheidungen der Genossenschaftsmitglieder selbst sind, die jeweils im Rahmen ihrer Satzungsautonomie in demokratischen Prozessen getroffen werden. Da sollen sie auch bleiben. Ich stelle mit Bedauern fest, dass unsere sachlichen Argumente das Bundeskartellamt bislang nicht hinreichend überzeugen konnten. Ein konkreter Kartellverstoß ist bislang nicht dargelegt. Vielmehr wird eine aus Sicht der genossenschaftlichen Molkereien politisch motivierte Diskussion geführt, die insbesondere zu Lasten der genossenschaftlichen Strukturen geht. Unseren Molkereien wird fälschlicherweise ein Verharren in bestehenden Strukturen unterstellt, was aber nicht zutrifft. Die Molkereien werden durch demokratische Entscheidungen geführt und die Tatsache, dass eine Vielzahl von Erzeugern mit ihrer Molkerei zufrieden ist, wird bislang schlicht nicht anerkannt.
Wie kann die Position von Genossenschaften gegenüber der Marktmacht des sich immer stärker konzentrierenden Lebensmitteleinzelhandels (LEH) verbessert werden?
Die Marktmacht des LEH nimmt ohne Zweifel zu, nicht zuletzt mit der Übernahme von Kaisers-Tengelmann durch Edeka und Rewe. Neben einem zunehmenden Preisdruck werden unsere Genossenschaften zunehmend mit neuen und steigenden Qualitätsanforderungen, die oftmals weit über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen, konfrontiert. Unsere Genossenschaften sind gefordert, ihre Markt- und Verhandlungsposition gegenüber dem LEH im Interesse ihrer Mitglieder zu stärken. Neben einer vorausschauenden und kontinuierlichen Anpassung der Strukturen ist zu prüfen, ob und inwieweit die Vermarktung einzelner Produkte gebündelt werden kann. Im Bereich Obst sind bereits viele Kooperationen erfolgreich umgesetzt worden.
Darüber hinaus müssen unsere Genossenschaften vermehrt auf veredelte Produkte setzen und die regionale Herkunft als Marketinginstrument noch deutlicher herausstellen. Dafür sehe ich insbesondere erfolgversprechende Ansätze im Milchbereich. Durch solche Strategien werden die Unternehmen und ihre Spitzenprodukte weniger austauschbar. Sie können sich gegenüber dem LEH und mit Blick auf die Erschließung neuer Drittlandmärkte noch besser positionieren.
Baden-Württemberg ist mit seinen beiden Anbaugebieten Baden und Württemberg ein Wein-Bundesland. Mit vielen Steillagen. Wie sollte hier die Förderung aussehen?
Die Mitglieder unserer Winzer- und Weingärtnergenossenschaften leisten mit der arbeits-, personal- und kostenintensiven Bewirtschaftung von Steillagen einen unverzichtbaren Beitrag zum Erhalt der einzigartigen Kulturlandschaft. Die gezielte Unterstützung des Steillagenweinbaus ist daher unverzichtbar. Das neue Förderprogramm Baden-Württembergs sieht dafür die direkte Förderung von bis zu 3.000 Euro je Hektar vor. Diese Initiative begrüße ich ausdrücklich. Jedoch reicht diese Beihilfe nicht aus, um das Kulturgut Steillagen dauerhaft zu erhalten. Neben weiteren Maßnahmen, wie die Förderung des Erhalts von Trockenmauern über die Zweite Säule der GAP, müssen vor allem Innovationen wie die Pflanzenschutzausbringung mittels Drohne und die Entwicklung von Steillagen-Vollerntern vorangetrieben werden. Priorität für die Genossenschaften haben zudem der Ausbau, die Positionierung und die Vermarktung der Weine als absolute Premiumprodukte.