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Der Klimawandel wird die Landwirtschaft verändern

Klimwandel
Oliver Mohr / pixelio.de

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Nach dem zweitwärmsten Jahr in Deutschland seit Beginn der modernen Wetteraufzeichnung im Jahr 1881 fragen sich viele besorgte Landwirte, auf welche klimatischen Perspektiven sie sich künftig einstellen müssen. Große Erwartungen hängen an dem neuen Klimaabkommen von Paris. Denn wenn der Mensch sein Verhalten nicht bald ändert, lautet die erschreckende Aussicht: Ende des Jahrhunderts könnten Rekordsommer wie im Jahr 2003 oder 2015 Normalität sein.

Im November und Dezember 2015 hatte die ZG Raiffeisen eG, Karlsruhe, zu ihren Ackerbaumessen geladen. In Appenweier, Bruchsal und Freiburg-Tiengen versammelten sich Mitglieder, Landwirte und Experten aus der Branche, um Bilanz der vergangenen Saison zu ziehen. Vor allem für den Mais war es ein schwieriges Jahr im Südwesten, wo die Ernte mancherorts regelrecht auf dem Feld vertrocknet ist, während in anderen Anbauregionen gute Erträge eingefahren wurden. Weltweit sind die wichtigsten Agrarprodukte Mais, Soja und Weizen jedenfalls nach der Ernte 2015 reichlich vorhanden. Dementsprechend waren die Preise im Keller.

Mit Spannung erwartet wurde daher besonders der Vortrag von Dr. Holger Flaig vom Landwirtschaftliches Technologiezentrum Augustenberg in Karlsruhe über die Folgen des Klimawandels für die Landwirtschaft. Als Referent für Agrarökologie hat er dort für seine Forschung Daten zur Entwicklung von Klima und Ernteerträgen in Baden-Württemberg aus den vergangenen 50 Jahren ausgewertet. Zusätzlich unterstrichen wurde die Aktualität des Themas durch die Verhandlungen über ein neues internationales Klimaschutzabkommen, die zwei Tage zuvor in Paris begonnen hatten.

Das Klima wird unberechenbar

Auf den Ackerbaumessen der ZG Raiffeisen eG referiert Dr. Holger Flaig, vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg, über den Klimawandel und die Folgen für die Landwirtschaft.
Ackerbaumessen der ZG Raiffeisen eG: Dr. Holger Flaig vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg referiert über den Klimawandel und die Folgen für die Landwirtschaft.

Die Ergebnisse von Flaigs Auswertung sind alles andere als beruhigend, denn viele meteorologische Parameter verändern sich merklich. Die Treibhausgas-Konzentrationen (vor allem CO2) steigen weltweit an, und mit ihnen die Temperaturen. Die Unberechenbarkeit des Klimas und extreme Wetterereignisse wie Hagel, Starkregen, Hitze und Trockenheit nehmen zu. Das Anbaujahr beginnt früher, die Vegetationsperiode wird länger. Der Niederschlag steigt zwar insgesamt übers Jahr gesehen an, doch verlagert er sich ausgerechnet in die kalte Jahreszeit, weg von den Sommermonaten, wenn der Regen am dringendsten gebraucht wird.

Bereits jetzt bewege sich die aktuelle Entwicklung der Treibhausgasemissionen am oberen Rand der ungünstigsten Szenarien des Weltklimarats der Vereinten Nationen (IPCC), sagte Flaig. Wenn sich nichts ändere, würden die Temperaturen bis zum Jahr 2100 weltweit mindestens um drei bis vier Grad Celsius ansteigen. Dies wäre rund das Doppelte des angestrebten Klimaschutzziels, das gerade in Paris verhandelt werde, nämlich wie man den Anstieg der Erderwärmung bei unter zwei Grad halten kann. Dieser Wert gilt als ein Kompromiss der Machbarkeit zwischen Klimaverhältnissen, die die Menschheit gerade noch bewältigen kann, und einem nicht mehr erträglichen Zustand.

Was bedeutet der Klimawandel für Baden-Württemberg?

Die Anzahl der Tropentage in Baden-Württemberg mit Temperaturen über 30 Grad Celsius wird sich schon im Jahr 2050 verdoppelt haben. Als Referenzbeispiel kam Flaig immer wieder auf den Rekordsommer von 2003 zurück, der von der Münchener Rückversicherung als schlimmste Naturkatastrophe der vergangenen 100 Jahre eingestuft worden ist. Europaweit seien mindestens 70.000 Todesfälle direkt oder indirekt auf dieses Ereignis zurückzuführen. Die Werte waren 2003 in der Tat dramatisch: Fünf bis sechs Grad höhere Temperaturen im Mittel im Südwesten Deutschlands, 40 bis 50 heiße Tage im Jahr mit Werten über 30 Grad am oberen Rheingraben, zehn bis 20 Prozent weniger Niederschlag.

„Diese Temperatursteigerung von 2003 ist quasi ein Fenster in die Zukunft, denn dies wird im Jahr 2080 ein durchaus normaler Sommer sein, wenn die Berechnungen der Klimaforscher zutreffen“, sagte Flaig. Er betonte dabei, dass alle genannten Daten Durchschnittswerte seien, die regional auch noch extremer ausfallen können. Allerdings müsse man berücksichtigen, dass die Werte von 2003 auf den Sorten basierten, die damals angebaut wurden. Natürlich würden auch die Sorten ständig weiterentwickelt. 2003 lagen die Erträge im Durchschnitt jedenfalls rund 15 Prozent unter dem Fünfjahresmittel davor. 2015 habe man wieder gesehen, dass der Hitzevorteil auch für wärmeliebende Kulturen wie den Mais Grenzen haben kann, sagte Flaig. Wärme und CO2 begünstigten zwar die Photosynthese, womit der Ertrag steige. Doch zugleich sinke der Stickstoff- und Proteingehalt, womit wiederum die Qualität leide. Kritisch werde es immer dann, wenn hohe Temperaturen und Trockenheit mit den empfindlichen Phasen des Pflanzenwachstums zusammenfielen, also vor allem in der Blüte. Die Kornfüllungsphase könne dann deutlich verkürzt ausfallen.

Mais, Soja und Hirse als Kulturen der Zukunft?

Für die zweite Hälfte des Jahrhunderts sei insgesamt mit einer Konkurrenzverschiebung hin zu eher wärmeliebende Kulturen wie Mais, Soja und Hirse zu rechnen. Getreide und Raps hätten dann eher das Nachsehen. Allerdings sei keineswegs sicher, dass dies auch in der Praxis funktionieren würde. Dies zeige ausgerechnet der Mais. Nach den Ertragsdaten des Statistischen Landesamts seien bei allen Kulturen die Erträge seit 1951 stetig gestiegen – nur beim Mais, vor allem beim Silomais, stagnierten sie auf dem Ertragsniveau der 1980er Jahre. Das habe auch ihn als Wissenschaftler ins Grübeln gebracht, meinte der Referent.

„Man sollte eigentlich meinen, dass sich eine subtropische Pflanze wie der Mais hier besonders wohlfühlen würde“, sagte Dr. Flaig. „Doch Mais benötigt Wasser, um sein Ertragspotenzial zu entfalten. Wenn er das nicht bekommt, nützt die ganze Hitze wenig.“

Klimawandel kann auch Chance sein

Dennoch berge der Klimawandel nicht nur Risiken, sondern auch Chancen, etwa für den Anbau neuer, südländischer Gemüsesorten. Neben dem allgemeinen Klimaverhalten als Verbraucher können die Landwirte ihr Anbaurisiko durch eine entsprechende Fruchtfolge, den Anbau verschiedener Sorten und ein effektives Resistenzmanagement bei Schädlingen mindern. Wer allerdings bei der Sortenwahl nur auf die Ertragsstärke blicke, werde nicht weit kommen, prophezeite Dr. Flaig. Mit geeigneten Sorten und entsprechend abgestimmter Bewässerung, Düngung und Pflanzenschutz könnten die Anpassungsreaktionen der Kulturen auf die klimatischen Bedingungen schrittweise verbessert werden. Die Herausforderung bestehe vor allem darin, die richtigen Diagnose- und Monitoring-Instrumente für deren Weiterentwicklung zu finden.

Mit einer eigenen Saatgutvermehrung, Sorten- und Wirkstoffversuchen oder dem Angebot für Bodenanalysen und darauf abgestimmten, individuellen Düngemischungen ist die ZG Raiffeisen hier auf einem guten Weg. Es gilt, gemeinsam mit der Landwirtschaft intelligente Lösungen zu suchen. Dies ist die Chance für die Agrargenossenschaften, ihr Fachwissen und ihr Beratungsangebot ständig zu erweitern und die richtigen Betriebsmittel für die Zukunft zu entwickeln.

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