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Aufsichtsrat 2017: Alte und neue Herausforderungen

Leuchtturm Lotse
Femek / pixelio.de

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Einfache Antworten – war gestern. Heute ist – Komplexität! Zugegebenermaßen ist dieses Entree in eine aktuelle Betrachtung zu den Herausforderungen für Aufsichtsräte von Genossenschaften etwas holzschnittartig. Dennoch spiegelt es das Empfinden vieler Aufsichtsräte wider – nicht nur von Genossenschaftsbanken, sondern auch von Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften. Bankentypisch ist dabei die Regulierung, die – oft genug beklagt – in den vergangenen Jahren eine völlig ungeahnte Dimension angenommen hat und natürlich ungemein viel Komplexität in den Bankalltag und in das Aktionsfeld eines Aufsichtsrats gebracht hat. Regulierung als politischer Mainstream trifft aber auch viele Branchen, in den Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften tätig sind: Energiegenossenschaften ebenso wie Weingärtner- und Winzergenossenschaften, um nur zwei Beispiele anzuführen.

Hauptherausforderung: Komplexität verringern

Daher ist eine zentrale Herausforderung für Aufsichtsräte heute: Komplexität reduzieren! Dies ist allein schon deshalb ein erfolgskritischer Faktor, weil die Mitglieder des Aufsichtsrats von Genossenschaften unverändert ehrenamtlich tätig sind (und auch perspektivisch bleiben sollen!). Komplexität reduzieren: unbedingt! Aber wie? Mangels Patentrezept helfen am ehesten Leitplanken für die Organisation der Sitzungstätigkeit und Prinzipien als Ordnungsrahmen. Ein Baustein ist ein wohlüberlegter, strukturierter Sitzungsplan, begleitet von guter Vorbereitung mit aussagefähigen Unterlagen, die rechtzeitig vor der Sitzung vorgelegt werden. Unverzichtbare Prinzipien: Konzentration auf das Wesentliche und strikte Effizienz im Ablauf der Sitzungen. Konzentration auf das Wesentliche ist schwer, aber der gewaltigste Hebel bei der Reduktion von Komplexität. Wo steht die Genossenschaft? Wie ist ihre Marktstellung? Wie ist die finanzwirtschaftliche Fitness in puncto Rentabilität und Liquidität? Und die Königsdisziplin: Wie steht es um die Veränderungsfähigkeit des Unternehmens?

Straffe, fokussierte Sitzungsunterlagen sind hilfreich

Gefordert sind das Durchdringen der oben genannten Themen und das „auf den Punkt kommen“. Hilfreich dafür sind straffe, fokussierte Sitzungsunterlagen, mit denen sich alle Teilnehmer intensiv vor der Sitzung beschäftigt haben. Gut gemeint, aber wenig hilfreich, sind – Achtung: Übertreibung! 80 Seiten Geschäftsentwicklung plus 80 Seiten Risikobericht und 40 Seiten Regulatorik-Bericht. Ab und zu wird hier aus der Genossenschaftspraxis „zurückgeschossen“ und darauf hingewiesen, dass die Verbände zur Überdimensionierung von Reporting beigetragen haben. Dringende Empfehlung: Ross und Reiter nennen und ins Gespräch kommen! Der BWGV hat kein Interesse an ineffizienten Strukturen in der Aufsichtsratspraxis. Inhaltlich geht es mehr denn je darum, Stärken und Schwächen der Genossenschaft als Ehrenamt zu durchdringen und dort die Schwerpunkte der Arbeit zu legen, wo strategisch kritische Faktoren vorliegen. Also: Freuen über die Stärken des Unternehmens und überwachen, ob diese Stärken ihre Strahlkraft behalten. Nachhaken und Handeln des Managements dort einfordern, wo die Zukunftsfähigkeit der Genossenschaft gefährdet sein könnte. Verallgemeinerungen bringen an dieser Stelle nichts; hier ist jede Genossenschaft ein Stück weit Unikat.

Schwieriges Feld der Regulatorik

Regulatorik beherrschen: Ein frustrierendes Kapitel, insbesondere natürlich für die Volksbanken und Raiffeisenbanken, ist der Regeldschungel von CRR/CRD, MiFiD, KWG, MaRisk, MaComp, bald auch BAIT und so weiter. Der nationale Gesetzgeber hat erst vor wenigen Jahren noch einen draufgesetzt: „Das Verwaltungsoder Aufsichtsorgan muss die Geschäftsleiter auch im Hinblick auf die Einhaltung der einschlägigen bankaufsichtsrechtlichen Regelungen überwachen“ ( § 25 d Abs. 6 Satz 1 KWG). Wie soll das denn gehen?

Der BWGV hat hierauf sehr frühzeitig eine kraftvolle, praxisgerechte Antwort gegeben: Der Aufsichtsrat darf sich bei dieser Anforderung der gesetzlichen Prüfung bedienen. Die Prüfung hat die bankaufsichtsrechtlichen Regelungen umfassend zu prüfen und berichtet im Rahmen der gesetzlichen Prüfung nach § 53 GenG beziehungsweise § 340 k HGB, ergänzt um die Prüfung nach § 36 WpHG und garniert durch einen mittlerweile eigenständigen Bericht zur Einhaltung der Vorschriften nach dem Geldwäschegesetz. Der Aufsichtsrat nimmt den Bericht des Prüfers entgegen und analysiert: Keine Beanstandungen – kein Handlungsbedarf. Bei Mängeln gilt es, ein Gespür für die Gewichtigkeit zu bekommen und – abgestuft nach der Bedeutsamkeit – einen Maßnahmenplan zur Abstellung der Mängel vom Vorstand zu erhalten und diesen dann nachzuhalten.

Strategie-Dialog mit Vorstand: die Königsdisziplin

Zukunftsfähigkeit gestalten: Die „Königsdisziplin“ in disruptiven Zeiten“ ist der Strategie-Dialog mit dem Vorstand. Verantwortlich für die Strategiearbeit ist und bleibt der Vorstand. Er leitet die Genossenschaft unter eigener Verantwortung (§ 27 GenG). Der Aufsichtsrat kann seiner Überwachungstätigkeit aber nur nachkommen, wenn er bei strategischen Weichenstellungen einbezogen wird und seine Meinung einbringen kann. Jeder weiß, dass am Anfang von Erfolg oder Misserfolg strategische Entscheidungen stehen. Wachstum, Ertragskraft und Liquidität sind geprägt durch richtige langfristige Weichenstellungen.

Daher muss der Aufsichtsrat regelmäßig mit dem Vorstand eine partnerschaftliche Ortsbestimmung machen, das Umfeld der Genossenschaft ausleuchten und die Unternehmensstrategie auf den Prüfstand stellen. Aktuelle Mega-Fragen sind: Wie beantwortet das Unternehmen die Herausforderungen der Demographie – Wo bekommt die Genossenschaft die guten Leute zur Zukunftsgestaltung her beziehungsweise wie hält sie Talente? Wie sieht die „digitale Agenda“ der Genossenschaft aus? Damit eng verbunden: Wie wandlungsfähig ist das Unternehmen, wie schnell kann es auf strategische Herausforderungen reagieren? Wie viel „Change-Geist“ ist im Alltag der Genossenschaft spürbar?

Die Struktur folgt der Strategie

Last but not least: Jede Genossenschaft ist zuerst einmal ein Unikat und die Eigenständigkeit ein hohes Gut. Genauso gültig ist aber auch der Satz, dass die Genossenschaft kein Selbstzweck ist und die Struktur der Strategie folgen muss. Vom Aufsichtsrat wird sicher von den Mitgliedern erwartet, dass er sich für die Leistungsfähigkeit dieser Genossenschaft und ihre Förderleistung für die Mitglieder einsetzt. Verantwortung heißt aber auch, auf Veränderungen der Rahmenbedingungen rechtzeitig zu reagieren und die Weichen für eine Anpassung der Unternehmensorganisation, für Kooperation mit anderen Genossenschaften oder auch für eine Fusion zu stellen.

Dieses Spiel haben die Genossenschaftler in den vergangenen Jahrzehnten übrigens hervorragend beherrscht, sonst wäre die Marktstellung der eGs in vielen Branchen nicht so gut wie sie ist. Wenn die Zeiten so bewegt und unsicher sind wie in diesen Tagen, gewinnt die strategische Rolle des Aufsichtsrats an Bedeutung. Es geht auch hier nicht um ein Patentrezept, sondern zunächst einmal um das Einfordern absoluter Klarheit über den Status quo der Genossenschaft, ihre voraussichtliche Entwicklung, das Analysieren und Bewerten von strategischen Alternativen und das Begleiten von Entscheidungen des Vorstands. Begleiten und mehr: Am Ende muss es ein „Commitment“ geben und beide Akteure, Vorstand und Aufsichtsrat, können darauf vertrauen, dass der Weg gemeinsam gegangen wird, auch gegen Widerstände. Das ist gute genossenschaftliche „Governance“!

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