Derzeit stehen sich in der öffentlichen Diskussion die These vom „Ende der Arbeit“ und die Sorge vor einem Mangel an Erwerbspersonen und Fachkräften gegenüber. Das schon öfters prognostizierte „Ende der Arbeit“ wird aller Wahrscheinlichkeit auch dieses Mal nicht eintreten. Wann immer in der Vergangenheit auch ganze Branchen und Berufe verschwunden sind, entstanden gleichzeitig auch neue Geschäftsmodelle und Berufsbilder. Daher geht es eher um Veränderungen und Umbrüche. Eine Erwartung, auf die die Bundesregierung mit ihrer Digitalstrategie reagiert. Im November 2018, wurde diese vorgestellt. In den fünf Bereichen Digitale Kompetenz, Infrastruktur und Ausstattung, Innovation und digitale Transformation, Gesellschaft, und Moderner Staat soll der digitale Wandel gefördert werden.
Nach einer zweitägigen Kabinettsklausur zur digitalen Strategie in Potsdam im November 2018 verkündete die Regierung, dass sie bis 2025 3 Milliarden Euro in den Bereich Künstliche Intelligenz (KI) investieren will. Mit Investments aus der Privatwirtschaft soll dieser Betrag noch einmal verdoppelt werden. Das Ziel: Deutschland zu einem international führenden Standort für KI zu machen, so Bundeskanzlerin Angela Merkel. Drei Milliarden mag nach viel klingen, aber im Vergleich zu anderen Standorten ist es nur Kleingeld. China plant eine staatlich finanzierte 150 Milliarden Dollar große Industrie bis 2030. Aber die angekündigten Investitionen sind ein Anfang. Bis vor kurzem zögerte die Regierung, ins Thema Digitalisierung einzusteigen. Es sollte schließlich nicht so aussehen, als würde sie öffentliche Gelder zum Fenster rauswerfen, oder als ob sie dringendere Sorgen der Wähler wie Gesundheitsvorsorge, Ausbildungsfragen oder Rente ignorieren würde.
Kollege künstliche Intelligenz
Der Digitalisierungsplan erstreckt sich auf fünf Bereiche: Im Bereich digitale Kompetenz sollen Bürger vom Kindergarten bis in die Rente für die Digitalisierung fit gemacht werden. Mithilfe eines Infrastrukturausbaus sollen endlich Menschen in ganz Deutschland bis 2025 Zugang zu Highspeed-Internet bekommen. Drittens will sich Deutschland vom endlosen bürokratischen Papierkrieg verabschieden – alle Behördendienste sollen online in Anspruch genommen werden können. Unter dem Titel „Industrie 4.0“ soll es zu einer digitalen Transformation der Arbeit kommen, zu der auch der Einsatz von KI am Arbeitsplatz gehört. Gleichzeitig sollen Jobs und ethische Grundsätze geschützt werden. Sorgen über Jobverluste sind alles andere als unbegründet. Rund 1,3 Millionen Jobs werden bis 2025 durch künstliche Intelligenz ersetzt werden, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil auf der Kabinettsklausur, in der die Digitalisierungsstrategie verabschiedet wurde. Heil fügte aber auch hinzu, dass etwa 2,1 Millionen neue Jobs entstehen würden.
Über allen Bereichen steht der Leitsatz, dass der Mensch im Mittelpunkt stehen soll. Egal ob Blockchain, 3D-Druck, Augmented Reality oder künstliche Intelligenz: Neue Technologien können den Zugang zu Bildung erleichtern, Menschen mit Behinderungen mehr Teilhabe ermöglichen, die Gesundheitsversorgung verbessern, zum Schutz der Umwelt beitragen etc. Kritiker bemängeln, dass die Digitalstrategie des Bundes diese Chancen nicht genügend aufgreife, sondern insbesondere Akteure aus der „klassischen“ Wirtschaft bei der Entwicklung der neuen Technologien fördere. Dabei scheint es, so die Kritik, kein Kriterium zu sein, ob diese Akteure dann das soziale Potenzial nutzen und ob die Technologien im Sinne einer gesellschaftlichen Wirkung nachhaltig eingesetzt werden. Dabei können wir die komplexen Probleme unserer Gesellschaft nur lösen, wenn wir neue Methoden ausprobieren und innovative Mittel einsetzen – und wenn wir die Entwicklung dieser neuen Instrumente nicht ausschließlich nach renditegetriebenen Kennzahlen ausrichten.
Digitalisierung an sich ist kein Wert – sondern das, was man daraus macht. Die These lautet: Es sollte weniger eine Digitalstrategie geben als eine Strategie zur Bewältigung sozialer Herausforderungen mittels technologischer Innovationen.
Erster Deutscher Social Entrepreneurship Monitor
Der im Dezember 2018 erschienene „Erste Deutsche Social Entrepreneurship Monitor“ liefert viele Daten dazu: Während zum Beispiel Mobile-Apps oder andere digitale Anwendungen mittlerweile bei der Mehrheit der Social Startups Standard sind, nutzen bereits rund 25 Prozent der befragten Unternehmen Technologien, die auf künstlicher Intelligenz basieren, und über 20 Prozent setzen auf Blockchain oder Internet der Dinge. Die Publikation ist aus einer Kooperation zwischen dem Social Entrepreneurship Netzwerks Deutschland e.V. und der Otto-von-Guericke-Universität, Magdeburg entstanden.
Die Europäische Kommission hat eine Arbeitsdefinition von Social Entrepreneurship aufgestellt. Diese Definition geht von drei Dimensionen aus, die eine Organisation aufweisen muss, um als Sozialunternehmen zu gelten. Dies ist zum einen die soziale Dimension, die auf die Lösung einer gesellschaftlichen Herausforderung durch die Organisation abzielt (dies kann auch eine ökologische Herausforderung sein). Zum zweiten muss ein Sozialunternehmen einer kontinuierlichen Tätigkeit der Produktion und/oder des Austauschs von Waren und/oder Dienstleistungen nachgehen. In der „Governance Dimension“ muss die Organisation zusätzlich die Gewinn- und/oder Vermögensverteilung gegenüber dem sozialen Ziel begrenzen, unabhängig sein und muss durch partizipative und/oder demokratische Entscheidungsprozesse gekennzeichnet sein.
Hier ergeben sich große Schnittmengen zur Rechts- und Unternehmensform der eingetragenen Genossenschaft. Mithilfe von Genossenschaften lassen sich lokale und regionale Zukunftsprojekte hervorragend realisieren und zugleich die Bürger vor Ort mit einbinden. Die Sicherung örtlicher Infrastruktur – vor allem in ländlichen Gebieten – wird vermehrt zu einer Gemeinschaftsaufgabe. Genossenschaftliche Lösungen haben den großen Vorteil, dass sie sich sehr gut für die unterschiedlichsten Einsatzmöglichkeiten eignen und zugleich die Bürger vor Ort aktiv mit einbinden und so die Akzeptanz und auch die Erfolgsaussichten von Projekten erhöhen. Nicht zuletzt gilt die eingetragene Genossenschaft (eG) als die stabilste und mit Abstand insolvenzsicherste Rechtsform. Außerdem bleibt die Wertschöpfung in der jeweiligen Region erhalten und wird sogar weiter ausgebaut. Die Rechts- und Unternehmensform der eingetragenen Genossenschaft bietet passende Lösungen zum Beispiel für die Nahversorgung mit Lebensmitteln (Dorfläden), für Kinderbetreuung und Bildung, Pflege, moderne Mobilität, Gesundheitsdienstleistungen, zum Beispiel durch Ärztegenossenschaften, oder auch für die Quartiersentwicklung und bedarfsgerechtes Wohnen.
Lob und Kritik für Unternehmensform der eG
Der Social Entrepreneurship Monitor zitiert Umfrageteilnehmer zur Frage, welche Rechtsformen geeignet seien. Zur eingetragenen Genossenschaft ist zu lesen: „Die Genossenschaft überzeuge nach einer Aussage vor allem durch die basisdemokratische Natur der Entscheidungsfindung: ,Gleiches Stimmrecht für alle, langfristige Sicherung des Unternehmenszwecks (sowie) geringe Möglichkeiten, Wertschöpfung zu betreiben. Kapital bleibt im Unternehmen (und eine) Spekulation wird verhindert.‘ Einer der Befragten fügt jedoch hinzu, dass es schwierig sei, Kapital in der Gründungsphase zu akquirieren und das Genossenschaftsrecht außerdem teilweise veraltet sei: ,Sehr starre Regelungen, (das) Genossenschaftsrecht (ist) teilweise veraltet. Förderprogramme (sind) oft auf Bestandsgenossenschaften und nicht auf (die) Gründungsphase zugeschnitten, (die) Kapitalbeschaffung (ist) schwierig.‘
Richtig ist, dass Genossenschaften im sozialen Bereich auf das Mitwirken vieler setzen. Um die Potenziale von Genossenschaften noch breiter in Politik und Gesellschaft zu verankern, hat der BWGV eine Veranstaltungsreihe initiiert. Sie erläutert genossenschaftliche Lösungsmöglichkeiten und stellt praktische Beispiele vor. Bei der ersten Veranstaltung in Stuttgart im November 2018 stand das Thema „Bürgerbeteiligung“ im Mittelpunkt.´Weitere Schwerpunktthemen in 2019 sind „Ländlicher Raum“, „Bürgersozialgenossenschaften“, „WohnenPlus“ und „Mobilität“. Zu den Organisatoren der Veranstaltungsreihe gehören neben dem BWGV auch die SPES – Studiengesellschaft für Projekte zur Erneuerung der Strukturen und die Initiative K-Punkt – Ländliche Entwicklung im Kloster Heiligkreuztal. Projektpartner sind der Gemeindetag und der Städtetag Baden-Württemberg, der Landkreistag Baden-Württemberg, das Gemeindenetzwerk Bürgerengagement und Ehrenamt Baden-Württemberg, die Allianz für Beteiligung, das Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung an der Evangelischen Hochschule Freiburg (ZZE) und die Akademie Ländlicher Raum Baden-Württemberg.