„Ganz sicher“, antwortet Andreas Stein auf die Frage, ob es die Raiffeisenbank Tüngental eG auch noch in zehn Jahren als eigenständiges Institut geben werde. „Diese Frage höre ich seit 20 Jahren immer wieder“, schmunzelt der für die Aktivseite der kleinen Genossenschaftsbank zuständige Vorstand. Der 59-Jährige sitzt in seinem bescheidenen Büro im beschaulichen Schwäbisch Haller Stadtteil Tüngental und sagt im Geno-Graph-Redaktionsgespräch: „Schauen Sie sich um: alles weiß. Wir als Vier-Mitarbeiter-Bank sind quasi eine Landarztpraxis. Wir verarzten alle, wir finden immer eine Lösung für den jeweiligen Bedarf.“ Mit „alle“ meint Andreas Stein, der 1982 mit damals gerade 24 Jahren Deutschlands jüngster Bank-Chef war, die 731 Mitglieder und rund 1.400 Kunden der 28-Millionen-Euro-Bank. „Natürlich sind wir auch Online-Bank. Was uns aber ausmacht ist, dass wir über Kredite in längstens 20 Minuten entscheiden. Wir sind schnell und flexibel. Das verstehen wir unter Kundennähe.“ Seine Bank vertreibe keine Produkte, sondern biete Bedarfslösungen an.
Bankberatung im Rathaus des Nachbarorts
Seit Oktober 2016 auch im benachbarten Wolpertshausen. „Der dortige Bürgermeister kam zu mir mit dem Problem, dass es in seiner Gemeinde keine Bankfiliale mehr gab.“
Andreas Stein, mit 35 Vorstandsjahren einer der „ältesten“ Vorstände, fährt seitdem einmal pro Woche für einige Stunden ins Wolpertshausener Rathaus. Dort berät er Kunden in Geldangelegenheiten. Mit gutem Erfolg „Wir haben rund 100 Neukunden gewonnen. Das ist für eine so kleine Bank, wie wir es sind, enorm“, zeigt sich Stein zufrieden. „Ich kann bereits heute sagen: Wir verdoppeln 2017 unseren Gewinn gegenüber 2016.“ Um Regulierung und Meldewesen kümmere sich erfolgreich sein fürs Passivgeschäft zuständige Vorstandskollege Wolfgang Greulich.
Mit dem Schritt, ihre Geschäftstätigkeit auszuweiten, brachte es die Raiffeisenbank Tüngental in die Schlagzeilen. Das Handelsblatt berichtete groß. Das führte unter anderem dazu, dass Andreas Stein im Juni in Münster zu einer vom Institut für Genossenschaftswesen der Universität Münster veranstalteten Podiumsdiskussion eingeladen wurde. Seine dort vorgebrachte Position: „Nähe, Vertrauen, Flexibilität und Schnelligkeit: Das sollte eine Genossenschaftsbank ausmachen. Diese Tugenden werden immer mehr nachgefragt.“ Er rät großen Volksbanken und Raiffeisenbanken dazu, innerhalb der Bank Dezentralität zu üben. Von der Zentrale vorgegebene Vertriebsziele seien der falsche Weg. Besser sei es, die Geschäftsstellen mit Entscheidungskompetenz auszustatten, meint Stein.