Die genossenschaftlichen Spitzenverbände DGRV – Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband und GdW – Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen begrüßten etwa 300 Teilnehmer beim „Bundeskongress genossenschaftliche Energiewende“ im Haus der DZ Bank am Pariser Platz in Berlin. Die Möglichkeit zum inhaltlichen Austausch und zum Vernetzen – auch beim anschließenden Jahresempfang der deutschen Genossenschaften – machen die Attraktivität der Veranstaltung aus. Insbesondere die unternehmerische Professionalisierung wurde angesprochen.
Die Themenschwerpunkte orientierten sich an den drei Podien: Neben dem neuen europäischen Gesetzespaket und dessen mögliche Auswirkungen auf den deutschen Gesetzesrahmen wurden genossenschaftliche Praxisbeispiele mit Zukunftspotenzial vorgestellt und die Bepreisung von Treibhausgasemissionen diskutiert. Dazwischen gab es Input zur grünen Bürgerenergie mit Afrika und aus einem Projekt zur Weiterentwicklung von Energiegenossenschaften.
Rückenwind aus Brüssel
Grundsätzlich verspricht die EU-Richtlinie zu Erneuerbaren Energien neue Impulse für die Bürgerenergie. Dr. Hartmut Kahl von der Stiftung Umweltenergierecht gab einen Überblick über die wichtigsten Regelungen für Energiegenossenschaften. Dies umfasst insbesondere eine neue Definition von Bürgerenergie-Gemeinschaften. Bürgerenergie-Gemeinschaften sind demnach unabhängige rechtliche Einheiten, die demokratisch strukturiert sind und unter Kontrolle der lokalen Bevölkerung stehen. Zudem sollen sie offen für eine breite Beteiligung vor Ort und eher an dem Nutzen in der Region und weniger an den individuellen finanziellen Vorteilen der Kapitaleigner ausgerichtet sein. Mit diesem Ansatz sollen insgesamt die Bürger und ihre Kommunen in der Energiewende gestärkt werden.
Die Mitgliedsstaaten sind nun aufgefordert, Markteintrittsbarrieren und Diskriminierungen für neue und bestehende Bürgerenergieprojekte abzubauen. Sie müssen die gesetzlichen Grundlagen schaffen, damit Bürgerenergie-Gemeinschaften erneuerbare Energien erzeugen, speichern oder verkaufen können. Zudem soll es ihnen erleichtert werden, mit den eigenen Anlagen erzeugte Energie an ihre Mitglieder zu liefern. Auf dem Podium wurde die Richtlinie als Chance für die regenerative Eigenversorgung, Mieterstrommodelle und Bürgerenergiegesellschaften gesehen. Die bisher fehlende Stellungnahme vonseiten der Bundesregierung wurde von allen Podiumsteilnehmern bemängelt.
Schwung für die Nahwärme
Der zweite Veranstaltungsblock widmete sich der genossenschaftlichen Wärmewende. Timon Gremmels, Mitglied des Deutschen Bundestags und der SPD-Bundestagsfraktion, umriss in seiner Keynote die Wärmestrategie der regierenden Koalition. Er zeigte sich enttäuscht über die fehlende Zugkraft der derzeitigen Rahmenbedingungen und wünschte sich Druck aus der energiegenossenschaftlichen Praxis.
Derzeitige Hindernisse und innovative Lösungswege für energiegenossenschaftliche Wärmeprojekte präsentierten Bastian Hoffmann von der iNeG und Ludwig Heinloth von Enerpipe, zwei ausgewiesene Experten der genossenschaftlichen Praxis. Hoffmann zeigte mit der „Waffelwärme“ der Venner Energie eG etwa ein Projekt, welches die Abwärme einer Waffelbäckerei für ein örtliches Wärmenetz nutzt. Heinloth veranschaulichte die Möglichkeit, wie Wärme- und Stromversorgung im Sinne der Sektorenkopplung miteinander verbunden werden können. Beide betonten die vielen Möglichkeiten und forderten zugleich eine bessere Unterstützung durch die Bundespolitik, etwa durch eine bessere Absicherung der Wärmenetze über Haftungsentlastungen.
Grüne Bürgerenergie mit Afrika
Man geht davon aus, dass derzeit etwa die Hälfte der Menschen in Afrika ohne kontinuierliche Stromversorgung leben. Unter der Überschrift „Grüne Bürgerenergie für Afrika“ hat Bundesentwicklungsminister Gerd Müller daher eine Initiative gestartet, um mehr Menschen auf dem afrikanischen Kontinent mit Strom zu versorgen. Und zwar mit sauberem Strom. Im Rahmen der Energieinitiative sollen Bürgerenergiepartnerschaften entstehen, bei denen deutsche Bürger und Kommunen ihr Wissen mit afrikanischen Partnern teilen können. Bärbel Höhn, Energiebeauftragte für Afrika im Bundesentwicklungsministerium, berichtete zum derzeitigen Stand. Im Kern geht es um den Know-how-Transfer und den Aufbau von dezentralen Energiestrukturen in ländlichen Regionen mit Hilfe von Kommunen, Genossenschaften und privatwirtschaftlichen Investitionen. Es wurden Kernländer der Initiative vorgestellt, in denen Projekte starten sollen.
Was ist uns der Klimaschutz wert?
Das dritte Podium beschäftigt sich mit der Bepreisung von Treibhausgasemissionen insbesondere aus Sicht der Wohnungsgenossenschaften. Über mögliche CO2-Bepreisungsmodelle und andere politische Instrumente im Strom- und Wärmebereich debattieren Sebastian Sladek, Vorstandsmitglied der EWS Schönau eG, die jüngst ihre 200.000ste Kundin verzeichnen konnte, als Vertreter einer Energiegenossenschaft mit Dr. Axel Viehweger vom Verband der Sächsischen Wohnungsgenossenschaften und Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des deutschen Mieterbundes, als Vertreter der Wohnungswirtschaft.
Dr. Julia Verlinden, Mitglied des Deutschen Bundestags, von Bündnis 90/Die Grünen, rief zum schnellen Handeln bei der CO2-Bepreisung auf. Es entwickelte sich eine spannende Diskussion um das ausgewogene Verhältnis von bezahlbarem Wohnraum und der damit einhergehenden sozialen Frage und der Notwendigkeit der richtigen Bepreisung von Treibhausgasen, um Anreize für innovative und klimafreundliche Lösungen zu schaffen.
Energiegenossenschaften weiterentwickeln
Viele Energiegenossenschaften wurden mit der Motivation gegründet, den Bürgern vor Ort die Teilhabe an der Energiewende zu ermöglichen und einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Dieser Beitrag kann noch deutlich gesteigert werden, wenn die Potenziale für eine stärker klimaschutzorientierte Strategieentwicklung und Öffentlichkeitsarbeit erschlossen werden. Das ist das zentrale Thema des Forschungsprojekts „klimaGEN“, das im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums gefördert wird. Sascha Görlitz von der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV präsentierte die vorläufigen Ergebnisse des Projekts. Es wird von der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV gemeinsam mit dem deENet Kompetenznetzwerk dezentrale Energietechnologien und dem Institut für Volkswirtschaftslehre, Fachgebiet Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt dezentrale Energiewirtschaft, der Universität Kassel durchgeführt.