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Nachhaltigkeit im Firmenkundengeschäft einer Genossenschaftsbank

Nachhaltige Firmenkundengeschäfte bei Genossenschaftsbanken
Tony Hegewald / pixelio.de

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Zunehmend wird in den kommenden Monaten und Jahren das Firmenkundengeschäft in den Fokus rücken. Und das voraussichtlich mit größeren Auswirkungen als in allen anderen Geschäftsfeldern der Bank. Das gilt für den Ertrag aus diesem Geschäftsfeld genauso wie für Chancen und Risiken. Es lohnt sich deshalb, sich früh mit den Themen zu beschäftigen. Über Nachhaltigkeit und ESG-Kriterien ist schon viel geschrieben worden. Heute soll es hier im Schwerpunkt um das Firmenkreditgeschäft gehen.  

Bandbreite der Meinungen über Nachhaltigkeit

Im Herbst vergangenen Jahres haben wir in unseren Erfahrungsaustausch-Runden das Thema Nachhaltigkeit auf die Agenda genommen, weil wir die Firmenkundenverantwortlichen dafür sensibilisieren und einen Eindruck über die Vorgehensweisen in den einzelnen Häusern gewinnen wollten. Die Bandbreite der Meinungen und Aussagen zum Thema war groß. Sie reichte von Banken, die bereits Kreditanfragen von Unternehmen, die ihren Nachhaltigkeitskriterien nicht entsprachen, abgelehnt haben bis zu Banken, die die feste Überzeugung vertraten, dass sie ihren Kunden im Thema Nachhaltigkeit nicht dreinzureden hätten. Ein Teilnehmer berichtete von einem Kunden, der seine Geschäftsverbindung zur Bank mit der Begründung gelöst habe, dass er die Bank für nicht nachhaltig genug halte. Jetzt mag es genau um diesen einen Kunden möglicherweise nicht schade gewesen sein, aber es kann durchaus als Signal für eine kommende Entwicklung gesehen werden, die meines Erachtens sehr ernst genommen werden muss. 

Als ich mich selbst über den derzeitigen Stand zur Nachhaltigkeit im Firmenkundengeschäft schlau machte, fühlte ich mich ganz stark an die Einführung des BVR-II-Ratings im Firmenkundengeschäft der Genossenschaftsbanken Anfang des Jahrtausends erinnert. Viele Banken hätten seinerzeit sicher noch lange mit den bestehenden Verfahren leben wollen. Doch machten die Europäische Union und die nationale Bankenaufsicht aus Risikoüberlegungen klare Ansagen, wohin es zu gehen hatte. Eine Zeit lang wurde intensiv darüber diskutiert, ob etwa nur externe Rating-Agenturen für die neuen Ratings akkreditiert werden sollten. Es kam zum Glück anders: Durch intensive Lobbyarbeit konnten die Banken in Deutschland für sich und ihre Kunden sogenannte interne Rating-Verfahren durchsetzen, die allerdings hinsichtlich ihrer Validität und der Trennschärfe der Kriterien von der Bankenaufsicht „abgenommen“ werden mussten. Damit sollte gewährleistet werden, dass sich alle an die Regeln halten mussten und sich dadurch keinen Wettbewerbsvorteil sichern konnten. Na ja. Das stimmte zumindest größtenteils, denn nicht nur in den außereuropäischen Ländern, sondern auch bei den europäischen Nachbarn wurden die Regeln teilweise wesentlich lockerer angewandt, als bei uns.  

Nachhaltigkeits-Regeln „noch auf sehr hoher Flugebene“

Warum erzähle ich das? Bei der Nachhaltigkeit schicken sich Europäische Union und nationale Bankenaufsicht gerade an, die bereits feststehenden europäischen Regelungen national umzusetzen. Und da sind wir in Deutschland bekanntermaßen gut, schießen jedoch im vorauseilenden Gehorsam allzu oft über das Ziel hinaus. Hier gilt es bei diesem hehren und absolut gerechtfertigten Thema, genau hinzuschauen. Noch höre ich allerdings keine mahnenden Stimmen oder nehme keine Initiativen wahr, die sich hinsichtlich der notwendigen Praktikabilität der Maßstäbe stark machen. Ein Grund dafür ist sicher neben dem Thema selbst, dass die Dinge immer noch auf einer sehr hohen Flughöhe diskutiert werden und es noch wenige wirklich ganz konkret greifbaren Fakten gibt. 

Eines ist jedoch jetzt schon klar. Da immer noch sehr viele Unternehmen auf längere Zeit auf eine klassische Fremdfinanzierung angewiesen sein werden, werden Banken instrumentalisiert werden, um Unternehmen bei der Kreditvergabe und darüber hinaus nach allen Regeln der Kunst auf Nachhaltigkeit zu prüfen. Wer diese Aufgabe bekommt, der sollte rechtzeitig gut vor seiner eigenen Türe gekehrt haben, um gegenüber den Kunden nicht unglaubwürdig zu werden. Denn diese werden von den schon bestehenden und noch anstehenden Regelungen massiv betroffen sein. Und zwar nicht nur die großen Unternehmen, die schon alleine aufgrund ihrer Größe an den strengen Nachhaltigkeitskriterien gemessen werden. Nein, es wird auch die kleineren Unternehmen treffen, sofern sie auf irgendeine Weise mit solchen Unternehmen zu tun haben, die intensiv im Fokus eines nachhaltigen Wirtschaftens stehen. Und davon kann in erheblichem Umfang ausgegangen werden. 

Hier ein kleines aktuelles Presseecho: 

„Das grüne Risiko steuern“

In einem Gastbeitrag für die „Börsen-Zeitung“ befasst sich Marcus Chromik, Chief Risk Officer der Commerzbank, mit den Chancen, die ein stärker nach ESG-Vorgaben strukturiertes Wirtschaftswesen ermöglicht. „Finanzinstitute spielen dabei eine wichtige Rolle, da sie dafür sorgen, dass Finanzströme in die nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft geleitet werden“, betont Chromik. Die Commerzbank hat sich verpflichtet, bis 2050 die CO2-Emission des gesamten Kredit- und Investmentportfolios auf netto null zu reduzieren, und arbeitet aktuell intensiv daran, die sogenannten „finanzierten Emissionen“ zu messen. 
(Börsen-Zeitung, 2.2.22)

„Wie ESG das Kreditgeschäft der Banken prägt“

Eine aktuelle Umfrage von „Finance“ (online) zeigt, wie Banken sich aufgrund des ESG-Booms verändern. Der Trend zu mehr Nachhaltigkeit sowie steigende gesetzliche Vorgaben sorgen für Änderungen bei der Kreditfinanzierung, vor allem in Bezug auf Rüstungsschmieden und Energieerzeuger, die für die Stromproduktion zu einem großen Teil auf fossile Brennstoffe setzen. Die Commerzbank hat ein hauseigenes ESG-Framework entwickelt, mit dem etwa die Beziehung zu Kernkraftwerkbetreibern geregelt wird. 
(finance-magazin.de, 1.2.22)

„Green Finance fordert Unternehmen, Banken und Politik“

In Bezug auf eine aktuelle Untersuchung der DZ Bank stellt „Springer Professional“ (online) fest, dass immer mehr Unternehmen auf nachhaltige Produkte und Prozesse umschwenken. Daher gehöre das Thema Nachhaltigkeit neben der Digitalisierung von Geschäftsprozessen, Produkten und Kanälen zu den wichtigsten Aufgaben der Banken in den kommenden Jahren. So will etwa die Commerzbank ihr nachhaltiges Geschäftsvolumen bis 2025 auf rund 300 Milliarden Euro erhöhen. 
(springerprofessional.de, 1.2.22)

Folgende konkrete Herausforderung sind aus heutiger Sicht im Firmenkundengeschäft nach und nach zu bewältigen:

  1. Verankerung der ESG-Ziele in der Kreditrisikostrategie 
  2. Definition ESG-relevanter Kundendaten und Offenlegungspflichten
  3. Erhebung von ESG-Daten vom Kunden und Integration in die Beratungsgespräche
  4. Anwendung von Positiv- und Negativlisten
  5. Umsetzung/Durchführung eines ESG-Scorings
  6. Monitoring des Kreditportfolios und von Einzelengagements im Hinblick auf die ESG-Kriterien
  7. Berücksichtigung der ESG-Kriterien im (Vertriebs-) Planungsprozess 
  8. Qualifikation der Mitarbeitenden im Umgang mit den ESG-Kriterien

In der Genossenschaftlichen FinanzGruppe (GFG) musste sich die DZ Bank aufgrund der Größenordnungen ihrer Firmenkundenklientel als erste mit dem Thema Nachhaltigkeit im Firmenkundengeschäft beschäftigen. Spricht man mit Verantwortlichen wird schnell klar, welche Dimension, Komplexität und aktuelle Unschärfe (Woher sollen beispielsweise die benötigten Daten kommen?) das Thema hat. Sie bringt sich mit ihrem Know-how intensiv in Sondierungen und Überlegungen ein, die derzeit beim BVR zum Thema laufen und sinnvollerweise gebündelt werden. 

ESG-Rating für die Genossenschaftsbanken in Arbeit

Auch verschiedene Kooperationspartner der GFG bieten inzwischen Leistungen. So bietet N-Motion, die auch schon am BVR-Nachhaltigkeitscockpit mitgewirkt hat, einen Risiko-Radar zur Identifikation und Bewertung von ESG-Risiken im Kreditgeschäft an. Die Firma Genovation hat ein System für Kunden- und Mitarbeiterbefragungen zur Nachhaltigkeit entwickelt, das von Workshop- und Veranstaltungsangeboten begleitet wird. Alle Leistungen basieren auf dem aktuellen Kenntnis- und Wissensstand und werden sukzessive weiterentwickelt werden müssen. Die parcIT arbeitet derzeit intensiv an einem ESG-Rating für die Genossenschaftsbanken, das später, schon alleine aufgrund der eingangs genannten regulatorischen Anforderungen, zum Standard und verpflichtend werden wird. Auch der BWGV beschäftigt sich in einer eigens dafür gegründeten Projektgruppe intensiv mit allen Facetten der Nachhaltigkeit, nicht zuletzt mit einem Blick auf prüfungsrelevante Aspekte. Viel wird aus meiner Sicht davon abhängen, alle diese Initiativen gut zu vernetzen, da man sich angesichts des Ausmaßes der Aufgaben Doppel- und Parallel-Arbeiten kaum leisten können wird.    

Große Chancen und einige Risiken

Das Thema Nachhaltigkeit im Firmenkundengeschäft birgt Chancen und Risiken. Chancen in Richtung Finanzierung der zur Transformation von Geschäftsmodellen der Firmenkunden notwendigen immensen Investitionen. Risiken hinsichtlich dieser Muss-Investitionen, die in vielen Fällen nicht mit einer Umsatz- und Cash-Flow-Erhöhung verbunden sein werden und nicht von jedem Unternehmen geschultert werden können. Insgesamt ist das Thema aber eine große Chance, sich als regionale Genossenschaftsbank möglichst früh zu positionieren und den Firmenkunden auch in diesem Bereich ein solider und verlässlicher Partner zu sein. Getreu dem Motto: Morgen kann kommen! 

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