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Interview: Nachhaltigkeit muss sich auszahlen

Nachhaltigkeitsstudie von Union Investment für Anleger
I-vista / pixelio.de

Herr Schindler, wie viele Investoren genau berücksichtigen Nachhaltigkeitskriterien und welche Anleger sind das?

Von den Befragten gaben gut zwei Drittel an, Nachhaltigkeitskriterien zu berücksichtigen. Vor fünf Jahren waren es noch nicht einmal die Hälfte. Aus unserer Studie geht eine Zweiteilung des institutionellen Marktes hervor: Nach wie vor gibt es skeptische Anleger, die Nachteile beim Erreichen ihrer Anlageziele befürchten. Demgegenüber stehen Anleger, die in der Praxis überwiegend positive Erfahrungen gesammelt haben. So nutzen 91 Prozent der befragten Kapitalverwaltungsgesellschaften sowie 88 Prozent der Gruppe aus kirchlichen Anlegern und Stiftungen nachhaltige Investmentstrategien auffallend stark. Deutlich geringer ist der Anteil nachhaltiger Investoren bei Altersvorsorgeeinrichtungen und Großunternehmen. Unter Kreditinstituten sind es sogar noch nicht einmal vier von zehn.

Auf welche Kriterien legen die Investoren besonderen Wert?

Die meisten Investoren, genauer drei Viertel, betrachten Nachhaltigkeit verstärkt aus ökonomischer Perspektive. Befürworter und Gegner scheinen sich einig zu sein, dass sich nachhaltige Kapitalanlagen finanziell rechnen müssen. Als weit weniger wichtig werden dagegen soziale und ethische Kriterien sowie Governance-Kriterien erachtet. Ökologische Kriterien bilden gar das Schlusslicht.

Sie messen in Ihrer Studie auch immer den Stimmungsindex zur nachhaltigen Kapitalanlage. Wie hat dieser sich entwickelt?

Der Stimmungsindex misst die Einstellung deutscher Großanleger zum Thema Nachhaltigkeit auf einer Skala von -100 bis +100 und ist im Vergleich zum Vorjahr um 3,5 auf 22,9 Punkte gestiegen. Dies zeigt eine langsam wachsende Akzeptanz nachhaltiger Kapitalanlagen bei Investoren, aber man muss auch sagen, dass es nach wie vor noch viel Luft nach oben gibt. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern schöpft der deutsche Markt sein Potenzial weiterhin längst nicht aus. Die Zahl der Skeptiker schrumpft in Deutschland nur langsam.

Wovor fürchten sich die Skeptiker?

Für 35 Prozent aller Befragten spielen Nachhaltigkeitskriterien zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch immer keine Rolle. Diese befürchten vor allem Nachteile bei der Rendite und im Risikomanagement. Hier scheint also noch Aufklärung nötig. Denn inzwischen hat sich bestätigt, dass nachhaltige Investmentstrategien traditionellen Ansätzen ebenbürtig sind. Immer mehr spricht sich auch herum, dass die Berücksichtigung nachhaltiger Kriterien im Risikomanagement Vorteile bringen kann.

Die Befürworter haben demnach andere Erfahrungen gemacht?

Genau. Investoren, die Gelder sowohl konventionell als auch nachhaltig angelegt haben, berichten von gegenteiligen Erfahrungen. 70 Prozent von ihnen sagen, dass sich das nachhaltige Portfolio im Vergleich zum konventionellen unter Renditeund Risikoaspekten ähnlich oder sogar deutlich besser entwickelt hat. Hinzu kommt: Mit 56 Prozent ist mehr als die Hälfte dieser Investoren mit der Berücksichtigung von ESG-Kriterien im Anlageprozess sehr zufrieden oder außerordentlich zufrieden. Das ist eine Steigerung um zehn Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr. Einen Ausstieg aus der nachhaltigen Kapitalanlage können sich 85 Prozent nicht mehr vorstellen.

Wie hoch ist die Quote der nachhaltig angelegten Gelder in den Portfolien der Anleger?

Bei den Investoren, die auf Nachhaltigkeit setzen, ist nahezu die Hälfte ihrer Assets unter Berücksichtigung entsprechender Kriterien angelegt. Besonders hoch fällt die Nachhaltigkeitsquote mit 80 Prozent bei kirchlichen Anlegern und Stiftungen aus. Es folgen Altersversorger bzw. Pensionskassen mit einem Anteil von 57 Prozent, Versicherungen mit 49 Prozent, Kreditinstitute mit 41 Prozent und Großunternehmen mit 40 Prozent.

Welchen Informationsbedarf haben Investoren mit Blick auf die Nachhaltigkeitswirkung?

Nachhaltigkeitsstudie Union Investment 2018
Alexander Schindler, Vorstand von Union Investment, führte durch den Konferenztag.

Erstmals wurde in der Befragung ermittelt, dass für die Investoren ein Nachweis der Wirkung nachhaltiger Geldanlagen eine wichtige Rolle spielt. So gaben mehr als drei Viertel der Befragten an, dass sie sich eher nachhaltigen Kapitalanlagen zuwenden würden, wenn deren ökologische, soziale oder ethische Wirkungen gemessen würden. Zwar lassen sich die ESG-Qualität von Portfolios und der CO2-Fußabruck bereits heute messen, doch besteht zwischen dem Bedürfnis der Anleger nach Wirkungsmessung und der Anlagepraxis offenbar eine deutliche Diskrepanz. Dies zeigt sich am Beispiel der Klimawirkung. Gerade einmal 28 Prozent der Befragten gaben an, über die Klimawirkung ihres Portfolios Bescheid zu wissen. Erheblichen Informationsbedarf gibt es auch in Hinblick auf die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, die Sustainable Development Goals, kurz SDGs. So verfügt knapp die Hälfte der Investoren bislang nach eigenen Angaben über keine oder nur sehr geringe Kenntnisse der SDGs. Um dies zu ändern, haben wir die Ziele und Inhalte der Vereinten Nationen in den Mittelpunkt unserer jährlichen Nachhaltigkeitskonferenz gerückt.

Welche Themen haben Sie bei Ihrer Konferenz genauer betrachtet?

Auch in diesem Jahr hatten wir spannende Redner mit interessanten Vorträgen zu Gast. Ich bin mir sicher, unsere rund 270 Gäste haben einen Tag erlebt, von dem sie etliche Impulse mitnehmen konnten. Auf zwei Redner möchte ich kurz eingehen. Recht plastisch hat zum Beispiel der ehemalige Bundesaußenminister Sigmar Gabriel die Rolle der Politik beim Thema Nachhaltigkeit beschrieben. In seiner bekannt offenen Art kritisierte er die Nachhaltigkeitsstrategie Deutschlands, weil sie nicht zwangsläufig an verpflichtende konkrete Ziele für die einzelnen Ressorts der Bundesregierung gekoppelt ist. Jeroen Dijsselbloem, ehemaliger Vorsitzender der Euro-Gruppe, sprach sich für eine zeitnahe Energiewende aus. Er betonte, dass Europa sein soziales und wirtschaftliches Erfolgsmodell um die Dimension der Nachhaltigkeit erweitern müsse.

Die wichtigsten Ergebnisse der Nachhaltigkeitsstudie 2018 im Überblick

  • 65 Prozent der Großanleger in Deutschland investieren nachhaltig
  • Der Stimmungsindex zur nachhaltigen Kapitalanlage stieg im Vergleich zum Vorjahr um 3,5 auf 22,9 Punkte
  • 56 Prozent der Investoren, die auf Nachhaltigkeit setzen, sind damit sehr zufrieden oder außerordentlich zufrieden
  • Einen Ausstieg aus der nachhaltigen Kapitalanlage können sich 85 Prozent nicht mehr vorstellen
  • 78 Prozent der Befragten würden sich eher nachhaltigen Kapitalanlagen zuwenden, wenn deren ökologische, soziale oder ethische Wirkungen gemessen würden
  • Nur 28 Prozent der Befragten gaben an, über die Klimawirkung ihres Portfolios Bescheid zu wissen
  • 47 Prozent verfügen bislang nach eigenen Angaben über keine oder nur sehr geringe Kenntnisse der Sustainable Development Goals
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