Rund 760 km lang, vier Routen und über 50 angeschlossene Orte: Das ist die Oberschwäbische Barockstraße. In diesem Jahr feiert sie ihr 50-jähriges Bestehen und gehört damit zu Deutschlands ersten Ferienstraßen. Zwischen Donau und Bodensee blühte der Kirchen- und Klosterbarock. Diese Stilepoche, die zuallererst mit der spezifischen Architektur gleichgesetzt wird, ist die Klammer, die Touristiker, Historiker, Gastronomen, Fotografen, Kreative, Heimatforscher, Bierbrauer, Coaches und Unternehmen zwischen Donau und Bodensee verbindet. Dieses Netzwerk von Engagierten hat sich als Genossenschaft verknüpft. 2012 in Bad Schussenried als Oberschwäbisches Barockzentrum eG gegründet, steht die Kooperative vor der Umfirmierung in „Büro für Regionalkultur“ mit Sitz in Bad Saulgau.
Genossenschaft macht Barock erlebbar
„Unsere Genossenschaft ist unabhängig, selbstfinanziert, selbstorganisiert und selbstverwaltet. Der Vorstand arbeitet ehrenamtlich“, sagt Mathias Grosse, der sich als Badener im Oberschwäbischen pudelwohl fühlt. Der Kommunikationstrainer bildet zusammen mit Henrike Müller und Karina Barczyk den Vorstand. Die Geschäftsidee der Genossenschaft lautet: den Barock erlebbar machen. „Diese Stilepoche, übrigens die einzige, die ganz Europa umspannt, ist weit mehr als Goldprunk und Puttenseligkeit“, sagt Karina Barczyk, die momentan an ihrer theologischen Dissertation arbeitet. „Wir wollen alle Aspekte dieser Epoche erlebbar machen und in touristische Projekte umsetzen“, erläutert Touristikerin Henrike Müller. Dem Expertennetzwerk, in dem seit der Gründungsversammlung im Dezember 2011 inzwischen 30 Mitglieder mitwirken, „geht es um das ,Storytelling‘, das Geschichten zur Geschichte erzählen, um das Produkt ‚Barock‘ zu vermitteln“, stellt
Barczyk heraus. Es geht den Initiatoren auch darum, die Spuren und Auswirkungen des Barock im Alltagsleben Oberschwabens deutlich zu machen. Man spürt im Gespräch mit der Vorstandsriege beim Aufsichtsratsmitglied Christine Durach, Betreiberin des für barockes Übernachten stehenden Hotels Kleber Post in Bad Saulgau, das Herzblut und die Kreativität, mit dem die Macher bei der Sache sind. Ihre Sache ergänzt die Ansätze der kommunalen Tourismusämter, sagen sie. „Die oberschwäbischen Kommunen an der Barockstraße machen Prospekte, wir entwickeln dafür die kulturhistorischen Produkte – aus der Region für die Region.“ Die Genossenschaft (www.büro-regionalkultur.de) sieht sich als Mittler von Angeboten als Dienstleistung für Hotels, Reiseunternehmen, Betriebe und Kommunen. So hat das Büro für Regionalkultur für die Stadt Bad Waldsee ein spezielles touristisches Konzept konzipiert. Mit neuen Themen- und Erlebnisführungen sowie einem Stadtschauspiel kurbelt die städtische Kurverwaltung den Tagestourismus im Heilbad weiter an und stärkt damit die örtliche Gastronomie, den Einzelhandel sowie die Freizeiteinrichtungen.
Regionalkultur eG bindet regionale Betriebe ein
Das Portfolio der Genossenschaft umfasst aber weit mehr. Es reicht von der Vermittlung von Gästeführern, Reiseleitern, Schauspielern und Musikern über die Veranstaltung von Barock-Reisen über die Durchführung von Vorträgen und Workshops bis zur Veröffentlichung von Leseartikeln zu barocken Themen in Fachpublikationen. Ideen für alles dieses haben die Macher viele. So verknüpfen sie beispielsweise barocke Kulturgeschichte mit dem Stuckateur-Handwerk. Angelika Müller vom traditionsbewussten Genossenschaftsmitglied Stuckateur-Fachbetrieb Georg Müller GmbH sagt: „Wer einmal Stuckmarmor selbst hergestellt hat, zieht den Hut vor der handwerklichen und künstlerischen Fertigkeit der großen Baumeister des Barock.“ „Uns geht es um den ,Tourismus von unten‘, also um eine möglichst breite Beteiligung von oberschwäbischen Bürgern und Experten für einheimische Bürger und Unternehmen“, bekräftigt Vorstandsmitglied Henrike Müller. Das umfasst neben der barocken Architektur beispielsweise die Bereiche Musik, Mode und Kulinarik. Müllers Vorstandskollege Mathias Grosse bekräftigt: „Wir sind als Genossenschaft offen für alle, die sich engagieren wollen.“ Für das Büro für Regionalkultur gilt somit der urgenossenschaftliche Ansatz der Beteiligung möglichst Vieler zum Nutzen Vieler. Die eingetragene Genossenschaft bietet sich an, wenn Wirtschaftsakteure ihre Kräfte bündeln und die Vorteile der Kooperation nutzen möchten, ohne dabei ihre Eigenständigkeit aufzugeben. „Wir leben das System Genossenschaft, bei der die anbietenden Mitglieder gleichzeitig Kunden sind, für die ein Mehrwert generiert werden muss“, sagt Grosse im Brustton der Überzeugung. Dabei helfen die persönlichen Kontakte der Genossenschaftsmitglieder, die im regionalen Kulturleben verankert sind.