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Genossenschaften unterstreichen ihre große Bedeutung für baden-württembergische Wirtschaft

Pressemitteilung des BWGV
Fraunhofer ISE

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Die baden-württembergischen Genossenschaften haben im Jahr 2023 ihre Rolle als bedeutende Wirtschaftskraft im Südwesten erneut eindrucksvoll unter Beweis gestellt: Die 619 (Vorjahr: 635) genossenschaftlichen Unternehmen aus dem landwirtschaftlichen und gewerblichen Bereich erwirtschafteten bei gestiegener Anzahl der Mitglieder von 190.362 (Vorjahr: 187.109) im zurückliegenden Jahr einen Gesamtumsatz in Höhe von 11,37 Milliarden Euro. Damit knüpfen sie an die hohen Umsätze des Vorjahres an (11,35 Milliarden Euro). „Trotz im Jahresverlauf sinkender Energiepreise war das Jahr 2023 nach wie vor von hohen Betriebs- und Betriebsmittelkosten geprägt. Außerdem belasten höhere Lohn- und Mindestlohnkosten sowie die durch Maut und CO2-Preis gestiegenen Preise bei Logistik unsere Unternehmen. Der Kostendruck für die Unternehmen ist enorm“, erklärt Dr. Ulrich Theileis, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV) das hohe Umsatzniveau. 

Zunehmend investitions- und damit wachstumshemmend wirken sich Bürokratie und damit einhergehende Berichtspflichten aus: „Wir brauchen dringend eine spürbare Bürokratieentlastung. Die Politik muss die Kraft entwickeln, bestehende Regelungen laufend zu hinterfragen und – sofern möglich – auch wieder vollständig zu streichen“, fordert Theileis. Darüber hinaus macht er sich für eine Flexibilisierung der deutschen Arbeitszeitregelung stark. Theileis: „Starre tägliche Höchstarbeitszeiten entsprechen häufig nicht mehr der Arbeitswirklichkeit. Sei es in der Landwirtschaft, im Handwerk, im Handel oder in der Logistik – Unternehmen müssen flexibel auf Spitzen reagieren können. Denn oftmals bestimmen die Natur oder saisonale Spitzen die Arbeitszeiten. Auch die Arbeitnehmer selbst wünschen nicht selten ein Ausbrechen aus dem bestehenden, geradezu historisch anmutenden zeitlichen Korsett.“ Die EU-Arbeitszeitrichtlinie ermögliche eine Flexibilisierung der Arbeitszeit – dies gelte es zu nutzen. 

285 landwirtschaftliche Genossenschaften

Die 285 (Vorjahr: 310) landwirtschaftlichen Genossenschaften in Baden-Württemberg haben im zurückliegenden Geschäftsjahr mit 4,3 Milliarden Euro einen Umsatz auf Vorjahresniveau erzielt. In der allgemeinen Warenwirtschaft reduzierten sich die Erlöse der 39 Bezugs- und Absatzgenossenschaften (inklusive des Warengeschäfts der Genossenschaftsbanken) um 6,6 Prozent auf 1,38 Milliarden Euro. Der Ackerbau war von Extremwettern geprägt, insbesondere die Mengen und Qualitäten beim Weizen litten unter den langanhaltenden Regenphasen. Auch in diesem Jahr hat die Landwirtschaft teilweise leider erneut mit dem Wetter zu kämpfen: Die Überflutungen und Starkregen-Ereignisse Anfang Juni haben dem Acker- und Futterbau teils große Schäden zugefügt.

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Winzer- und Weingärtnergenossenschaften: 2023 hatten sie ebenfalls mit der herausfordernden Witterung zu kämpfen. Trotzdem haben sie gute Qualitäten in den Keller gebracht. Nicht zuletzt angesichts des weiterhin stark rückläufigen Weinkonsums und des hohen Wettbewerbs- und Preisdrucks gingen die Umsätze um 6,2 Prozent auf 421 Millionen Euro zurück. Für das laufende Weinjahr drohen regional schmerzhafte Ernteausfälle: Im April gab es in Teilen Baden-Württembergs Frostereignisse – insbesondere in Württemberg beklagen Weingärtner und Winzer in vielen Lagen teilweise hohe Ausfälle. Und die starken Regenfälle Anfang Juni haben darüber hinaus die Bewirtschaftung der Weinberge deutlich erschwert.“ 

Um 50 Millionen Euro oder 9,8 Prozent auf 558 Millionen Euro hat kostenbedingt die genossenschaftliche Obst-, Gemüse-, Gartenbauwirtschaft beim Umsatz zugelegt. Der auf 12,41 Euro angehobene Mindestlohn war insbesondere im Sonderkulturbereich ein weiterer Kostenbetreiber. Theileis: „Die Verbraucherpreise für Obst und Gemüse sind zwar gestiegen, doch davon ist – wenn überhaupt – nur ein geringer Teil bei den Erzeugern angekommen.“

Nach extremen Preisschwankungen im Jahr 2022 normalisierte sich in 2023 die Lage am Milchmarkt, die Erzeugerpreise blieben stabil. Der Jahresumsatz blieb nahezu konstant und lag bei 1,14 Milliarden Euro. Ein leichtes Umsatzplus auf 487 Millionen Euro verzeichnet die Viehwirtschaft, die allgemein unter einem sinkenden Pro-Kopf-Verbrauch bei Fleisch leidet. Für dieses Jahr erhofft sich die Branche einen positiven Effekt durch die Fußball-EM.

334 gewerbliche Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften

Der Umsatz der 334 gewerblichen Genossenschaften betrug nahezu unverändert 7,07 Milliarden Euro. Die gewerblichen Genossenschaften decken fast die gesamte wirtschaftliche Bandbreite ab – von Handelsunternehmen, Handwerks-Genossenschaften, Dorfläden oder Energiegenossenschaften. „In Baden-Württemberg sind Genossenschaften mittlerweile in mehr als 50 Branchen aktiv, insbesondere auch in Zukunftsbranchen, die nicht traditionell mit Genossenschaften in Verbindung gebracht werden wie etwa Ärztegenossenschaften oder Kooperationen von IT- und Softwareentwicklern“, betont Theileis. Dementsprechend ist die Anzahl im zurückliegenden Jahr auf 334 gewerbliche Genossenschaften (Vorjahr: 325) angestiegen, die Mitgliederzahl erhöhte sich auf 101.406 (Vorjahr: 95.152). 

Nahezu zwei Drittel des Umsatzes in der Gruppe der gewerblichen Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften entfallen auf die zwölf Genossenschaften des Fachhandels. Ihr Umsatz erhöhte sich leicht um 1,5 Prozent auf 4,08 Milliarden. Der Umsatz der Handwerksgenossenschaften blieb nahezu identisch mit 1,65 Milliarden Euro. „Bei den Handels- und Handwerksgenossenschaften hat die gesamtwirtschaftliche Lage zu einer Seitwärtsentwicklung geführt. Zentrale Herausforderung für die Unternehmen bleibt der Fachkräftemangel. In vielen Handwerksbetrieben ist die fehlende Unternehmensnachfolge ein großes Thema. Das genossenschaftliche Modell hat hierfür gute Lösungen parat“, erläutert BWGV-Präsident Theileis.  

Energiegenossenschaften sind mengenmäßig neben den Volks- und Raiffeisenbanken die größte Gruppe der baden-württembergischen Genossenschaften. Nach sieben Neugründungen gab es zum Jahresende 155 Energiegenossenschaften. Die Zahl an Mitgliedern erhöhte sich um rund 3.000 oder 5,8 Prozent auf 51.728. Der Umsatz sank um 4,9 Prozent auf 1,12 Milliarden Euro. 2022 hatten viele Fotovoltaik-Energiegenossenschaften über die Direktvermarktung von den hohen Preisen an den Strombörsen profitiert. „Mit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist das Thema ‚Eigenverantwortung bei der Energieversorgung‘ stärker in den Fokus gerückt“, betont der BWGV-Präsident. Auch in diesem Jahr haben sich bereits vier neue Energiegenossenschaften gegründet. Theileis: „Die Dynamik bei den Neugründungen liegt insbesondere an den punktuellen Verbesserungen der politischen Rahmenbedingungen und dem erhöhten Fokus auf die Energiewende. Außerdem rücken durch die kommunale Wärmeplanungen Nahwärmegenossenschaften immer mehr in den Fokus. Hier sehen wir Potenzial für die Zukunft.“

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