An der Hauptstraße des 920-Einwohner-Dorfes Leiberstung, einem Ortsteil der Gemeinde Sinzheim im Landkreis Rastatt, liegt der „Dorfladen Leiberstung eG“. Auf knapp 70 Quadratmetern Ladenfläche spielt sich hier das Abenteuer selbstorganisierter Nahversorger ab.15 Jahre ist es her, seit der Dorfladen, damals noch an einem anderen Standort in der Gemeinde, geöffnet hat. Schon damals war er – auf zunächst nur 35 Quadratmetern Verkaufsfläche – ein Vollsortimenter.
Ein kleines Wunder? Nein, der Dorfladen zeigt, was möglich ist, wenn Ehrenamt und wirtschaftliche Interessen zusammenfinden; getreu dem genossenschaftlichen Motto, „Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele“. Denn obwohl es vor der Gründung der Genossenschaft viele Kritiker und Skeptiker gab – „Ein Dorfladen trägt sich erst ab einer Einwohnergröße von 1500 Bewohnern“ hieß es etwa – hielt man an der Idee fest. Zu diesem Zeitpunkt stand das Dorf an einer „Weggabelung“.
Denn Dörfer in der Größe von Leiberstung können sich in zwei Richtungen entwickeln. Es gibt sogenannte „Schlafdörfer“, die sich dadurch charakterisieren, dass die Einwohner sie zum Arbeiten und auch für die Freizeitgestaltung verlassen. Der Einkauf wird dann irgendwo unterwegs erledigt. Und es gibt „aufgeweckte“ Dörfer, die trotz ihrer Kleinheit ausgesprochen lebendig sind. Die Einwohner kennen sich untereinander, fühlen sich der Dorfgemeinschaft zugehörig. Sie engagieren sich in Vereinen, auf Festen und stellen gemeinsam etwas auf die Beine – wie zum Beispiel einen Dorfladen. Daher ist der Dorfladen für Leiberstung immens wichtig und inzwischen zum Treffpunkt für Jung und Alt geworden.
Originelle Ideen halfen durch die Pandemie
Wenn man den Dorfladen betritt, fühlt man sich wie in einem Tante-Emma-Laden, allerdings mit modernem Flair. Zum klassischen Dorfladensortiment gesellen sich zu einem Fünftel der Regalflächen Waren von regionalen Erzeugern, etwa Käse, Wurst, Eier, Nudeln, Fleisch und Bier. Das Brot und die Backwaren kommen selbstverständlich auch von einem Bäcker aus der Region. Dieser stellt Teige, Brötchen und süße Teilchen in seiner Backstube her und kauft nichts fertig vom Großproduzenten dazu. In einer Regalreihe werden Kunden zudem Bioprodukte und Reformwaren angeboten. Der Dorfladen ist an sechs Tagen die Woche geöffnet, dienstags und donnerstags auch nachmittags.
Die Jahre während der Corona-Pandemie und die Entwicklung des Mindestlohns waren und sind für den Dorfladen besonders herausfordernd. So konnte man während der Pandemie nicht wie sonst drei Feste (Geburtstagsfest, Feierabend-Hock und Weißwurstfrühstück) im Jahr veranstalten. Da die Dorfladen-Genossenschaft auf die Einnahmen dieser Veranstaltungen angewiesen ist, musste man sich eine alternative Einnahmequelle überlegen. So wurde der „Paketverkauf“ ins Leben gerufen. An drei Samstagen im Jahr konnte man, passend zur Jahreszeit, im Freien entsprechende Pakete (Frühjahr: Grillgut & Bier, Herbst: Zwiebelkuchen & Neuer Wein, Winter: Linzertorte & Glühwein) kaufen. Dank solcher Verkaufsaktionen und auch dank der Feste kann der Dorfladen Leiberstung nahezu in jedem Jahr eine „schwarze“ Null schreiben. Beides ist wiederum nur dank des Engagements des Dorfladen-Teams, der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder und der ehrenamtlichen Helfer möglich.
Ein funktionierendes Netzwerk
Ebenfalls von Bedeutung ist die langjährige Partnerschaft mit sämtlichen Lieferanten und die Unterstützung von Seiten der Gemeinde Sinzheim und weiterer Firmen, wie zum Beispiel der Volksbank Pur. Ein weiterer wichtiger Faktor für die Fortführung des Dorfladens war die zweimalige Förderung durch die „Leader“-Kulisse Mittelbaden. Das EU-Förderprogramm „Leader“ zielt auf die Stärkung des ländlichen Raums. Die Dorfladen-Genossenschaft wurde sowohl beim Umzug 2019 als auch bei der Anschaffung eines neuen Kassensystems 2021 finanziell gefördert.
Zum Erfolgsrezept des Dorfladens Leiberstung zählt nicht nur die Möglichkeit, Alltagsdinge vor Ort einkaufen zu können. Es ist auch gelungen, das Dorf-Zentrum zu einem sozialen Treffpunkt zu machen, der durch die Neugestaltung in diesem Jahr nun noch weiter aufgewertet wird. Neben einem offenen, fest installierten Pavillon, in dem vor allem in den Sommermonaten die Gäste mit Erfrischungsgetränken, Kaffee, Kuchen und Eis bewirtet werden sollen, ist auch vorgesehen, über dem Eingangsbereich des Dorfladens und des Kindergartens eine Überdachung zu bauen. Für eine solche Erfolgsgeschichte braucht es viel Freude, Enthusiasmus und ehrenamtliches Engagement. Dafür steht das Dorfladen-Team: Es besteht aus sieben Frauen, die in Teilzeit arbeiten. Das Team macht allerdings nicht „Dienst nach Vorschrift“, sondern unter anderem auch unentgeltliche Fahrten, um beispielsweise Waren abzuholen. Des Weiteren besteht die Genossenschaft aus zwei ehrenamtlichen Vorständen, fünf ehrenamtlichen Aufsichtsräten und 240 Mitgliedern.
Unterstützen kann man den Dorfladen als Mitglied bereits mit 25 Euro, dies ist der Preis für einen Anteil. Eine Dividende kann aus betriebswirtschaftlichen Gründen nicht ausgeschüttet werden, dafür wird aber die Nahversorgung sichergestellt – nach dem Motto „Fahr nicht fort, kauf im Ort“.
