Am 20. März 2023 fand im Geno Haus in Stuttgart das mittlerweile siebte Zukunftsforum Genossenschaft statt. Über 280 Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft diskutierten in drei hochkarätig besetzten Fachforen grundlegende Fragen der Zukunft unseres Bundeslandes aus politischer und genossenschaftlicher Perspektive vor dem Hintergrund aktueller Herausforderungen.
Genossenschaften stehen für Stabilität und Wandel
„Genossenschaften stehen für Stabilität und Wandel gleichermaßen. In diesem Sinne sind sie ein verlässlicher Partner, der das Land bei der Umsetzung unserer Innovationspolitik unterstützt und die notwendige Transformation vorantreibt“, betonte Ehrengast Ministerpräsident Winfried Kretschmann. In seinem Impulsvortrag nannte der Ministerpräsident konkret Beispiele, wie Genossenschaften nachhaltig wirken: „Die rund 150 Energie- und Nahwärmegenossenschaften in Baden-Württemberg leisten einen zentralen Beitrag zur Energiewende, weil sie für Tempo und Akzeptanz sorgen. Die genossenschaftlichen Banken sind eine zentrale Stütze der mittelständischen Wirtschaft. Und die Agrargenossenschaften agieren als Treiber für eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft. Wir sind sehr froh, dass sich die Genossenschaften in Baden-Württemberg so vielfältig engagieren.“
Und auch BWGV-Präsident Dr. Glaser hob die Bedeutung der Genossenschaften gerade in herausfordernden Zeiten hervor: „Angesichts der aktuellen multiplen Krisensituation sorgen Genossenschaften für Halt und Sicherheit“. Genossenschaften sind vor mehr als 170 Jahren als Antwort auf existenzielle Not gegründet worden. Sie packen an, sind pragmatisch und liefern lösungsorientierte Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit. Mit ihren charakteristischen Merkmalen ermöglichen sie Kooperationslösungen, die Tradition mit Wandel in Einklang bringen.“
„Genossenschaften verbinden in idealer Weise notwendiges wirtschaftliches Streben mit sozialer Verantwortung“, so Glaser. Sichtbares Zeichen für diese gelebte Verantwortung vor Ort seien die beiden Gewinner des mit jeweils 5.000 Euro dotierten Genossenschaftspreises, der alle drei Jahre vom BWGV zusammen mit den Unternehmen der Genossenschaftlichen FinanzGruppe vergeben wird. Die beiden Preise ginge in diesem Jahr an die „Bürger für Bürger eG“ in Niedereschach (Schwarzwald-Baar-Kreis) sowie die „Allgäuer Genussmanufaktur eG“ aus Leutkirch (Landkreis Ravensburg). Glaser: „Beide Preisträger stehen für Werte wie Solidarität, Subsidiarität, Mitgliederförderung, soziale Verantwortung, ökologisches Handeln, Nachhaltigkeit und Regionalität.“
Darüber wurde auch in den hochkarätig besetzen drei parallelen Fachforen diskutiert, in die die Gäste nach dem Plenum wechselten.
Fachforum „Nachhaltige Energie für Wirtschaft und Gesellschaft“
Im Fachforum „Nachhaltige Energie für Wirtschaft und Gesellschaft“ diskutierten unter der Moderation von Nikolas Groß, BWGV, Thekla Walker, Ministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, BWGV-Präsident Dr. Glaser, Prof. Sabine Löbbe von der Hochschule Reutlingen, Armin Komenda, EWS Elektrizitätswerke Schönau eG und Hans-Peter Weber, OstalbBürgerenergie eG über die aktuell 153 Energiegenossenschaften in Baden-Württemberg, die mit unterschiedlichsten Projekten einen entscheidenden Beitrag zur Energiewende beisteuern. Die Bandbreite reicht dabei von der Erzeugung und Lieferung von Wärme und Strom, über den Betrieb von Stromnetzen, Elektromobilität, bis hin zum vollumfänglichen Energieversorgungsunternehmen. „Energiegenossenschaften können dazu beitragen, dass in Baden-Württemberg hunderte Orte voller Energie entstehen“, so Ministerin Walker und Frau Prof. Löbbe fügte ergänzend hinzu: „Bürgerenergiegenossenschaften sind wichtig, um die Transformationskultur weiter zu treiben.“
Ernährungssicherheit und landwirtschaftliche Produktion
Die Themen Transformation und gesellschaftlicher Wandel bestimmten auch die Diskussion beim Fachforum „Landwirtschaftliche Produktion und Ernährungssicherheit“ mit Dr. Konrad Rühl, Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, Dr. Ansgar Horsthemke, BWGV-Generalbevollmächtigter und Bereichsleiter MitgliederCenter, Prof. Sebastian Hess, Universität Hohenheim, Johannes Bliestle von der Reichenau-Gemüse eG und Andreas Rohr von der LBV Raiffeisen eG in Schrozberg. Rund 280 landwirtschaftliche und ländliche Genossenschaften sind im BWGV vereint und bilden die gesamte Wertschöpfungskette ab. Unter der Moderation von Dr. Teresa Walter, BWGV, betonter Dr. Rühl: „Wir wollen Landwirtschaft in der Fläche in Baden-Württemberg“. Dazu braucht es ein klares Bekenntnis zur regionalen Landwirtschaft. Die LBV Raiffeisen eG und auch die Reichenau Gemüse eG stehen für Regionalität. Herr Rohr bestätigte „Regionalität haben und leben wir“.
Leidenschaftlich diskutiert wurden die Herausforderungen für die Landwirtschaft und genossenschaftlichen Verarbeiter und Vermarkter. Verlässlichkeit, technischer Fortschritt und politische aber auch marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen wurden dabei genannt. „Die Betriebe leiden unter den Rahmenbedingungen. Betriebe brauchen Verlässlichkeit um bestehen zu können.“, so Herr Bliestle.
Mittelstandsorientierte Finanzierung
Das dritte Fachforum „Mittelstandsorientierte Finanzierung“ griff unter der Moderation von Belinda Doll, BWGV, einen wichtigen Baustein für die künftige wirtschaftliche Entwicklung Baden-Württembergs auf. Michael Kleiner, Ministerialdirektor im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg, diskutierte mit BWGV-Vorstandsmitglied Carsten Eisele, Prof. Burghof, Universität Hohenheim, Sabine Meister, Volksbank eG Konstanz und Katja Gröbe, Metzger-Vereinigung Reutlingen über notwendige Unterstützung für den im Land unverzichtbaren Mittelstand. „Ohne Unternehmertum sind Mittelstand und Innovationskraft nicht vorstellbar“ betonte Ministerialdirektor Kleiner. Die 137 Volksbanken Raiffeisenbanken im Land seien eine zentrale Stütze für die kleinen und mittleren Unternehmen in Baden-Württemberg und würden für eine enorme regionale Wertschöpfung sorgen. Damit die ökonomische und digitale Transformation gelingen kann, brauche es jetzt eine klare strategische Zielbestimmung und politische Rahmensetzung. „In der Bankenunion werden die kleinen Banken in Deutschland nicht angemessen berücksichtigt – das schadet der Kreditvergabe an den Mittelstand“ so Frau Meister. Dass auch die derzeitige Bürokratie für den Mittelstand nicht förderlich sei, bestätigte Prof. Burghof: „Das beste Konjunkturprogramm ist Entbürokratisierung“.
Austausch mit Genossenschaften und Partner
Beim abschließenden Empfang setzten die Gäste ihre Diskussionen fort und tauschten sich mit Genossenschaften und Partnern im Foyer in entspannter Atmosphäre aus. So konnten sich die Gäste bei der Ladegrün!eG, der Energeno Heilbronn-Franken eG und der Volksbank Stuttgart eG - die Gründerbank Stuttgart zu aktuellen Themen informieren. Die WeltPartner eG präsentierte sich und ihr Fotoprojekt mit dem Staatsministerium und die Bürger für Bürger eG stellte ihre Arbeit vor. Zum kulinarischen Genuss trugen die „Steilwerker“ (Weingärtnergenossenschaft Rohracker eG), die Allgäuer Genussmanufaktur eG und die Hochschulgenossenschaft Culinary Coffee eG bei. Die GESTE – Genossenschaftliche Stiftung für Entwicklungszusammenarbeit, die GENO-Stiftung WissenSchafftPartner, sowie die Forschungsstelle für Genossenschaftswesen an der Universität Hohenheim stellten ihre Arbeit vor und aktuelle genossenschaftliche Konzepte für die Gesundheitsversorgung und Quartiersentwicklung wurden präsentiert.