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Die Viehzentrale treibt ihre Innovationsstrategie voran

Viehzentrale Waldsee Digitalisierung
Gunter Endres

Ein sonniger Montagvormittag in Oberschwaben. In Bad Waldsee ist Montag Kälbertag. Ein großes umzäuntes Areal, mittendrin eine große Walmdach-Halle mit angedockten Ställen und einer Waschanlage. Landwirte aus der Umgebung kommen nach und nach mit Viehanhängern angefahren und laden Kälber aus. In der Kälbersammelstelle Hopfenweiler der KälberKontorSüd GmbH (KKS), ein Tochterunternehmen der Viehzentrale Süd GmbH (VZ) und der Rinderunion Baden-Württemberg e.V., herrscht allmählich Hochbetrieb. Die anliefernden Landwirte reichen den von der EU vorgeschriebenen Tierpass, den jedes Tier von Geburt bis Schlachtung begleitet, zwecks Registrierung durchs Bürofenster. Danach waschen und desinfizieren sie ihre leeren Anhänger, bevor sie wieder abfahren. Ist Hygienevorschrift.

Kälber-Datenscan samt Qualitätsbewertung

Viehzentrale Waldsee Digitalisierung
Die digitale Erfassung angelieferter Kälber in Bad Waldsee ist ein Pilot und soll auch in den anderen Geschäftsstellen der Viehzentrale installiert werden.

VZ-Geschäftsführer Dr. Sebastian Hill und Dr. Holger Mathiak, stellvertretender Geschäftsstellenleiter der VZ und Geschäftsführer der KKS, führen zur Erfassungsstelle. Es handelt sich um einen Piloten. Die angelieferten Kälber werden eines nach dem anderen registriert – vollständig digital. Ein Mitarbeiter scannt die Ohrmarke des Kalbs ab, checkt dabei die gesundheitliche Verfassung des Tiers und scannt dann an einem Strichcode-Muster die entsprechende Codierung weiterer Qualitätsparameter ein. Denn dann gibt es für den Landwirt mehr Geld.

Ein Monitor zeigt die erfassten Daten an – einschließlich des Gewichts. Beim Erfassungsprozess wird automatisch auch gewogen. „Wir vereinfachen durch diese Innovation die Prozesse und minimieren Fehler. Wir wollen die digitale Erfassung nach Behebung der Kinderkrankheiten in allen unseren Geschäftsstellen einsetzen“, sagt Dr. Hill. Die in der Datenbank gesammelten Daten sind automatisch mit dem Warenwirtschaftssystem der VZ verknüpft. So ist eine reibungslose Abrechnung gewährleistet. Nach dem Registrierungsprozess werden die Kälber in verschiedene, durch Gitter abgetrennte und mit Wasserstellen versehene, große Boxen verteilt – je nach Rasse, Größe, Alter, Gewicht, Geschlecht und weiteren Merkmalen. „Wir bündeln für den Transport am Abend in homogene Gruppen“, erklärt Dr. Mathiak.

Innovationstrategie hat viele Bausteine

Genossenschaftstag BWGV
Beim diesjährigen BWGVVerbandstag im Gespräch: Dr. Sebastian Hill (links), seit April 2018 Geschäftsführer für die Markt-, System- und Unternehmensentwicklung der Viehzentrale GmbH, und Dr. Reinhard Funk, Vorstandsvorsitzender der Vieherzeuger-Gemeinschaft eG.

„Die digitale Kälber-Erfassung ist ein Baustein von vielen in unserer Innovationsstrategie“, sagt VZ-Geschäftsführer Hill. „Uns ist es wichtig, in den Themen der Digitalisierung die Nase vorne zu haben.“ In der Vieh- und Fleischwirtschaft gewinne eine transparente Produktion und Rückverfolgbarkeit der Tiere, zusammengefasst unter dem Begriff der „Nämlichkeit“, zunehmend an Bedeutung. Beispielhaft nennt Hill den Haltungskompass, welcher vom Lebensmittelhandel immer stärker postuliert wird, und die bevorstehende Einführung eines staatlichen Tierwohllabels. Aus diesem Grund sei Bad Waldsee mit der digitalen Tiererfassung nur ein erster Schritt. „Wir sind in der Testphase von zwei Programmen, mit denen wir Informationen über die Haltungsverfahren von Landwirten individuell erfassen und verknüpfen können“, ergänzt der VZ-Geschäftsführer.

Aufgabenfeld für Genossenschaften: Datenbündelung

„Wir sind der festen Überzeugung, dass diese Daten kurz- bis mittelfristig unerlässlich werden. Es sollte daher auch eine Aufgabe der genossenschaftlichen Unternehmen sein, diese Daten bei sich zu bündeln und zum Vorteil der Mitglieder auszuwerten, bevor dies von anderen nachgelagerten Unternehmen vorgenommen wird“, so Dr. Hill. Dies ist nach seiner derzeitigen Einschätzung ein wichtiges Aufgabenfeld für Genossenschaften im Zeitalter der Wirtschaft 4.0. Es biete auch Chancen, die Unternehmensform zukunftsgerichtet zu interpretieren und aufzustellen.

Um dies zu bewerkstelligen, ist eine ganzheitliche und umfassende Digitalisierungsstrategie notwendig. Dazu gehört für die VZ:

  • digitale Erfassung der Tiere und automatisches Einspielen in die EDV.
  • digitale Darstellung der Rückverfolgbarkeit, umfassende Informationen über die Produktionsverfahren der Landwirte. (Hierfür werden gerade Programme eingeführt.)
  • Kombination dieser Schritte mit der perspektivischen Einführung eines neuen CRM-Systems. (In diesem Kontext ist die Überprüfung und Aktualität der Daten sehr wichtig.)
  • bereits eingeführt: eine App, über die der Landwirt Tiere anmelden kann (Anmeldung geht direkt in das VZ-Logistikprogramm; Logistik ist ein ganz wichtiger Faktor in der Branche; weitere Daten können transparent vom Landwirt abgefragt werden [Preise, aktuelle Informationen]).
  • kurz vor Einführung: Landwirt soll je Lieferung/ Tier individuell Schlachtdaten abrufen können.
  • Denkweise schlägt sich auch in VZ-Gesamtauftritt nieder: Modernisierung der Werbemittel, Darstellung digitaler Kompetenzen im Rahmen des Messestands, neue Imagefilme.

„Wir sind sicher, dass wir diese Schritte gehen müssen, um perspektivisch ein starker Partner bleiben zu können“, meint VZ-Geschäftsführer Hill. „Wir haben als großes genossenschaftliches Unternehmen die Möglichkeit Dinge zu leisten, die kleine Viehhändler so nicht darstellen können.“

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