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Der genossenschaftliche Spirit ist sehr wertvoll

Ministerpräsident Winfried Kretschmann
Staatsministerium BW

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Die Landesregierung hat zusätzlich zum Internationalen Jahr der Genossenschaften das Jahr der Genossenschaften in Baden-Württemberg ausgerufen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat die Schirmherrschaft übernommen. Im Interview mit dem BWGV erklärte er seine Motive und unterstrich die wichtige gesellschaftliche Rolle von Genossenschaften – auch für die Zukunft.

Mit dem Leitmotiv „Sei Teil und setze um, was Dich bewegt“ lädt das Jahr der Genossenschaften zur Mitgestaltung ein. Was bewegt Sie persönlich an der Idee der Genossenschaft? 

Die Idee der Bürgergesellschaft treibt mich seit je her an. Hannah Arendt hat mich gelehrt, dass nicht das politische Amt Macht verleiht. Vielmehr entsteht Macht, wenn Menschen gemeinschaftlich handeln, sich zusammen um eine Idee versammeln. Genau dafür sind Genossenschaften ein sehr gutes Beispiel. Und deswegen möchte ich unsere Genossenschaften ermutigen, ihr Erfolgsmodell weiter auszubauen. Nutzen Sie Ihre Erfahrungen und Ihr Wissen, bleiben Sie weiter aufgeschlossen! 

In einer Ihrer Reden haben Sie die Bedeutung von lokalem Engagement betont. Wie tragen Genossenschaften aus Ihrer Sicht dazu bei, die regionale Wirtschaft zu stärken und soziale Bindungen zu fördern?

Baden-Württemberg gilt ja als Land der Genossenschaften, das kooperative Wirtschaften hat bei uns eine lange Tradition. Unsere Genossenschaften sind vor Ort sehr präsent, die Menschen kennen und schätzen ihre Arbeit. Sie fördern nicht nur die regionale Wertschöpfung und bürgerschaftliches Engagement, sondern stehen auch oft für die tägliche Daseinsvorsorge. Durch ihre demokratische Struktur ermöglichen Genossenschaften den Menschen, am Gemeinwesen teilzunehmen und Entscheidungen vor Ort zu treffen. So tragen Genossenschaften auch zur Förderung sozialer Bindungen bei: Sie schaffen ein Gefühl von Zusammengehörigkeit und bieten Möglichkeiten für Teilhabe und Selbsthilfe. 

Baden-Württemberg hat eine lange Tradition genossenschaftlichen Handelns. Was können andere Akteure aus Gesellschaft und Wirtschaft von Genossenschaften lernen?

Genossenschaften verbinden wirtschaftliches Streben mit sozialer Verantwortung. Damit zeigen sie uns, wie eine Wirtschaft funktionieren kann, die auch im Einklang mit den Interessen der Gesellschaft steht. Dieser besondere Spirit ist sehr wertvoll. Er füllt den Begriff der „Sozialen Marktwirtschaft“ erst mit Leben. Die Stärke von Genossenschaften liegt auch in ihrer Fähigkeit, innovative Lösungsansätze für ganz verschiedene gesellschaftliche und wirtschaftliche Herausforderungen zu liefern. Denn durch ihre stabile und flexible Unternehmensform sind Genossenschaften in der Lage, praxisorientiert auf Umbrüche, neue Technologien und Aufgaben zu reagieren.

Genossenschaften stehen für Kooperation und Gemeinschaft. Welche Bedeutung messen Sie diesen Werten in der politischen und gesellschaftlichen Debatte bei?

Genossenschaften stehen für ein verantwortungsvolles und gelungenes Miteinander. Offenheit für innovative Ideen, Selbstverantwortlichkeit, Engagement, Solidarität und soziales Pflichtbewusstsein – das alles zeichnet Genossenschaften aus. Und diese Eigenschaften brauchen wir heute auch in allen gesellschaftlichen Bereichen, etwa in der Wirtschaft, beim Wohnen, bei der Pflege oder der ärztlichen Versorgung. Das Modell der Genossenschaften ist lebendig und zukunftssicher. 

Baden-Württemberg ist bekannt für Innovation. Wie können Genossenschaften zu Zukunftsthemen wie dem Klimaschutz beitragen?

Beim Klimaschutz und bei der Energie- und Wärmewende spielen Genossenschaften eine wichtige Rolle. Unsere etwa 150 Energie- und Nahwärmegenossenschaften sorgen für eine echte Beteiligung der Menschen am Klimaschutz. Und sie ermöglichen eine wirtschaftliche Teilhabe an dem Wandel unseres Energie- und Wärmesystems. Erst dadurch wird der Umbau der Energieversorgung auf eine echte gesellschaftliche Basis gestellt und die Akzeptanz in der Bevölkerung gesteigert.

Im Jahr der Genossenschaften stehen auch Bildungsprojekte im Fokus. Welche Bedeutung messen Sie der Vermittlung der genossenschaftlichen Idee in Schulen und Hochschulen bei, um junge Menschen früh für Gemeinschaft und Teilhabe zu sensibilisieren?

Beispielsweise werden in unseren Berufsschulen auch verschiedene Rechtsformen thematisiert, ausdrücklich auch Genossenschaften. Aber die Genossenschaftsidee ist natürlich mehr als die juristische und unternehmerische Umsetzung. Im Kern geht es darum, sich zusammenzutun, um gemeinsam stark zu sein. Diese Haltung findet sich in den Leitperspektiven für alle Schularten wieder – etwa als Bildung für nachhaltige Entwicklung oder für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt. Genossenschaftliche Einrichtungen sind natürlich auch Gegenstand von Forschung und Lehre, besonders an der Forschungsstelle Genossenschaftswesen an der Universität Hohenheim. Aber auch an vielen anderen Hochschulen wird zur Genossenschaft geforscht, wirtschafts- und finanzwissenschaftlich, aber auch historisch oder soziologisch. Dabei führt die enge Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Praxis zu neuen, innovativen genossenschaftlichen Ideen.

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