Springe direkt zum Inhalt , zum Menü .

Berufliche Integration von Flüchtlingen

Integration von Flüchtlingen
Dieter Schütz / pixelio.de

/

Über eine Million Flüchtlinge aus verschiedenen Kulturkreisen sind bereits in Deutschland angekommen und streben eine Integration in unsere Gesellschaft an – eine gewaltige Herausforderung, der wir uns auch in Baden-Württemberg gegenübersehen. Aktuell halten sich rund 100.000 Asylsuchende in unserem Bundesland auf, etwa ein Viertel von ihnen ist minderjährig. Unternehmen kommt im Integrationsprozess eine Schlüsselrolle zu, weil dort zugleich soziale, sprachliche und fachliche Kompetenzen vermittelt werden können. Umgekehrt sehen Betriebe in den zu uns geflüchteten Menschen Potenzial, um freie Stellen insbesondere in Mangelberufen dauerhaft zu besetzen. Flüchtlinge bringen zwar meistens keine dem hiesigen Niveau entsprechende Schul- oder Berufsausbildung mit, aber sie verfügen über eine hohe Motivation und Leistungswillen. Da die zuständigen Behörden jedoch einen Großteil der Flüchtlinge noch nicht registriert hat und Anerkennungsverfahren nicht abgeschlossen sind, rechnen Arbeitsmarktexperten frühestens ab April 2016 mit einem signifikanten Anstieg anerkannter, arbeitsuchender Flüchtlinge.

Genossenschaften möchten Flüchtlinge beschäftigen

Auch in Genossenschaften besteht Interesse, geflüchtete Menschen zu beschäftigen. Das hierzu Ende November 2015 von der BWGV-Akademie angebotene Webinar fand regen Anklang und verschaffte einen ersten Überblick über die aktuelle gesetzliche Lage. So muss beispielsweise der Status eines Flüchtlings geklärt sein, bevor eine Genossenschaft ihn beschäftigen darf. Der Status wird von der Ausländerbehörde vergeben und ist im Pass vermerkt.

Rechtliche Voraussetzungen für die Beschäftigung von Flüchtlingen

Status Asylberechtigter mit Aufenthaltserlaubnis

bedeutet, dass der Flüchtling „anerkannt“ ist, sich legal für eine bestimmte Dauer in Deutschland aufhalten sowie eine Wohnung und Arbeit suchen kann.

  • Aus dem Pass ist ersichtlich, ob Erwerbstätigkeit gestattet ist.
  • Die Ausländerbehörde prüft die Voraussetzungen einer Arbeitsaufnahme.
  • In den ersten drei Monaten nach Einreise gilt ein Beschäftigungsverbot.
  • Keine Zustimmungspflicht durch die Arbeitsagentur.
  • Arbeitsuchende mit diesem Status haben Anspruch auf Arbeitslosengeld 2 und werden oft im Jobcenter betreut.

Flüchtlingen mit Aufenthaltserlaubnis ist es fast immer ohne Einschränkung gestattet, zu arbeiten und auch Praktika aufzunehmen.

Status Asylbewerber mit Gestattung und Duldung

bedeutet, dass sich die Flüchtlinge noch im Anerkennungsverfahren befinden oder dass der Antrag auf Asyl abgelehnt wurde, die Abschiebung aber ausgesetzt ist.

  • In den ersten drei Monaten nach Einreise gilt ein Beschäftigungsverbot.
  • Die Ausländerbehörde prüft – nach Antrag auf „Erteilung einer Arbeitserlaubnis“ durch den Arbeitnehmer –, ob der Asylbewerber arbeiten darf und wendet sich direkt an die Arbeitsagentur. Dort erfolgt Vorrangprüfung (gibt es vorrangige Bewerber? - diese entfällt in sog. Mangelberufen, welche auf der sog. Positivliste stehen) und Prüfung der Arbeitsmarktbedingungen (Arbeitgeber, Arbeitszeit, Mindestlohn usw.).
  • Praktika – unabhängig davon, ob entgeltlich oder unentgeltlich – sind einer zustimmungspflichtigen Beschäftigung gleichgestellt (siehe oben); Ausnahmen bestehen bei Orientierungspraktika vor einer Ausbildung.
  • Minijobs: Asylsuchende mit Aufenthaltsgestattung und geduldete Personen können nicht ohne weiteres einen Minijob, der oftmals der Einstieg in eine „richtige“ Beschäftigung ist, ausüben. Für beide Gruppen kann die Ausländerbehörde nach Ablauf der Wartezeit von drei Monaten eine Arbeitserlaubnis erteilen. Hier muss die Erlaubnis für eine konkrete Beschäftigung bei der Ausländerbehörde beantragt werden. In Zusammenarbeit mit der Bundesagentur für Arbeit wird eine Zustimmung oder Ablehnung erteilt.

Flüchtlinge mit Gestattung und Duldung müssen selbst einen Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis oder zur Aufnahme eines Praktikums stellen. Die Agentur für Arbeit muss dem Antrag zustimmen.

Die zuständigen Arbeitsagenturen beraten beschäftigungswillige Arbeitgeber über Fördermöglichkeiten und Unterstützungsangebote. Ab 2016 stehen spezielle Angebote für Flüchtlinge/Asylbewerber wie PerF (Perspektive für Flüchtlinge) und JuFA (Junge Flüchtlinge in Ausbildung) zur Verfügung. Die Zustimmungspflicht der Arbeitsagentur soll durch ein Online-Verfahren beschleunigt werden.

Führungskräfte und Mitarbeiter zahlreicher Genossenschaften haben längst interkulturelle Kompetenzen vorzuweisen, denn sie fördern und integrieren bereits seit vielen Jahren Kollegen mit Migrationshintergrund. Allerdings haben diese Mitarbeiter in der Regel eine deutsche Schulbildung durchlaufen und sind nicht selten in Deutschland geboren. Demgegenüber stellt die Ausbildung von Flüchtlingen, die sich erst wenige Monate in unserem Land aufhalten, eine ungleich größere Herausforderung dar. Um sie zu bewältigen, ist eine solide Vorbereitung erforderlich. Asylbewerber bedürfen einer intensiven Begleitung im sozialen Umfeld und sind auf schulische Unterstützung (Berufsschule) sowie möglichst schnellen Spracherwerb angewiesen.

Bäckerei Staib, Ulm, macht positive Erfahrungen mit Flüchtlingen

Die Zentrale der Bäckerei Staib im Ulmer Norden ist Ausbildungsort von drei Flüchtlingen.
Die Zentrale der Bäckerei Staib im Ulmer Norden ist Ausbildungsort von drei Flüchtlingen.

Über erste Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügt Marcus Staib, Geschäftsführer der Bäckerei Konditorei Staib in Ulm und Vorstandsmitglied der BÄKO Südwürttemberg eG, Reutlingen. Seit September 2015 bildet er in seinem Betrieb drei Flüchtlinge aus. Sie stammen aus Pakistan, Eritrea und Somalia und sind zwischen 25 und 31 Jahre alt. Seit zwei beziehungsweise einem Jahr leben sie in Deutschland und verfügten bei Ausbildungsbeginn über Grundkenntnisse in Deutsch. Das Fazit des Betriebs nach knapp einem halben Jahr ist positiv.

Die größte Herausforderung sieht Marcus Staib in der Berufsschule, in der ausschließlich auf Deutsch unterrichtet wird. Verständnisschwierigkeiten der Azubis seien vorprogrammiert, zumal nur 50 Minuten zusätzlicher Deutsch-Unterricht pro Woche vorgesehen sind. Das sei viel zu wenig, um die „schwierige“ Sprache Deutsch zu erlernen. Die Ausbilder der Bäckerei Staib unterstützen ihre immigrierten Azubis daher zusätzlich durch selbst entwickelte Aufgabenblätter und einen abgestimmten Ausbildungsfahrplan, von dem auch deutsche Azubis profitieren. In einem Ausbildungshefter sind zum Beispiel Arbeitsschritte einzeln aufgeführt und mit Fotos illustriert. 2016 will der Betrieb weiteren Asylbewerbern eine Chance zur Aufnahme einer Ausbildung geben.

BWGV-Akademie bietet kulturfreies Online-Verfahren zur Azubi-Suche

Für Arbeitgeber wie die Bäckerei Konditorei Staib stellt sich dabei immer wieder die Frage, wie sie geeignete Mitarbeiter für ihr Berufsbild aus dem Kreis der Immigranten finden können. Hier bietet die BWGV-Akademie mit einem kulturfreien Online-Testverfahren, welches allen Genossenschaften zur Verfügung steht, Unterstützung an. Der „Culture Free Test“ ermöglicht eine Beleuchtung des Potenzials der Bewerber aus einem anderen Kulturkreis – unabhängig von Bildungsstand und Sprache. Er erfasst verschiedene Aspekte der allgemeinen Eignung sowie grundlegende Fähigkeiten und Fertigkeiten. Die einzelnen Module des Tests sind weitestgehend sprachfrei und die Instruktionen liegen sowohl in englischer als auch deutscher Sprache vor. Das Online-Verfahren ist flexibel einsetzbar und bietet in kurzer Zeit eine zuverlässige Potenzialdiagnose für verschiedene Ausbildungsberufe.

Unter www.workeer.de kann man melden, wenn man einen Job an Flüchtlinge zu vergeben hat. Dort kann nach Bewerbern gesucht werden oder man kann selbst inserieren.

Angebote der BWGV-Akademie zum Thema Beschäftigung von Flüchtlingen

  • Ausbildertagung für Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften am 26. und 27. April 2016, Akademiestandort Stuttgart-Hohenheim: aktueller Stand Beschäftigung von Flüchtlingen und Best Practice mit Steffen Dorst, Agentur für Arbeit Karlsruhe-Rastatt, und Marcus Staib, Geschäftsführer der Bäckerei Konditorei Staib GmbH & Co. KG
  • Culture Free Test zur Auswahl potenzieller Azubis und Praktikanten
  • Webinare, in denen zeitnah über gesetzliche Änderungen und neue Fördermöglichkeiten rund um die Beschäftigung von Flüchtlingen informiert wird
  • Interkulturelle Kompetenz im Umgang mit Kollegen und Kunden; das Seminar kann auch als individuelles Angebot (IQ) gebucht werden.

Ansprechpartner:
Verena Nopper, verena.nopper@bwgv-akademie.de
Selina Tudan, selina.tudan@bwgv-akademie.de

Artikel versenden