Am 1. Juni legte EU-Landwirtschaftskommissar Phil Hogan die mit Spannung erwarteten Vorschläge der EU-Kommission zur Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020 vor. Die EU-Agrarförderung ist auch für die landwirtschaftlichen Genossenschaften und deren Mitgliedsbetriebe sowie für die gewerblichen Genossenschaften im ländlichen Raum von besonderer Relevanz. Der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband e.V. (BWGV) war daher am 19. Juli 2018 Gastgeber einer hochkarätigen Informations- und Diskussionsveranstaltung zum Thema. Insgesamt waren fast 50 Teilnehmer in den Räumlichkeiten der Fellbacher Weingärtner eG vor Ort.
Impulsvortrag durch Kommissionsvertreter
In einem zehnminütigen Impulsvortrag stellte zunächst der Vize-Generaldirektor der zuständigen Generaldirektion Landwirtschaft in der Europäischen Kommission, Herr Rudolf Mögele, die Kernpunkte des Kommissionsvorschlags für die zukünftige Ausgestaltung der europäischen Agrarpolitik vor. Dieser sieht vor, die Grundstruktur der derzeitigen GAP mit erster und zweiter Säule beizubehalten. Darüber hinaus hält die EU-Kommission an den im November vorgestellten Plänen zu mehr Subsidiarität in der Agrarpolitik fest. Ab 2021 sollen die Mitgliedsstaaten demnach mehr Spielraum in der nationalen Umsetzung erhalten. Gleichzeitig will die Kommission jedoch die vorgegebenen Rahmenbedingungen streng überwachen. Eine befürchtete Renationalisierung oder ungleiche Wettbewerbsbedingungen in den Mitgliedsstaaten sollen so verhindert werden können.
Basierend auf den Plänen zum Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) von 2021 bis 2027 sind insgesamt 365 Milliarden Euro für die GAP vorgesehen. Dies entspricht einem durchschnittlichen Anteil am Gesamthaushalt von 28,5 Prozent. Davon sind 265,2 Milliarden Euro für Direktzahlungen vorgesehen, 20 Milliarden Euro für Marktstützungsmaßnahmen und 78,8 Milliarden Euro für den Europäischen Strukturfonds für die Entwicklung des Ländlichen Raums (ELER). Zusätzlich werden den Mitgliedsstaaten weitere 10 Milliarden aus dem EU-Forschungsprogramm Horizon Europe zur Verfügung gestellt.
Der Kommissionsvorschlag sieht außerdem bereits ab 60.000 Euro eine verpflichtende, EU-weite degressive Kürzung der Direktzahlungen vor. Die Prämienansprüche zwischen 60.000 Euro und 75.000 Euro sollen um 25 Prozent, ab 75.000 Euro bis 90.000 Euro um 50 Prozent und zwischen 90.000 Euro bis 100.000 Euro um 75 Prozent gekürzt werden. Über 1000.000 Euro Direktzahlungen soll kein landwirtschaftlicher Betrieb als Flächenbeihilfe erhalten. Damit möchte die EU-Kommission das Agrarbudget verstärkt auf kleinere und mittlere Betriebe verteilen. Dies kommt insbesondere auch der speziellen, kleinteiligen Struktur in Baden-Württemberg entgegen.
Hochkarätige und abwechslungsreiche Podiumsdiskussion
Basierend auf den Impulsen des Vize-Generaldirektors nahm Maria Heubuch MdEP, Europaabgeordnete für das Bündnis 90/Die Grünen Stellung. Die genossenschaftliche Perspektive in die anschließende Podiumsdiskussion brachten ein: Dr. Reinhard Funk, Vorstandsvorsitzender der Vieherzeuger Gemeinschaft eG in Stuttgart, sowie Dr. Ansgar Horsthemke, Generalbevollmächtigter und Bereichsleiter Waren- und Dienstleistungsgenossenschaften des BWGV. Moderiert wurde die kurzweilige und sachkundige Diskussion von Anja Roth, BWGV-Bereichsleiterin Interessenvertretung. Im Fokus der Podiumsdiskussion standen insbesondere der Strukturwandel in der baden-württembergischen Landwirtschaft, die Stärkung von Genossenschaften und Erzeugerorganisationen im Allgemeinen, die Förderung von Junglandwirten und schließlich die Förderung von gewerblichen Genossenschaften in ländlichen Räumen.
Die Grünen-Abgeordnete Heubuch betonte: „Die kleinen und mittleren Betriebe haben einen besonderen Wert für die Gesellschaft und müssen gestärkt werden.“ Gleichzeitig kritisierte die Europaabgeordnete, dass die Kürzungen des Agrarbudgets an der falschen Stelle vorgenommen worden seien. Sie sprach sich im Gegenteil für die Verlagerung von Direktzahlungen in gezielte Maßnahmen der zweiten Säule aus – so zum Beispiel im Umweltbereich.
Kommissionsvertreter Mögele erklärte: „Die Kommission will Erzeugerorganisationen fördern. Genossenschaften können dem schnellen Strukturwandel durch die Bündelung der kleinen und mittleren Betriebe erfolgreich entgegenwirken.“
Das unterstrich auch Dr. Horsthemke: „Die Wettbewerbsfähigkeit der Erzeugerorganisationen muss weiter gestärkt werden. Die Entbürokratisierung der Förderanträge kann hierzu entscheidend beitragen. Etwaigen Wettbewerbsverzerrungen ist in der zukünftigen GAP ein Riegel vorzuschieben.“
Aus der Praxis berichtete Dr. Funk zur stärkeren Förderung von Junglandwirten: „Die finanzielle Förderung von Junglandwirten ist sinnvoll und notwendig, um dem Strukturwandel in der Landwirtschaft entgegen zu wirken. Die Jugend ist sehr engagiert und interessiert und kann mit ihrer Innovationskraft helfen zukünftige Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen.“
Die lebendige Diskussion wurde durch eine Fragerunde des Publikums abgerundet. Im Anschluss an die Veranstaltung hatten die Teilnehmer ausgiebig die Möglichkeit ihre Themen bei einem Glas des hervorragenden Fellbacher Weins zu vertiefen.
Der weitere Zeitplan zur Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2020
Nachdem kürzlich die Berichterstatter des Europäischen Parlaments für die Vorschläge der EU-Kommission benannt wurden, sollen die Verhandlungen im sogenannten Trilog zwischen den EU-Institutionen ab 2019 folgen. Auf Bundesebene stimmen sich die Agrarminister der Länder regelmäßig ab. Die nächste Agrarministerkonferenz findet am 26. bis 28. September 2018 statt. Eine europäische Einigung vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai 2019 scheint derzeit allerdings unwahrscheinlich.