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Sulzfelder Genossenschaft saniert Bahnhof

Vorstandsmitglied der Genossenschaft, Gerold Kraus, im Gemeinschaftsraum des Bürgerbahnhofs Sulzfeld
BWGV

Gerold Kraus war es stets ein Graus, wenn er von seinem nahegelegenen Wohnhaus an ihm vorbeispazierte. Herunter gekommen, marode, brettervernagelt, unnütz: Fürs denkmalgeschützte Bahnhofsgebäude der Kraichgau-Gemeinde Sulzfeld aus dem Jahr 1878, eine ansehnliche Mischung aus verschiedenen Baustilen, hatte die Deutsche Bahn in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts keine Verwendung mehr. Es stand leer. Die Gemeinde Sulzfeld erwarb 2005 den ehemaligen Bahnhof, hatte aber selbst weder Bedarf für das Sandstein-Gebäude noch die finanziellen Möglichkeiten, eine Sanierung zu schultern.

Bürgerschaftliches Engagement mit Unterstützung der Gemeinde

Der Sulzfelder Bürgerbahnhof wurde von der Genossenschaft zum Schmuckstück saniert.
Das sanierte Sandsteingebäude des Sulzfelder Bahnhofs beherbergt nun Räume für Veranstaltungen und Tagungen, eine Vinothek sowie im Obergeschoss Büros für Gewerbetreibende.

2010 wurde es Gerold Kraus dann zu bunt. „Das Gebäude sah schrecklich aus. Das konnte so nicht bleiben. Es musste etwas geschehen“, erinnert sich das heutige Vorstandsmitglied der Sulzfelder Bürgerbahnhof eG. Jetzt ist der Bahnhof, an der Kraichgaubahn, der heutigen Stadtbahnlinie Karlsruhe-Heilbronn gelegen, „eine tolle Visitenkarte für unseren Ort“, freut sich Kraus. Im August 2010 verfasste er eine Denkschrift, die er und seine Mitstreiter dem örtlichen Gewerbe- und Verkehrsverein überreichten. Im Januar 2011 lagen erste Zahlen für Sanierungskosten auf dem Tisch. Mit der Gemeindeverwaltung wurden Gespräche geführt und dem Gemeinderat Pläne präsentiert sowie Zuschuss-Anträge vorbereitet.

Ideengeber war die Genossenschaft Leutkircher Bürgerbahnhof eG

Bürgermeisterin Sarina Pfründer, heute Mitglied des Aufsichtsrats der Genossenschaft, wurde das Projekt Bürgerbahnhof zur Herzensangelegenheit. Genossenschaftliches Know-how brachte Werner Eigenmann, Geschäftsführer der örtlichen Winzergenossenschaft, mit ein. Bau-Ingenieur Christoph Zehender kümmerte sich um die Sanierungsplanungen und die Bauleitung. Beide bilden heute zusammen mit Gerold Kraus, der mit seinem Küchenstudio Hauptmieter im Bürgerbahnhof ist, das Vorstandstrio der Genossenschaft. Die Macher und Antreiber des Projekts gingen planmäßig vor. Ideengeber für einen Bürgerbahnhof war der Leutkircher Bürgerbahnhof, ebenfalls betrieben durch eine Genossenschaft. Gemeinsam mit Bürgermeisterin Pfründer waren Kraus, Zehender und zwei weitere Mitstreiter im Frühjahr 2011 auf eindrücklicher Informationsvisite im Allgäu. Die dortigen Genossenschaftsvorstände Christian Skrodzki und Axel Müller berichteten dann am 26. Juni 2011, dem Tag des offenen Denkmals, im badischen Sulzfeld von ihren positiven Erfahrungen. Dadurch, dass Interessierte erste Absichtserklärungen für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen unterzeichneten, waren die Weichen für die Gründung der Sulzfelder Bahnhofsgenossenschaft gestellt. Die Begeisterung war geweckt.

Das Logo der Genossenschaft Sulzfelder Bürgerbahnhof.
Das Mosaiksteine-Logo der Genossenschaft symbolisiert, dass viele (kleine) Mitwirkende etwas (großes) Gemeinsames verwirklichen können.

Die Gründungsversammlung der Sulzfelder Bürgerbahnhof eG fand am 11. September 2011 statt. 222 Mitglieder (Mitgliederstand Mitte April 2015: 227) zeichneten Anteile. So kamen 344.000 Euro Kapital zur Sanierung des Bahnhofsgebäudes zusammen. Im Mai 2012 erfolgte die Registereintragung, also die formelle Geburtsstunde der Genossenschaft. Die Gemeinde übergab der Genossenschaft das denkmalgeschützte Gebäude in Erbpacht. Die Sanierung wurde zum Bürgerprojekt. Das Land Baden-Württemberg gewährte Zuschüsse aus dem Programm „Entwicklung Ländlicher Raum“.

Sanierung von Grund auf durch viele Helferhände

Dann ging es ans gemeinsame Anpacken. Die Sanierung startete. An den ersten Arbeitseinsatz am 12. Dezember 2012 kann sich Gerold Kraus noch gut erinnern: „Es ging nur um eine Sache, ums Entrümpeln.“ Das gemeinsame bürgerschaftliche Engagement war enorm. Das Dach musste neu eingedeckt, neue Fenster und ein neuer Boden eingebaut werden. Und, und, und. Während der knapp zweijährigen Bauzeit haben die 25 ehren amtlichen Helferinnen und Helfer durch Entkernen, Dachdecken, Bohren, Hämmern, Schleifen, Streichen und weitere Arbeiten mehrere Tausend Arbeitsstunden geleistet. „Das gemeinsame Zu packen war toll. Rund 200.000 Euro konnten so gespart werden“, sagt Gerold Kraus. Energietechnisch wird das neu sanierte Bahnhofsgebäude durch eine Kraft-Wärme-Koppelungsanlage versorgt. Eine Fußbodenheizung wärmt mit zusätzlichen einzelnen Heizkörpern das Erdgeschoss.

Raum für Veranstaltungen und Büros

Der 76 Quadratmeter große Gemeinschaftsraum mit 53 Sitzplätzen stellt die zentrale Nutzung des Erdgeschosses dar. Dafür mussten zwei Innenwände weichen. In diesem Raum wurden eine elegante Küchenzeile und die Kochschule von Gerold Kraus realisiert. Der mit modernster Technik ausgerüstete Raum kann für Tagungen oder Festivitäten wie Geburtstage, Hochzeiten oder Konfirmationen angemietet werden. Daneben gibt es einen weiteren Raum mit 48 Quadratmetern und 24 Sitzplätzen, in dem die Vinothek, das Schaufenster der Sulzfelder Weine, untergebracht ist. Auch dieser Raum ist für Veranstaltungen nutzbar. Es besteht die Möglichkeit für Bewirtung und Catering. An der Westseite des Bahnhofs ist ein Sanitärtrakt mit Behinderten-WC angebaut. Das Obergeschoss beherbergt vier Einheiten, die als Büroräume an Gewerbetreibende vermietet sind. Einer der Mieter ist Thomas Bilger mit seinem Photovoltaik-Beratungsbüro. Er sagt: „Meine Mitarbeit im Bahnhof hatte gleich bei der ersten Aktion einen richtungsweisenden Charakter: Entrümpeln und Entsorgen. Bei all diesen Arbeiten stand das Miteinander im Vordergrund. Da war es nur logisch, mich auch als Genossenschaftsmitglied einzubringen.“ Das sanierte Schmuckstück Bürgerbahnhof feierten die Sulzfelder am 3. und 4. August 2013. Die Initiatoren hatten für diesen Anlass eine informative Festschrift herausgebracht.

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