Der frühere Geschäftsführer der damals noch als eingetragener Verein geführten Jugendagentur ergriff nach der Reform des Genossenschaftsgesetzes 2006 die Gelegenheit, den Verein 2007 in eine Genossenschaft, eine gemeinnützige Genossenschaft umzuwandeln. Die Gründe hierfür waren vielfältig. Den Mitarbeitern sollten zum einen mehr Mitspracherechte ermöglicht und zum anderen die Handhabung eines steigenden Umsatzes erleichtert werden. Gleichzeitig sicherte das Kapital, das durch die Mitgliedsbeiträge gewonnen werden konnte, Liquidität in den Phasen, in denen die Wartezeit auf Fördergelder – die Finanzierung erfolgt projektbezogen über einen Mix an Zuschüssen, vorwiegend von Kommune, Agentur für Arbeit, Europäischer Sozialfonds – überbrückt werden mussten. Gerd Schaufelberger, Vorstandsmitglied der Jugendagentur, befürwortet auch weiterhin die Wahl für die Unternehmens- und Rechtsform Genossenschaft. Vor allem auch weil sie ihren Ursprung im Sozialen hat und es historisch darum ging, Menschen in Notlagen und in schwierigen Lebensstationen zu unterstützen, so der gelernte Betriebswirt. „Die basisdemokratische Entscheidungsphilosophie der Genossenschaft passt zu unserem Ansatz“, sagt der 50-Jährige. Die gemeinnützige Genossenschaft hat 18 Mitglieder, die sich aus eigenen Mitarbeitern, Mitarbeitern kooperierender Einrichtungen und zwei gemeinnützigen Einrichtungen zusammensetzt. Die Mitgliederbindung erfolgt durch Veranstaltungen, E-Mail-Informationen, eine Jahresklausurtagung sowie eine Winterfeier. „Der Führungsstil der Jugendagentur ist kooperativ ausgerichtet und wir beteiligen die Mitarbeiter soweit wie möglich an Entscheidungen. Ziele werden gemeinschaftlich entwickelt und Ergebnisse gemeinsam überprüft“, sagt Schaufelberger, der mit Frederik Breuer den Vorstand der Genossenschaft bildet.
Unterstützung von jährlich 800 Jugendlichen
Die Arbeit der Jugendagentur Heidelberg eG basiert auf drei Handlungsfeldern, erläutert Schaufelberger: „Da ist die persönliche Beratung und Förderung der Talente von Jugendlichen, die den Übergang in das Berufsleben anstreben. Wir machen praktische, persönlichkeitsfördernde und arbeitsweltorientierte Bildungs- und Kulturprojekte innerhalb und außerhalb der Schule und wir betreiben institutionelles Integrations- und Schnittstellenmanagement.“ Die Kooperationspartner der Genossenschaft sind verschiedene Ämter der Stadt Heidelberg und des Rhein-Neckar-Kreises, die Agentur für Arbeit, Schulen, Unternehmen und soziale Einrichtungen. Die Handlungsfelder greifen ineinander und sind Bestandteile eines regionalen Netzwerks an der ersten Schwelle der beruflichen Integration. Die Jugendagentur ist durch die Qualität ihrer Arbeit, durch innovative Projekte der Benachteiligtenförderung und ihre aktive Netzwerkarbeit ein anerkannter Partner im Übergangssystem. „Pro Jahr unterstützen wir insgesamt rund 800 Jugendliche und junge Erwachsene“, so Schaufelberger.
Sozialarbeit an beruflichen Schulen
Einer der Schwerpunkte der Jugendagentur ist die Sozialarbeit an beruflichen Schulen. Zum 1. Januar 2015 wurde in Heidelberg die Jugendsozialarbeit an beruflichen Schulen etabliert. Das bestehende Jugendberufshilfe-Angebot der Jugendagentur an der Johannes-Gutenberg-Schule und an der Marie-Baum-Schule wurde in eine allgemeine Jugendsozialarbeit umgewandelt. „Seitdem sind wir nicht mehr nur für die Schüler des Vorqualifizierungsjahrs Arbeit/Beruf und des Berufseinstiegsjahrs und der ein- und zweijährigen Berufsfachschulen zuständig, sondern stehen für Fragen aller Schüler der beiden Schulen zur Verfügung“, sagt Gerd Schaufelberger. Inhaltliche Schwerpunkte der Arbeit sind zum Beispiel Fragen zur Berufs- und Lebensplanung, familiäre oder finanzielle Probleme, Verselbstständigung der Schüler in ein eigenständiges Leben, schulische Probleme, Schulmüdigkeit und Schulschwänzen, drohender Schulverweis, Schwierigkeiten im Sozialverhalten und psychische Probleme. Die Jugendsozialarbeit wird von der Stadt Heidelberg gefördert und schulübergreifend koordiniert. Sie wird zudem von der Kinder- und Jugendpsychiatrie Heidelberg wissenschaftlich begleitet und evaluiert. Ein weiteres Projektbeispiel ist die sogenannte Kompetenzagentur. „Jährlich helfen wir rund 100 Jugendlichen mit multiplen Problemen. Bei Eintritt in das Projekt sind zwei Drittel der Personen offen oder verdeckt arbeitslos und haben viele persönliche Schwierigkeiten“, so Schaufelberger. Bei Austritt aus dem Projekt haben „zwei Drittel eine berufliche und soziale Perspektive und sind zum Beispiel in Ausbildung, Arbeit oder weiterführende Bildungsgänge vermittelt“.
Unterstützung für zwei Schülerfirmen
Die Jugendagentur eG unterstützt zudem zwei Schülerfirmen. Die „Ragazzeria“ wird von Schülern der Heidelberger Waldparkschule gebildet. Auch Schülerinnen der Graf-von-Galen-Schule mit einer geistigen Behinderung gehören zur Klassengemeinschaft. Das Projekt bietet vielfältige Möglichkeiten für eine praktische Berufsorientierung. Die Schüler importieren und vermarkten Olivenöl und Orangen aus Sizilien und führen Cateringaufträge durch. Die Erlöse bilden den Grundstein für interkulturelle Bildungsreisen in die Herkunftsregion der Produkte auf Sizilien. Die „Teencompany“, die zweite unterstützte Schülerfirma, fertigt Sitzmöbel für Kleinkinder. Sie wird von Schülern aus den 8. Klassen des Werkrealschul-Zugs der Internationalen Gesamtschule Heidelberg gebildet. Ein engagiertes Team aus Lehrern, Mitarbeitern der Jugendagentur und Handwerkern begleitet die Schülerfirma. Die Schüler werden in alle Prozesse eingebunden: kreative Gestaltung der Modelle, Einkauf von Maschinen und Fertigungsmaterial, Produktion, Werbung, Verkauf und Buchführung. Gerd Schaufelberger ist von der Arbeit der Jugendagentur überzeugt. „Unsere Projekte sind gut und es wird sie weiterhin geben. Wir wollen perspektivisch auch mehr an den Realschulen tätig werden“, ist das Vorstandsmitglied der Genossenschaft mit Blick auf den Wegfall der verbindlichen Schulempfehlung und der Notenschnitt-Hürde überzeugt.