Jeder Unternehmer stellt sich irgendwann die Frage, was mit seinem Unternehmen geschehen soll, wenn er in den Ruhestand geht. Familieninterne Nachfolgen werden meist von den Altinhabern favorisiert. Aber was, wenn sich kein Nachfolger innerhalb der Familie findet oder bereiterklärt, das Unternehmen weiterzuführen? Der demografische Wandel macht auch vor dem Mittelstand nicht Halt. Immer mehr Unternehmer erreichen das Ruhestandsalter, während sich immer weniger potenzielle Unternehmensnachfolger finden. So fasst Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), den DIHK-Report 2014 zur Unternehmensnachfolge zusammen. Familieninterne Nachfolgen sind deutschlandweit zwar noch mit etwas über 50 Prozent die Regel, alternative Übernahmemodelle durch Mitarbeiter oder externe Interessenten gewinnen aber an Bedeutung. Dennoch wird laut des DIHK-Reports fast jeder zweite Unternehmer bei der Suche nach einem Nachfolger nicht fündig. Oft wird das Thema Nachfolge zu spät angegangen, ist besetzt von Emotionen, unrealistischen finanziellen Erwartungen und getrübt von gesetzlichen Unsicherheiten, wie etwa der Debatte zur Reform der Erbschaftssteuer im vergangenen Jahr.
Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) rechnet auf der Grundlage einer Studie, die Ende 2013 erschien, damit, dass bis 2018 insgesamt 135.000 Unternehmen in Deutschland zur Übergabe anstehen, weil hier die Eigentümer aus persönlichen Gründen ausscheiden. Über zwei Millionen Mitarbeiter sind in Deutschland von dieser Entwicklung betroffen. Die EU-Kommission schätzt zudem, dass etwa 10 Prozent aller Insolvenzen in Europa auf schlecht geplante Nachfolgeregelungen zurückzuführen sind. Gerade für Mitarbeiter ist daher das Thema Nachfolge und Übergabe mit vielen Unsicherheiten verbunden.
Nachfolgegeschehen im Südwesten
Vor der Sommerpause veröffentlichten unabhängig voneinander sowohl die IHK Region Stuttgart eine Studie zum Nachfolgegeschehen in der Region Stuttgart als auch der Baden-Württembergische Handwerkstag (BWHT) Umfrageergebnisse zum Thema Nachfolge und Betriebsübergabe. Aus beiden Untersuchungen geht hervor, dass sich in den kommenden fünf Jahren fast jeder vierte Betrieb in Baden-Württemberg mit der Frage der Nachfolge auseinandersetzen wird. Im Handwerk stehen bis zu 18.000 Unternehmen vor der Nachfolgeplanung. Gerade bei den kleinen und Kleinstbetrieben (ein bis neun Beschäftigte) gibt es oft Unsicherheiten bei der Übergabeplanung. Laut der Umfrage des BWHT sehen fast 58 Prozent der Handwerker die größte Herausforderung in der Suche nach einem geeigneten Nachfolger.
Wenn Mitarbeiter zu Eigentümern werden
Die eingetragene Genossenschaft (eG) bietet in den Fällen, wo es noch keine Regelung zur Nachfolge und Unternehmensübergabe gibt, eine Alternative – vor allen Dingen für engagierte Mitarbeiter des Unternehmens. Die Unternehmensübergabe im Rahmen einer genossenschaftlichen Gestaltung folgt dabei den üblichen Bedingungen der Genossenschaftsgründung: Mindestens drei Personen übernehmen das Unternehmen und zeichnen sich gemeinsam für den weiteren wirtschaftlichen Erfolg verantwortlich. Laut der Umfrage des BWHT wird die Finanzierung des Kaufpreises oftmals als ein weiteres großes Problem bei der Übergabe wahrgenommen. Dies geben knapp 38 Prozent der 1.500 befragten Unternehmer an. Hier kann die Genossenschaft die finanziellen Möglichkeiten mehrerer beteiligter Personen bündeln. Zusätzlich kann ein vergleichsweise geringer einmaliger Kaufpreis kombiniert werden mit einer zeitlich definierten Teilhabe des bisherigen Eigners am Umsatz des Unternehmens. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, dass die Genossenschaft dem ausscheidenden Unternehmer die Möglichkeit eines schrittweisen Rückzugs bietet, beispielsweise als Mitglied des Aufsichtsrats der eG oder als Berater für das Unternehmen in einem Angestelltenverhältnis. Erste Erfahrungen mit genossenschaftlich organisierten Übergaben sind vielversprechend und zeigen, dass sich das genossenschaftliche Modell als interessante Perspektive für das Mittelstandsland Baden-Württemberg etablieren könnte.
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Genossenschaften als Nachfolgemodell
Die Gründer der Jacom Systemhaus eG in Heidelberg – einem Unternehmen aus der IT-Branche – haben sich bei der Nachfolgefrage der Jacom Systemhaus für die Rechtsform der Genossenschaft entschieden. „Ich fand die Idee neu und gut, weil sie die Vorteile des unternehmerischen Anteils eines Genossenschaftsmitglieds mit den Vorzügen einer festen Anstellung verbindet“, so Christian Zax, einer der Jacom-Mitarbeiter, der nun in den fünfköpfigen Vorstand der Jacom eG gewählt wurde. Von den mindestens drei Mitgliedern einer Genossenschaft müssen aber nicht alle als „Chef“ in der Verantwortung stehen, als reguläres Mitglied der eG können die Mitarbeiter auch weiterhin reguläre Mitarbeiter sein, können jedoch mit ihrer Stimme auch mitentscheiden. Der BWGV berät gerne in allen Fragen, die während der Planung einer Nachfolge oder der Übernahme eines Unternehmens in Form einer Genossenschaft auftauchen.