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Jacom Systemhaus eG: Vom Chef zum Kollegen

Heimelig: Der Büroraum bei Jacom Systemhaus. Mitgründer Volker Janik (links), Mitarbeiter Markus Rapp, Vorstand Sebastian Zax (rechts.)
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Volker Janik und Dietrich Hassmann haben 1985 den IT-Dienstleister Jacom Systemhaus mit Sitz in Heidelberg gegründet. In Zeiten ohne Elektronikdiscounter vertrieben die beiden Hardware. Mit der Zeit entwickelte sich das Unternehmen zum Softwareentwickler und Systemhaus für IT-Dienstleistungen weiter. So manchen Kunden – darunter die Rhein-Neckar-Zeitung oder den Schreibgerätehersteller Lamy – betreut Jacom Systemhaus seit vielen Jahren.

Unternehmenserfolg durch Mitarbeiter

Inzwischen sind der Gründer Janik 69 und Hassmann knapp 60 Jahre alt. Die Nachfolgefrage beschäftigt die beiden Unternehmer schon eine ganze Weile – auch die Option des Unternehmensverkaufs haben die beiden geprüft, aber schnell wieder verworfen. „Wir haben unsere Mitarbeiter schon immer als den tragenden Teil unseres Unternehmens gesehen und wichtige Entscheidungen mit ihnen zusammen demokratisch getroffen“, sagt Dietrich Hassmann. Schon häufig er habe er über die Rechtsform Genossenschaft nachgedacht, doch erst die Nachfolgefrage gab den Ausschlag zur Umfirmierung. „Jeden Tag aufs Neue entscheiden die Köpfe, die bei Jacom arbeiten, mit Initiativen und Ideen über den Erfolg des Unternehmens“, sagt Hassmann. Er beendet seine Sätze meist mit einem Lachen. Dann bilden sich hinter seiner weinroten Brille um seine Augen Fältchen: „Wir wollen, dass sich alle ihres Arbeitsplatzes sicher sind und sich dafür selbst einsetzen.“ Im Internet informierte sich der Unternehmer über die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft und entdeckte die Produktivgenossenschaft. Darin sind die Mitglieder sowohl Mitarbeiter als auch Unternehmer. Sie führen die Geschäfte, tragen das betriebliche Risiko gemeinsam und teilen sich den Unternehmens gewinn. Von dieser Idee sind Janik und Hassmann angetan. Im Herbst 2013 schlugen sie den Mitarbeitern den Weg in die Produktivgenossenschaft vor. „Ich fand die Idee neu und gut, weil sie die Vorteile des unternehmerischen Anteils eines Genossenschaftsmitglieds mit den Vorzügen einer festen Anstellung verbindet. Damit waren alle Beteiligten zufrieden und die Nachfolgefrage geklärt“, sagt Christian Zax. Er arbeitet seit über zehn Jahren bei dem IT-Dienstleister, hat gerne früh Verantwortung übernommen und sich persönlich sehr stark eingebracht, wie Hassmann bestätigt. Nach der Beratung durch den BWGV zeigte sich, dass der Aufwand, die Genossenschaft zu gründen, keine große Hürde darstellte. „Die einzubezahlende Einlage konnte sich jeder Mitarbeiter leisten“, erklärt Mitgründer Hassmann. Im Dezember 2013 fand die Gründungsversammlung statt.

Mitarbeiter werden Vorstände

Dietrich Hassmann ist von der Idee begeistert, durch eine Produktivgenossenschaft Mitarbeiter im Unternehmen partizipieren zu lassen.
Dietrich Hassmann ist von der Idee begeistert, durch eine Produktivgenossenschaft Mitarbeiter im Unternehmen partizipieren zu lassen.

Zax und sein Kollege Sebastian Gramlich wurden in den Vorstand der Fünf-Mann-Genossenschaft gewählt. „Gefühlt macht es keinen Unterschied, ob ich Vorstand bin“, sagt Zax. Er habe schon vorher ein Mitspracherecht gehabt, da sei es ein gutes Gefühl, auch formal Mitunternehmer zu sein. Zax sitzt auf dem blauen Sofa im Eingangsbereich des offenen Bürobereichs von Jacom Systemhaus. 2009 wurde das Unternehmen für nachhaltiges Wirtschaften zertifiziert. Im Herbst zieht der IT-Dienstleister in ein neues Bürogebäude mit Passivhausstandard in der Heidelberger Bahnstadt. Nachhaltigkeit ist Hassmann wichtig und es spart Kosten, denn das Ziel der Genossenschaft ist es, sich im schwierigen IT-Markt zu behaupten, Arbeitsplätze zu sichern und auszubauen. Jährlich soll ein Genossenschaftsmitglied, also Mitarbeiter, hinzukommen. „Die Kunden haben sehr positiv auf die Nachricht reagiert, dass wir jetzt eine Genossenschaft sind, für sie ändert sich nichts und für uns ist es eine gute Lösung“, sagt Zax.

 „Bist du verrückt?“ – „Nein.“

Die Reaktionen aus dem Bekanntenkreis des Mitgründers Hassmanns waren teils kritischer. „Du kannst doch nicht dein Unternehmen hergeben“, sagten beispielsweise befreundete Unternehmer. Hassmann entgegnete ihnen daraufhin, dass er weiterhin ein Teil davon sei. „So sichere ich mir auch für später meinen Arbeitsplatz. Ich kann solange ich und die anderen wollen hier mitwirken“, sagt er. Manchmal müsse er sich zurücknehmen, wenn er eine Anweisung gebe. Aus dem Chef ist ein Kollege geworden. Alle Genossenschaftsmitglieder bekommen das gleiche Gehalt. Dass er weniger verdient, stimmt ihn nicht missmutig: „Klar haben Volker Janik und ich jetzt ein bisschen weniger Geld in der Tasche, aber meine Mitarbeiter haben jahrelang für uns gearbeitet, jetzt können wir etwas zurückgeben.“ Er ist sich sicher, dass das IT-Unternehmen noch effizienter wird, bessere Geschäfte macht und die Gehälter steigen werden. Die Genossenschaftsmitglieder entscheiden gemeinsam über das Finanzielle. „Zusammen haben wir auch entschieden, dass wir nicht in kleinere Büros als jetzt ziehen wollen, obwohl wir mehr Miete zahlen müssen – dafür fühlen wir uns am Arbeitsplatz wohler“, sagt Hassmann. Er hat seit Dezember mehr Freizeit und Freiheit. Seine Frau freue sich, ihn öfter zu sehen. Früher habe er auch nachts und am Wochenende gearbeitet. Er erzählt, dass er zuletzt ein verlängertes Wochenende in Berlin mit seiner Frau verbracht hat. Ob er keine Probleme mit dem Loslassen und Geschäft abgeben gehabt habe? Er lacht: „Ich bin eher ein Typ, der gerne teilt und nicht alles an sich reißt oder rafft. Außerdem ist jetzt alles für die Zukunft des Unternehmens geregelt.“

Von der Genossenschaftsidee begeistert

In seinem Heimatort Bammental ist Dietrich Hassmann als Vorstand im Gewerbeverein aktiv. Die Gewerbetreibenden arbeiten gerade an einem Konzept für eine eigene Tauschwährung. Der Unternehmer will die Genossenschaftsidee in den Ort tragen und plant beispielsweise einen Informationsabend zum Genossenschaftskonzept. „Wir haben rund 200 Unternehmen im Ort und es gibt viele Beispiele von Einzelhändlern, bei denen die Genossenschaftsidee – ob für den Geschäftsalltag oder eine Nachfolgeregelung – greifen könnte“, sagt er. Die Idee, Mitarbeiter partizipieren zu lassen, begeistert ihn. Gerade ist er dabei, ein Fahrradfachgeschäft als Genossenschaft zu gründen. Fahrradfahren sei nachhaltig und er will den Mitgliedern damit das Recht auf einen altersgerechten, selbstbestimmten Arbeitsplatz sichern.

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