Cooperatives Europe mit Sitz in Brüssel vertritt mittels seiner 80 direkten Mitglieder aus 32 europäischen Ländern die Interessen von 160.000 Genossenschaften. Gleichzeitig wird auch Werbung für das genossenschaftliche Unternehmensmodell in Europa gemacht. Zu den deutschen Mitgliedern von Cooperatives Europe zählt neben zwei anderen Organisationen der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV). Der politische Schwerpunkt der Arbeit von Cooperatives Europe liegt zuerst einmal darin, für ein besseres Verständnis des genossenschaftlichen Unternehmens- und Wirtschaftsmodells bei den EU-Institutionen zu werben. Die Realisierung des europäischen Genossenschaftsstatuts zwischen 2004 und 2007 hat zur besseren Anerkennung von Genossenschaften auf europäischer Ebene beigetragen. Im Zuge der europäischen Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise hat das Interesse an alternativen Unternehmensmodellen mit langfristiger Ausrichtung deutlich zugenommen. Dadurch begünstigt, arbeitet Cooperatives Europe heute an drei politischen und praktischen Schwerpunkten (eine sogenannte „Cooperative Roadmap“) mit der EU- Kommission, um Genossenschaften besser zu fördern. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe arbeitet zurzeit an einem ersten Konzept, wie Genossenschaften besser im Bildungssystem berücksichtigt werden können. Hier wird zum Beispiel der verstärkte Austausch von Genossenschaftsunternehmern mittels des „Erasmus+“-Programms als erste Aktion in 2015 anvisiert.
Schwerpunkt Finanzierung von Genossenschaften
Zweiter Themenschwerpunkt ist das Thema „Finanzierung von Genossenschaften“, welches gerade für Genossenschaften in Südeuropa ein enormes Problem darstellt. Allerdings geht es auch allgemein um das Problem, Alternativen zu Fremdkapital- und Kapitalmarktfinanzierungen zu entwickeln. Schließlich geht es auch um die bessere Verknüpfung der nationalen genossenschaftlichen Unterstützungsverbände und -vereine in europäische Unternehmensnetzwerke zur Förderung von Firmengründungen.
Förderung von Kooperationen zwischen Mitgliedern
Neben der politischen Interessenvertretung liegt ein weiterer Schwerpunkt von Cooperatives Europe in der Förderung von Kooperationen zwischen Mitgliedern. So arbeiten mehrere nationale Verbände zusammen, um Genossenschaften international zu unterstützen, insbesondere in Afrika und Lateinamerika. Mehrere Mitglieder tauschen sich bei der Förderung neuer Genossenschaften aus, wie zum Beispiel im Bereich Erneuerbare Energie. Großes Interesse besteht darin, ein Frühwarnsystem für Genossenschaften zu entwickeln, um über relevante EU-Gesetzesinitiativen rechtzeitig informiert zu werden, wie auch über interessante EU-Programme. Die jährliche Mitgliederversammlung bietet eine erste Gelegenheit für Mitglieder und Genossenschaften, sich über gemeinsame Themen auszutauschen und diese gegebenenfalls in spezifischen Arbeitsgruppen auf europäischer Ebene umzusetzen. Die nächste Versammlung findet am 23. und 24. April 2015 in Paris statt.
Weg für eine generelle Genossenschaftspolitik noch weit
Der Weg für eine generelle Genossenschaftspolitik und Förderung in der EU ist noch weit. Großunternehmen und Aktiengesellschaften dominieren die EU-Gesetzgebung. Die Umsetzung einer differenzierteren EU-Politik, die sowohl die wirtschaftliche Bedeutung wie insbesondere auch die gesellschaftliche Wirkung der unterschiedlichen Unternehmensmodelle berücksichtigt, wird wohl noch Zeit brauchen. Trotzdem sind die Themen Mitgliederbestimmung und Kollektivbesitz bei Genossenschaften in der heutigen politischen Debatte aktueller denn je, insbesondere bei der jüngeren Internet-Generation. Dies bietet eine einmalige Chance für Genossenschaften, um Europa – wie bereits vor 150 Jahren – aus der Krise zu führen. Dazu bedarf es allerdings einer starken europäischen Genossenschaftsvertretung, die optimal mit den nationalen, regionalen und sektoriellen Strukturen verbunden ist. Vor allem aber wird es notwendig sein, Partnerschaften mit Organisationen (Unternehmen, öffentlichen Institutionen oder Bürgerinitiativen), welche die gleichen Werte teilen, einzugehen. Europa braucht starke, regional verankerte Unternehmen, welche die Probleme der heutigen Zeit lösen können. Genossenschaften sollten diese Chancen, die ihnen Europa heute bietet, nutzen.