Um die Klimaschutzziele zu erreichen und den Umstieg auf regenerative Quellen voranzubringen, muss der Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich beschleunigt werden. Neben einem starken Ausbau der Photovoltaik (PV) auf Dachflächen ist daher auch ein Ausbau von PV-Anlagen auf Freiflächen erforderlich. Hierzu wurden im Klimaschutzgesetz Baden-Württemberg zwei Prozent der Landesflächen für Windkraft und PV-Freiflächenanlagen als Mindestflächenziel festgelegt. Viele Kommunen und Gemeinden stehen jetzt vor der Aufgabe, diese Potenziale vor Ort zu heben und aufgrund der jüngsten Gesetzesanpassungen kommen die Projektentwickler für PV-Freiflächenanlagen schon direkt auf viele Landbesitzer und Kommunen zu.
Diese PV-Projekte bieten sowohl für neue als auch für bestehende Energiegenossenschaften die Chance, Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien zu tätigen. Allerdings stellt die Umsetzung solcher Projekte gerade für kleinere Energiegenossenschaften Hürde dar, da es sich hier um eine Investition im Millionenbereich handelt. Bei vielen Energiegenossenschaften würde sich damit ihre Größe schlagartig verzehnfachen. Um solche Projekte dennoch komplett in Bürgerhand zu behalten und nicht an große Projektierungsunternehmen zu geben, wurde im April 2023 unter dem Namen “BürgerProjektGemeinschaft” eine neue und einzigartige Gemeinschaft gründet. Neun Energiegenossenschaften (darunter die EnerGeno Heilbronn-Franken eG, die HEG Heidelberger Energiegenossenschaft eG und die BürgerEnergieGenossenschaft Kraichgau eG) haben sich mit ihrer Dachgenossenschaft, der Bürgerwerke eG (Heidelberg), zusammengefunden, die jetzt bundesweit PV-Freiflächenanlagen umsetzt. Der Zusammenschluss soll damit insbesondere die regionale Wertschöpfung stärken. Dabei kommt auch in dieser Hinsicht wieder das genossenschaftliche Prinzip zu tragen: Was allein nur schwer gelingt, wird gemeinsam möglich. Das bislang erfolgreich erprobte Modell bei den Bürgerwerken soll durch die BürgerProjektGemeinschaft jetzt im Bereich PV-Projektentwicklung fortgesetzt werden.
Lokale Bürgerenergiegenossenschaften werden während Planungsprozess unterstützt
Wie genau das Modell der BürgerProjektGemeinschaft abläuft, erklärt Fabian Stoffel, PV-Freiflächenentwickler bei den Bürgerwerken. „Wir prüfen diese Flächenvorschläge auf ihre Eignung und wenn alles passt, schließen wir gemeinsam mit der lokalen Bürgerenergiegenossenschaft vor Ort und den Flächeneigentümern einen Pachtvertrag ab“. Danach, so Stoffel weiter, fange der oft langwierige Prozess zur Entwicklung der Baurechte an. „Für die meisten Projekte ist eine sogenannte Bauleitplanung und eine Anpassung der Flächennutzungspläne erforderlich. Wir kümmern uns um alle nötigen Gutachten und um die Koordination zwischen Behörden und Fachplanern. So machen wir es möglich, dass die lokale Bürgerenergiegenossenschaft schließlich die PV-Anlage bauen darf.“ Entlang des gesamten Planungszeitraums unterstützt die Geschäftsstelle der Bürgerwerke mit Know-how und Personal. Abhängig von den konkreten Anforderungen vor Ort dauert so ein Planungsprozess in der Regel zwei bis drei Jahre. Dabei ist es dem Team der Bürgerwerke wichtig, die Kriterien der „Guten Planung“ von PV-Freiflächenanlagen vom Bundesverband Neue Energiewirtschaft einzuhalten. Auf diese Weise ist auch sichergestellt, dass die Anlagen zu einer ökologischen Aufwertung und zu einer Erhöhung der Biodiversität führen.
Wertschöpfung soll vor Ort bleiben
Ein besonderes Augenmerk legt die BürgerProjektGemeinschaft darauf, dass möglichst viel Wertschöpfung vor Ort bleibt. Einerseits bei der lokalen Genossenschaft und damit möglichst vielen Menschen und Investoren vor Ort, andererseits durch die Beauftragung ortansässiger Planungsbüros und Handwerksbetriebe, wo das möglich ist. Auf diese Weise profitieren auch Kommunen, denen bei der Nutzung von Flächen auf ihren Gemarkungen an einer möglichst großen Teilhabe ihrer Bürgerinnen und Bürger gelegen ist.
Mit der gemeinschaftlichen PV-Freiflächenentwicklung wird Zukunftsfähigkeit gleich doppelt zum Thema: Zum einen wird natürlich die dringend nötige Energiewende zur Bekämpfung der Klimakrise vorangebracht. Zum anderen geben große – und damit in der Tendenz lukrativere – Projekte den Genossenschaften die Möglichkeit, von der in vielen Regionen rein ehrenamtlichen Arbeit zunehmend ins Hauptamt zu kommen und für ihre wichtige Arbeit vor Ort Mitarbeitende einzustellen. So entstehen Arbeitsplätze und Grundlagen für weitere Initiativen und Energiewende-Projekte vor Ort.
Erste Pachtverträge unterschrieben
Nach dem Start im April 2023 gibt es jetzt schon eine erste sehr gute Bilanz. Das Geschäft ist sehr gut angelaufen und mittlerweile wurden erste Pachtverträge für insgesamt rund 20 Hektar Fläche unterschrieben. Weitere Interessensbekundungen treffen laufend ein. „Wenn es weiter so gut läuft, geht eines der ersten Projekte schon 2024 in den Bau“, freut sich Projektentwickler Stoffel. „Das gibt uns viel Motivation und die berechtigte Hoffnung, dass wir mit der BürgerProjektGemeinschaft in den kommenden Jahren einen großen Beitrag zum Ausbau der Solarenergie in Bürgerhand leisten werden.“
Bürgerwerke eG – gemeinsam anspruchsvolle Projekte umsetzen
Das gemeinschaftliche Modell im PV-Freiflächenbereich folgt den bisherigen Prinzipien, die die Bürgerwerke eG seit Jahren antreibt. Im großen Zusammenschluss sollen gemeinsam große und anspruchsvolle Projekte umgesetzt werden. Mittlerweile sind die Bürgerwerke zu einem bundesweiten Zusammenschluss von über 100 Mitgliedsenergiegenossenschaften zusammengewachsen. Wie bei der gemeinsamen Ökostrom-Lieferung unter dem Markennamen „Bürgerstrom“ oder bei der Installation von E-Ladesäulen im „BürgerLadenetz“ bündelt die Geschäftsstelle der Bürgerwerke das nötige Know-how für ein Energiewende-Thema in ihrer Geschäftsstelle und ermöglicht Risikoteilung im Zusammenschluss.