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Stromverkauf über den Gartenzaun

Modell für die Ausgestaltung des Energy Sharings in Deutschland
BWGV

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Erneuerbare Energien im Strombereich gemeinschaftlich zu erzeugen und zu verbrauchen, ist der große Traum vieler Energiegenossenschaften. Beim Energy Sharing schließen sich mehrere regionale Stromverbraucher zu einer Bürgerenergiegesellschaft, wie etwa einer Energiegenossenschaft, zusammen und betreiben auf lokaler Ebene eine oder mehrere Erneuerbare-Energien-Anlagen. Dabei versorgt sich die Gemeinschaft über das öffentliche Netz direkt aus ihren eigenen Anlagen. Mitglieder dieser Gesellschaft können Privatpersonen, Kommunen oder regionale Unternehmen sein, die alle einen entsprechenden Energiebedarf haben. Beteiligte Mitglieder könnten im Modell der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften den produzierten Strom aus ihren eigenen Anlagen nicht nur selbst nutzen, sondern auch an benachbarte Verbraucher weitergeben. Zudem würde dann auch der Anreiz für alle Mitglieder bestehen, ihren Verbrauch an den gemeinsam betriebenen Anlagen auszurichten. Wichtig dabei ist der enge zeitliche enge Bezug des Verbrauchs zum produzierten Strom. 

Grundlage und Grundidee des Energy Sharings

Zwar fehlt in Deutschland noch die rechtliche Grundlage für ein solches Vorhaben. Allerdings machen unsere europäischen Nachbarn vor, wie ein solches Konzept in der Praxis umgesetzt werden kann. In Österreich und Italien sind gemeinschaftliche Versorgungsmodelle schon möglich. Grundlage und Grundidee des Energy Sharings ist die Erneuerbare-Energien-Richtlinie, die bereits seit 2019 veröffentlicht wurde und dort von „renewable energy communities“ (REC) spricht, also von Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften. Zwar wurde in der Richtlinie eine Umsetzungsfrist bis Mitte 2021 verankert, bislang ist es allerdings immer noch nicht möglich, dass sich entsprechende Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften bilden und wirtschaftlich arbeiten können. Die Grundidee des Energy Sharings ist es, ein attraktives Angebot für Menschen zu machen, die in der Nähe von Erneuerbaren-Energien Anlagen leben. Dabei sollen sie direkt von den gemeinsamen Anlagen profitieren, indem ein vergünstigter regionaler Stromtarif umgesetzt wird. Wichtig ist dabei die betriebswirtschaftliche Grundlage, denn mit der Vergünstigung ergeben sich volkswirtschaftliche Gewinne, die vor allem aus dem besseren regionalen Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch resultieren.

Die Mehrkosten, die für die Abwicklung von Energy Sharing entstehen, liegen im Bereich der Steuerung zwischen der Erzeugung und dem Verbrauch, höheren Ausgleichsenergiekosten als auch dem Marktwertverlust der beteiligten Erneuerbaren Energien. Die Steuerung des Zusammenkommens von Erzeugung und Verbrauch könnten Bürgerenergiegesellschaften vor Ort übernehmen und selbst oder mit Hilfe von Dienstleistern umsetzen.

Damit vor Ort ein wirtschaftlich tragfähiges Angebot entsteht, bedarf es entweder einer entsprechenden Senkung der Stromnebenkosten (Steuern, Abgaben) oder einer externalisierten Ausgleichszahlung für den Energy-Sharing-Anteil.

Nachbarländer machen es vor 

Schaut man in einige europäische Nachbarländer, so wurde hier der finanzielle Anreiz für Energy Sharing mittels einer Prämie umgesetzt. In Italien erhalten Anlagenbetreiber neben der hier in Deutschland auch üblichen Marktprämie für Erneuerbare-Energien-Anlagen eine Energy-Sharing-Prämie in Höhe von 11 Cent für jede innerhalb der Gemeinschaft erzeugte und verbrauchte Kilowattstunde. Damit könnte dieses Modell auch in Deutschland funktionieren, vor allem weil die EU-Kommission diese „Förderung“ beihilferechtlich genehmigt hat. Ziel in der Gemeinschaft vor Ort wird es dann sein, den Energy-Sharing-Anteil so hoch wie möglich zu gestalten. Der Verbrauch sollte genau in den Zeiten stattfinden, wo die Anlagen vor Ort die größten Strommengen erzeugen. Dieser Ansatz, den aktuell viele private PV-Besitzer umsetzen, soll damit mittels Energy Sharing in direkter Nachbarschaft über den Gartenzaun fortgeführt werden. Damit würden sogar die Menschen vor Ort belohnt, die ihren Verbrauch an der momentanen Erzeugung vor Ort ausrichten.

Insgesamt knüpft Energy Sharing an mehreren Stellen an die Ziele der Energiewende an und wirkt so gleich mehrfach vorteilhaft. Mit dem immer schneller wachsenden Anteil von Solar- und Windstrom steigt auch die Relevanz flexibler Lasten, die in Zeiten hoher Solar- und Windeinspeisung verschoben werden. Im Verteilnetz entstehen durch die Elektrifizierung des Mobilitäts- und Wärmebereichs jährlich hunderttausende Ladepunkte, Wärmepumpen und Speicher. Durch das aktuelle Energiemarktdesign fehlen allerdings die Anreize für Verbraucherinnen und Verbraucher, sich an der Verfügbarkeit von Sonne und Wind zu orientieren und so einen Beitrag zur Entlastung von Verteilnetz und Gesamtsystem zu leisten. Mittels Energy Sharing werden Verbraucher vor Ort zu Prosumern (gleichzeitig Produzent und Verbraucher), indem sie in Bürgerenergiegesellschaften, wie Energiegenossenschaften, Strom aus Erneuerbaren-Energien-Anlagen erzeugen und diesen gemeinsam nutzen. Damit entsteht eine direkte Bindung zu den Anlagen, indem in der Wahrnehmung noch deutlicher wird, dass dort der Strom für die Umgebung produziert wird. Die Akzeptanz für die Energiewende und den Bau neuer Anlagen wird mittels der gemeinsamen Teilhabe an einer Stromgemeinschaft gestärkt. Über die Orientierung des regionalen Stromverbrauchs können zudem durch Energy Sharing regionale Preissignale gesetzt werden, sodass über das erneuerbare Stromangebot ein Flexibilitätsanreiz gesetzt wird. Energy Sharing wirkt damit nicht nur marktentlastend, sondern auch regional netzentlastend.

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