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Zocker oder Spießer? So ticken die Wertpapiersparer– Interview mit Union Investment

Wertpapiersparen
segowax/pixelio.de

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Im Auftrag von Union Investment hat das Marktforschungsinstitut Kantar 2.000 Sparer in Deutschland, die Wertpapiere und Aktien besitzen, zu ihrer Risikoneigung und ihrem daraus resultierenden Sparverhalten sowie zu ihrer Motivation und ihren Herangehensweisen befragt. Die Ergebnisse zeigen einerseits, dass ein Großteil der Anleger trotz vorhandener Erfahrungen mit Wertpapieren und Aktien extrem vorsichtig agiert und bei der eigenen Geldanlage vor allem die Risiken im Blick hat. Die Geno-Graph Redaktion hat mit Giovanni Gay, Geschäftsführer bei Union Investment, über die Ergebnisse gesprochen.

Herr Gay, die Mehrheit der Wertpapier- und Aktienbesitzer bezeichnet sich als wachstumsorientiert. Welche Erkenntnisse hält die Studie zu dieser Gruppe von Sparern bereit?

Ja, die größte Gruppe, genau genommen die Hälfte der Wertpapiersparer, bezeichnet sich mit Blick auf die eigene Risikoneigung bei der Geldanlage als wachstumsorientiert. Sie sind bereit, überschaubare Risiken für begrenzte Ertragschancen einzugehen. Beinahe neun von zehn Befragten, die sich selbst so einschätzen, besitzen Investmentfonds. Gut jeder Dritte hat einen Bausparvertrag sowie eine oder mehrere Kapitallebensversicherungen. 36 Prozent haben zudem vier bis zehn Einzelaktien im Depot. Der Anteil von Aktien und Fonds beträgt bei rund der Hälfte der wachstumsorientierten Wertpapiersparer weniger als ein Viertel des gesamten Vermögens. An den wachstumsorientierten Anlegern lässt sich die Evolution des Sparens gut ablesen: Zwar halten sie weiter an den gewohnten Geldanlagen fest, nutzen aber auch chancenreiche Anlageformen, auch wenn sie meist nur einen kleineren Teil der Ersparnisse dafür einsetzen. Insofern ist hier noch weiter Luft nach oben. 

Wie schätzen sich die anderen Befragen ein?

Die zweitgrößte Gruppe unter den Wertpapiersparern sind diejenigen, die sich selbst als konservativ bezeichnen, ein Viertel der Befragten hat so geantwortet. Für sie steht der Werterhalt der eigenen Ersparnisse klar im Vordergrund. 

Mit welchen Anlageformen sparen die Konservativen?

Zwei Drittel von ihnen besitzen Investmentfonds. Aber es finden sich daneben häufig auch Bausparverträge und Tagesgeld. Ein Viertel traut sich an Einzeltitel heran. Aktien und Investmentfonds machen allerdings bei den meisten konservativen Sparern weniger als 25 Prozent des gesamten Vermögens aus. Lediglich jeder fünfte Befragte hat mehr als ein Viertel seines Vermögens auf diese Weise angelegt. 

Knapp 20 Prozent der Befragten hält sich für renditeorientiert. Wie verhalten sich diese Sparer mit Blick auf ihre Geldanlage?

Ja, das stimmt. Jeder fünfte Befragte hält sich für renditeorientiert. Eine weitere, mit vier Prozent jedoch recht kleine Gruppe schätzt sich selbst als spekulativ ein. 

Diesen beiden Gruppen fällt es leichter, sich auf dem Börsenparkett zu bewegen. Ihr Mix aus verschiedenen Geldanlagen ist wesentlich variantenreicher als bei den konservativen und renditeorientieren Sparern. Und so ist es nicht verwunderlich, dass sie auch den größten Anteil an Aktien und Fonds im Depot haben: Zwei Drittel der renditeorientierten Befragten geben an, dass ihr Finanzvermögen zu mehr als 25 Prozent aus wertpapier- und aktienbasierten Anlagen besteht. Damit liegen sie etwas über dem Niveau der spekulativen Anleger, bei denen rund 64 Prozent mehr als ein Viertel ihres Vermögens in Aktien und Fonds angelegt haben. Die spekulativen Anleger sind allerdings tendenziell eher bereit, sehr hohe Risiken einzugehen. Denn ihr Fokus liegt auf risikoreichen Anlagen: 43 Prozent besitzen Kryptowährungen und acht Prozent trauen sich an Derivate heran. Zudem halten 70 Prozent Einzeltitel. 

Gibt es unter den verschiedenen Gruppen Gemeinsamkeiten?

Ja, die gibt es: Investmentfonds haben fast alle Befragten im Depot, genauer neun von zehn. Gut die Hälfte aller befragten Fondsbesitzer investiert in aktiv gemanagte Fonds, etwas mehr als ein Drittel besitzt ETFs (Exchange Traded Funds). Allerdings nutzen die meisten diese lediglich zur Beimischung: Nur bei 15 Prozent der ETF-Besitzer machen ETFs mehr als 50 Prozent des Fondsvermögens aus. Unabhängig davon, ob die Befragten aktive oder passive Investmentfonds im Depot haben: Die Mehrheit verbindet sie mit einem Sparplan und investiert ratierlich. Unter den Spekulativen sind es sogar 79 Prozent, bei den Konservativen hingegen mit 54 Prozent deutlich weniger.

Sie haben die Wertpapiersparer auch nach ihren Emotionen rund um das Thema Geld und Finanzen befragt. Wie sehen hier die Ergebnisse aus?

Gut acht von zehn Befragten, die sich als spekulative Anleger bezeichnen, verbinden das Thema Geldanlage mit Optimismus beziehungsweise Vorfreude. Gleichzeitig findet sich unter ihnen mit 22 Prozent aber auch der größte Anteil an Personen, die mit dem Thema Geldanlage so etwas wie Druck verbinden. Auch bei denen, die sich als renditeorientiert bezeichnen, ist Optimismus respektive Vorfreude die stärkste Emotion. Stärker als andere verbinden sie Stolz mit ihrer Geldanlage, aber auch Spaß spielt eine Rolle.

Wie fällt die emotionale Bilanz bei konservativen und wachstumsorientierten Sparern aus?

Ganz anders und nicht so positiv: Jeder dritte Befragte, der sich als konservativer Sparer einschätzt, fühlt sich überfordert, fast die Hälfte assoziiert Pessimismus und Verlustrisiken mit der Geldanlage, jeden zehnten nervt das Thema sogar. Bei denen, die sich als wachstumsorientierte Sparer einstufen, ist das Bild noch differenzierter: Sie haben zwar mehr positive Emotionen als die konservativen, aber dafür auch mehr negative als renditeorientierte oder spekulative Anleger. So empfinden 55 Prozent von ihnen beim Gedanken an das Thema Aktien beziehungsweise Wertpapiere Optimismus und Vorfreude, beinahe genauso viele Interesse. Aber der Anteil von Pessimismus, Unsicherheit und Überforderung ist annähernd doppelt so hoch wie bei den renditeorientierten Sparern.

Die Befragung zeigt auch, dass Beratung weiterhin einen großen Stellenwert hat. 

Das ist richtig und gilt insbesondere für die konservativen und wachstumsorientierten Sparer, bei denen jeweils knapp 60 Prozent die Beratung als wichtigste Informationsquelle nennen. Diese Ergebnisse zeigen, dass viele Sparer unsicher sind, was im aktuellen Umfeld mit ungewohnt hoher Inflation, der aktuellen Zinsentwicklung und dem Auf und Ab an den Kapitalmärkten nur allzu verständlich ist. Eine Bankberatung kann dabei helfen, die individuell passenden Lösungen sowohl für die Gefühlslage als auch das Depot zu finden und Chancen auf eine angemessene Rendite zu nutzen. 

Wie zufrieden sind die Befragten mit der Wertentwicklung ihrer Geldanlage?

Die meisten Sparer bringen die erforderliche Geduld für einen langfristigen Vermögensaufbau mit und assoziieren zudem Langfristigkeit mit der Geldanlage. Nicht einmal jeder Dritte erwartet etwa bei Aktien rasche Gewinne. Dabei gibt es aber Ausnahmen: Denn immerhin 44 Prozent der spekulativen Anleger setzen auf das schnelle Geld. Die ambitionierten Erwartungen dieser Gruppe werden aber nicht immer erreicht. Befragt danach, wie glücklich sie mit der Wertentwicklung ihrer Anlage sind, zeigt sich jeder dritte spekulative Sparer unzufrieden. Unter den anderen Sparertypen ist das nur etwa jeder Fünfte. Übermäßiger Aktionismus in Form von rein spekulativen Investments birgt also genauso viel Frustrationspotenzial wie starke Passivität. Eine ausgewogene Vermögensstruktur sowie ein passender Zeithorizont helfen dabei, nachhaltig Rendite zu erwirtschaften.

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