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Wo Genossenschaften zudem Zukunft gestalten können

Zukunftsfelder Genossenschaften
FSTI

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In den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren haben sich die Betätigungsfelder von Genossenschaften ergänzend zu den vorhandenen Geschäftsmodellen deutlich erweitert. Oft waren gesetzliche Änderungen Auslöser für neue genossenschaftliche Ideen, aber auch der gesellschaftliche Wandel hatte großen Einfluss auf das Gründungsgeschehen. Am Beispiel der Energiegenossenschaften wird dies besonders deutlich, gab es doch im BWGV vor 2010 nur rund eine gute Handvoll Energiegenossenschaften. Mit Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) haben sich neue Möglichkeiten ergeben, die mit dem gesellschaftlichen Wunsch nach Teilhabe dazu geführt haben, dass der BWGV mittlerweile rund 150 Energiegenossenschaften zu seinen Mitgliedern zählt. Der Erfolg dieser bürgergetragenen Genossenschaften hat zudem maßgeblich dazu beigetragen, dass Genossenschaften als Rechts- und Unternehmensform zunehmend auf für andere Geschäftsmodelle mit Beteiligung der Bürgerschaft in Betracht gezogen wurden, seien es Dorfläden, Gasthäuser oder Schwimmbäder. Bürgergenossenschaften sind somit in der Breite der Gesellschaft verankert und kommen vorwiegend dort zum Einsatz, wo bisherige Strukturen noch nicht, nicht mehr oder nicht in der gewünschten Qualität zur Verfügung stehen. Die Bürgerschaft kümmert sich sozusagen selbst um das Angebot, das sie nachfragen möchte. Aber auch im beruflichen Kontext haben sich durch Änderungen der (meist gesetzlichen) Rahmenbedingungen Betätigungsfelder für Genossenschaften entwickelt. Genossenschaften von Ärzten sind hier ein gutes Beispiel. In diesem Feld haben sich einige Zusammenschlüsse von Ärzten gegründet, mit der Intention, gemeinschaftliche Abrechnungen gegenüber den Krankenkassen vorzunehmen. Daraus entwickelten sich weitergehende Netzwerke, die beispielsweise den gemeinsamen Einkauf, Bildungstätigkeiten, Interessenvertretung und Vertretungsregelungen bei Notdiensten zum Inhalt haben.

Schließlich haben auch Änderungen im Genossenschaftsgesetz ihren Beitrag zu neuen Tätigkeitsfeldern für Genossenschaften geleistet. So sind nun beispielsweise auch soziale oder kulturelle Förderzwecke möglich, die Mitwirkung von Kommunen ist erleichtert, kleine Genossenschaften bis maximal 20 Mitgliedern können auf den Aufsichtsrat verzichten und ehrenamtlichen Vorständen und Aufsichtsräten werden in Sachen Haftung gewisse Privilegien zugestanden. Alle genannten Punkte haben dazu beigetragen, dass Hürden und Hemmnisse abgebaut wurden und sich so neue Formen von Genossenschaften einfacher durchsetzen konnten.

Betätigungsfelder mit Potenzial

Mit genossenschaftlich getragenen Quartierskonzepten und genossenschaftlichen Datengenossenschaften ist der BWGV im Rahmen von geförderten Pilotprojekten in zwei Zukunftsfeldern bereits aktiv. Genossenschaftlich getragene Quartierskonzepte ergänzen das Wohnen um Angebote und Dienstleistungen, die Mehrwerte für die Bewohner erzeugen, zum Beispiel durch gemeinsame Infrastrukturen, Mobilitätskonzepteund ergänzende Versorgungsstrukturen. 

Zum Beispiel Datengenossenschaften

Datengenossen schaffen ihren Mitglieder Vertrauensräume, innerhalb derer die Hoheit über die eigenen Daten gewahrt bleibt und dennoch Mehrwerte aus der Datennutzung entstehen. Beispielsweise können die Mitglieder einer solchen Genossenschaft Prozess- und Zustandsdaten zu geklärten Bedingungen und zum gegenseitigen Vorteil nutzen, um ihr eigenes Angebot anhand der gewonnenen Daten zu optimieren. Erste Ergebnisse zeigen das Potenzial der Rechtsform in diesen beiden Gebieten, so dass die Übertragung auf weitere Projekte sicher folgen wird.

Zum Beispiel Gesundheitsgenossenschaften

Weitere Potenziale für Genossenschaften zeigen sich aktuell auch im Bereich der ärztlichen Versorgung, vorrangig bei der hausärztlichen Versorgung im ländlichen Raum. Im Unterschied zu den bisher anzutreffenden Ärztegenossenschaften steht nun der Betrieb von Arztpraxen im Mittelpunkt, meist in Form eines genossenschaftlich betriebenem medizinischen Versorgungszentrum (MVZ). Gerade im ländlichen Raum ist immer häufiger ein Hausärzte-Mangel zu verzeichnen, so dass die medizinischen Versorgungszentren eine Alternative zur klassischen Hausarztpraxis sein können. 

Der Vorteil ist, dass sich auch die Kommunen als gründungsberechtigte Personen eines MVZ engagieren und so attraktive Rahmenbedingungen schaffen können. Interessant ist diese Art von Arztpraxen auch für Ärztinnen und Ärzte mit Wunsch nach Teilzeit-Arbeitsplätzen und einem Angestelltenverhältnis. In Sachen Zulassungsrecht und weiterer gesetzgeberischer Anforderungen sind zahlreiche Leitplanken zu beachten, so dass sich eine fachkundige Begleitung bei der Initiierung derartiger Projekte empfiehlt. Es zeichnet sich ab, dass der Ärztemangel sich nicht nur bei den Hausärzten, sondern auch bei den Fachärzten weiterentwickeln wird. Mit den genossenschaftlich betriebenen medizinischen Versorgungszentren sind auch hierfür passende Lösungsansätze verfügbar.

Zum Beispiel in der Unternehmensnachfolge

Mangel herrscht in Teilen auch bei der Unternehmensnachfolge, sei es innerhalb oder außerhalb von Familienunternehmen. Sofern nicht nur eine Einzelperson die Nachfolge antreten möchte, bieten Genossenschaften auch in diesem Feld spannende Möglichkeiten, besonders dann, wenn es um Übernahmen durch Mitarbeitende geht. Vorteil gegenüber einer Neugründung ist, dass sich das Geschäftsmodell schon im Echt Betrieb bewiesen hat und Mitarbeitende vorhanden sind. So bietet sich die Chance, mit neuem Schwung durchzustarten. Unsere Genossenschaften mit diesem Hintergrund beweisen eindrücklich, dass genossenschaftliche Nachfolgemodelle eine tragfähige Option darstellen. 

Ähnliche Rahmenbedingungen sind in einem weiteren Potenzialfeld anzutreffen, der Umwandlung von Unternehmen mit anderer Rechtsform in eine Genossenschaft. Vorteil ist auch hier die Fortführung eines tragfähigen Geschäftsmodells, in dem dann die genossenschaftlichen Werte und Prinzipien zum Tragen kommen können, beispielsweise der einfache Mitgliederwechsel zu klar definierten Bedingungen.

Zum Beispiel verbindliche Netzwerke

In Zeiten von Strukturwandel, Preisdruck und „Mangelverwaltung“ in vielen Unternehmensbereichen kommt auch der Bedeutung von verbindlichen Netzwerken große Bedeutung zu, um durch Bündelung auf Augenhöhe mit den großen Marktteilnehmern zu kommen. Genossenschaften stellen für solche Vorhaben den passenden Rahmen zur Verfügung. Das Prinzip der Mitgliederförderung durch den gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb wird dann konsequent und nach dem Kostendeckungsprinzip an den Bedarfen der Mitglieder ausgerichtet. Damit sind auch die ursprünglichen Genossenschaftsprinzipien der Selbsthilfe und Selbstverantwortung in der Gegenwart angekommen und sorgen für Zukunftsfähigkeit der in der Genossenschaft organisierten Mitglieder. 

Wo Genossenschaft drauf steht, muss auch Genossenschaft drin sein

Viele Geschäftsideen lassen sich in Form einer Genossenschaft abbilden – aber nicht alle. Zentral ist die Umsetzung der Mitgliederförderung, die im Genossenschaftsgesetz gleich im ersten Paragraphen aufgeführt ist. Wesentlich ist auch der gemeinschaftliche Geschäftsbetrieb, der die Erreichung des Förderzwecks sicherstellen soll, mit der Nebenbedingung, dass sich der Geschäftsbetrieb wirtschaftlich trägt. Im Rahmen der Gründungsberatung durch den BWGV werden diese Punkte adressiert, beratend begleitet und in der weiteren Folge im nötigen Gründungsgutachten geprüft. Das Ziel ist es, Risiken für Mitglieder und Gläubiger so gut es geht auszuschließen, so dass die Mehrwerte für die Mitglieder in der Praxis auch erreicht werden können. 

Fazit

Die Idee der Genossenschaft ist nach wie vor hoch aktuell, gerade im Meistern von gesellschaftlichen und unternehmerischen Herausforderungen bringt sie durch die Bündelung der Kräfte große Vorteile.

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