Historisch wird der Begriff Startup, ausgehend vom Silicon Valley in den USA Anfang der 1990er Jahre, für Unternehmensgründungen vor allem im Bereich Internet, Multimedia und Telekommunikation verstanden. Meist wurde das Wachstum dieser Unternehmen unter Zuhilfenahme von Risikokapital ermöglicht. Heute ist es notwendig, den Begriff „Startup“ etwas differenzierter zu betrachten, um diesem gerecht zu werden. Auf der Suche nach einer allgemeingültigen Definition des Begriffs wird dies auch schnell deutlich. Es existiert eine Vielzahl an Definitionen und Betrachtungsweisen.
Definitionen des Begriffs „Startup“
So definiert das Gabler Wirtschaftslexikon den Begriff „Startup“ zum Beispiel als „... junge, noch nicht etablierte Unternehmen, die zur Verwirklichung einer innovativen Geschäftsidee (häufig in den Bereichen Electronic Business, Kommunikationstechnologie oder Life Sciences) mit geringem Startkapital gegründet werden und i.d.R. sehr früh zur Ausweitung ihrer Geschäfte und Stärkung ihrer Kapitalbasis entweder auf den Erhalt von Venture-Capital bzw. Seed Capital (evtl. auch durch Business Angels) angewiesen sind. Aufgrund der Aufnahme externer Gelder wie Venture-Capital ist das Unternehmen auf einen Exit angewiesen, im Zuge dessen die Kapitalgeber ihre Investments realisieren“. Die Definition im Gabler Wirtschaftslexikon legt den Fokus auf die Themen Innovation und Risikokapital und ist deutlich an die historische Bedeutung in Bezug auf die Technologieunternehmen aus dem Silicon Valley angelehnt. In der deutschen Wikipedia wird ein Startup ebenfalls eine als eine Unternehmensgründung mit einer innovativen Geschäftsidee definiert, hinzu kommt aber noch der Zusatz „mit hohem Wachstumspotenzial“. Auch der Finanzierungsaspekt wird ausführlicher thematisiert: „Die Finanzierung wird dabei häufig wegen der hohen Risiken nicht über klassische Banken organisiert, sondern über Förderbanken und innovative Finanzierungsformen wie Wagniskapital und Crowdfunding.“ Ein ganz neuer Aspekt findet sich jedoch erst gegen Ende der Definition auf Wikipedia: „Oft haben die Startups es dabei mit einem jungen oder noch nicht existierenden Markt zu tun und müssen erst ein funktionierendes, skalierbares Geschäftsmodell finden. Haben sie dieses gefunden und etabliert, gelten sie allgemein nicht mehr als Startup.“ Hier werden zwei ganz wesentliche Punkte ergänzt. Zum einen ist es der prozessuale Charakter eines Startups, also die Suche nach einem Markt und einem funktionierenden Geschäftsmodell. Zum anderen das Ende dieses Prozesses, der durch das Finden eines funktionierenden und skalierbaren Geschäftsmodells definiert ist. Dies stammt aus der neueren amerikanischen Fachliteratur und ist maßgeblich vom Unternehmer und Autor Steve Blank inspiriert, der ein Startup als „... eine temporäre Organisation auf der Suche nach einem skalierbaren Geschäftsmodell“ definiert. Einen zusätzlichen und im Hinblick auf die Rolle von klassischen Banken im Startup-Prozess wesentlichen Aspekt greift der amerikanische Autor Eric Ries auf: „Ein Startup ist eine Organisation, die ein neues Produkt oder eine neue Dienstleistung unter extremen Unsicherheit entwickeln soll.“ Völlig unzureichend ist hingegen die zumeist in der Politik und bei klassischen Institutionen der Finanzwirtschaft wie Banken oder Versicherungen allgegenwärtigen Definition eines Startups „als ein Unternehmen, dessen Gründung nicht mehr als drei Jahre zurückliegt“.
Startup ist nicht gleich Existenzgründung
Ein weiteres Problem ist, dass oftmals nicht zwischen Existenzgründung und Startup unterschieden wird. Zwar sind die meisten Startups Existenzgründungen, also der Versuch von einem oder mehreren Personen, den Lebensunterhalt aus eigener unternehmerischer Aktivität heraus zu bestreiten, jedoch ist bei weitem nicht jede Existenzgründung ein Startup. Der wesentliche Unterschied besteht im Vorhandensein (oder Nichtvorhandensein) der oben erwähnten und mit Unsicherheit behafteten Suche nach einem funktionierenden und skalierbaren Geschäftsmodell. Bei einer klassischen Existenzgründung (Restaurant, lokaler Einzelhandel, Handwerk, Arzt, Steuerberater usw.) entfällt dieser Suchprozess weitgehend, da das zugrundeliegende Geschäftsmodell schon sehr gut bekannt ist und unzählige Male am Markt validiert wurde.
Startup als „suchende Organisation“
Ein Existenzgründer im klassischen Sinne kann also ohne Probleme einen Businessplan schreiben und diesen einer Bank samt Finanzierungsgesuche vorlegen. Ein Startup hingehen weiß noch gar nicht, was es in den Business- und Finanzplan schreiben soll, da es noch auf der Suche nach dem Geschäftsmodell ist. Aus diesem Grund ist es elementar wichtig, Startups von Existenzgründungen zu differenzieren und seitens der Bank mit einem anderen Produkt- und Dienstleistungsportfolio zu begleiten. Startups sind also nicht wie oft angenommen die kleine Version eines großen Unternehmens, sie sind noch nicht einmal ein richtiges Unternehmen. Startups sind sozusagen suchende Organisationen. Ich benutze gerne das Bild eines „Kabelsalats“, um Startups zu erklären: Stellen Sie sich einen Kabelsalat vor, ein einfach hingeworfenes Kabel, das nicht ordentlich aufgewickelt wurde. Sie können keinen Plan dafür zeichnen, wie der Haufen entwirrt werden soll. Sie zupfen einmal hier, einmal dort und nach und nach mittels Versuch und Irrtum wird das Knäuel langsam entwirrt, bis das Kabel ordentlich aufgerollt werden kann. So ähnlich gehen Startups vor, bis Produkt und Geschäftsmodell gefunden sind. Wenn sie damit beginnen, den Haufen zu entwirren, wissen sie nur, dass sie ein Problem lösen wollen, wobei unklar ist, um welches Problem es sich genau handelt und welches die beste Lösung ist. Sie suchen also auch noch nach einer Idee, nach einer neuen Idee, nach einer Innovation.
Was Startups können und was nicht
Startups bestehen oft aus mehreren Gründern, aus einem kleinen Team, in dem jeder alles tut, was nötig ist und über alles informiert ist. Hierarchien gibt es ebenso wenig wie eine statische und in Einzelbereiche/Abteilungen gegliederte Struktur. Am wichtigsten ist jedoch, dass Startups anders denken als etablierte Organisationen und infolgedessen anders handeln:
- Sie denken vom Kunden aus. Sie verfügen über keine Produktionsanlagen und sonstige Güter – können sie auch gar nicht, denn sie haben in der Regel keine Ressourcen. Es reicht, den Zugriff darauf zu haben, zum Beispiel über Leasing oder Outsourcing. Das gilt übrigens auch für Mitarbeitende. Wichtig ist für Startups in erster Linie, die Kundenschnittstelle zu besetzen.
- Sie nutzen die Digitalisierung in jeder Hinsicht und wo immer sinnvoll.
- Sie verfügen über eine klare Antwort auf die Frage: „Warum soll es uns geben?”
- Sie begrenzen sich nicht. Alles ist denkbar.
- Sie streben nicht nach Perfektion, sondern sind auf Schnelligkeit bedacht, da sie nur über sehr begrenzte Ressourcen an Geld verfügen und ihnen somit wenig Zeit zur Umsetzung bleibt. Das Produkt wird gemeinsam mit den Kunden entwickelt, während es bereits (in einer unfertigen, minimalen Version) am Markt ist.
- Sie lassen Scheitern zu, begreifen Fehler als Chance, um zu lernen und somit schneller den richtigen Weg zu finden.
- Sie bewegen sich in Netzwerken, lernen von anderen und arbeiten mit anderen.
Die Merkmale, die Startups auf der organisatorischen und auf der Managementebene auszeichnen, zeigen, dass sie dafür prädestiniert sind, mit den neuen Gesetzmäßigkeiten des Digitalisierungszeitalters klarzukommen. Genau deshalb eigenen sich Startups als Vorbild für Unternehmen, die auch in 20 Jahren noch bestehen sollen. Natürlich wird hier das Idealbild eines Startups beschrieben, einem Modell, dem mit Sicherheit nicht alle Startups entsprechen. Wären alle Startups ideal, würde es keine gescheiterten geben, doch die gibt es durchaus in großer Zahl und sie lernen daraus.
Trotzdem: Wenn Sie erkannt haben, dass sich Ihr Unternehmen verändern muss, wenn Sie nicht mehr sicher sind, dass Ihr Geschäftsmodell die nächsten Jahre trägt, dann sollten wir uns die Startups und ihre Methoden unbedingt genauer anschauen.
Etablierte Unternehmen behindern sich in unsicheren Zeiten selbst
Etablierte Unternehmen behindern sich in unsicheren Zeiten selbst: Sie folgen festen Strategien, Plänen und Prozessen, sind an Besitz und Mitarbeitende gebunden, entwickeln nur bedingt vom Kunden aus, haben häufig lange Entscheidungswege, verwalten knappe Ressourcen, befinden sich in Abhängigkeit von Banken, Aktionären und anderen Stakeholdern. Bevor wir nun sagen, in unserem Unternehmen ist alles ganz anders, sollten wir über die folgenden vier Punkte nachdenken:
1. Wie lange dauert es in unserem Unternehmen zum Beispiel, um ein neues Produkt zu entwickeln? Tage, Wochen, Monate oder gar Jahre?
2. Wie hoch sind die Kosten dafür? Wie lange haben die deutschen Autohersteller gebraucht, um alltagstaugliche Elektrofahrzeuge zu entwickeln? Tesla hat ein komplett neues Auto auf den Markt gebracht, das schon lange vor allen anderen auch längere Strecken zurücklegen konnte, ohne an die Steckdose zu müssen.
3. Wenn wir heute feststellen, dass unsere Kunden mit den bisherigen Vertriebswegen nicht mehr zufrieden sind: Haben wir eine Chance, so schnell darauf zu reagieren, dass Sie neuen Wettbewerbern Paroli bieten können? Als der stationäre Buchhandel begann, Amazon als ernst zu nehmenden Konkurrenten zu betrachten, war für Amazon das Thema Buchhandel bereits abgehakt. Das Unternehmen hatte sich längst anderen Branchen zugewandt.
4. Wenn heute einer der Kunden beschließt, die Dienstleistungen, die er bisher von Ihrem Unternehmen bezog, selbst durchzuführen, sind Sie dann in der Lage, diese Lücke kurzfristig aufzufangen oder geraten Sie in Schwierigkeiten? Weshalb haben Sie nicht mitbekommen, dass es dazu kommen könnte?
Jetzt stellt sich die Frage, wie wir unsere am Markt erfolgreiches Unternehmen mit funktionierenden Produkten in eine suchende Organisation verwandeln sollen. Das können wir nicht. Ein etabliertes Unternehmen kann sich genauso wenig wie sich ein knorriger Baum in einen jungen Trieb zurückentwickeln kann, in einen Kabelsalat zurückverwandeln. Aber es kann an der einen oder anderen Stelle einen Kabelsalat zulassen und schauen, was sich daraus entwickelt – genau wie ein alter Baum neu treiben kann. Dafür bieten die Startups Methoden und Managementansätze, die dabei helfen und letztlich auch im gesamten Unternehmen angewendet werden können, um das etablierte Geschäft auf flexiblere Beine zu stellen, mit denen das Unternehmen schneller laufen kann.
Was Startups einbringen können:
- Sie arbeiten nach dem Prinzip start small, fail fast, learn faster,
- haben bahnbrechende Ideen und Innovationen,
- sie haben ein unternehmerisches Mindset,
- folgen dem Netzwerkgedanken,
- sind extrem kundenorientiert und
- setzen auf neue Technologien.
Was etablierte Unternehmen einbringen können:
- Sie verfügen über Erfahrung und Historie,
- sind finanzkräftig, haben Marke und Kundenstamm,
- Know-how und spezielle Kernkompetenzen.
- Sie sind Spezialisten in Economies of Scale und
- verfügen über Prozesse, Disziplin und Execution-Fähigkeit.
Fazit
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Startups sich wesentlich von klassischen Existenzgründungen unterscheiden und ein Start-up vielmehr als ein Prozess auf der Suche nach einem Geschäftsmodell verstanden werden kann, als es eine Organisationsform darstellt. Vor allem die Tatsache, dass dieser Prozess oft unter extremer Unsicherheit abläuft und keine üblichen Businessplanungs-Dokumente erstellt werden können, stellt die klassische Zusammenarbeit mit einer Bank vor Herausforderungen. Will sich eine Bank die Zielgruppe der Startups erschließen, sollte sie dies über ein angepasstes Produkt- und Dienstleistungsportfolio sowie von speziell ausgebildeten Beratern mit angepassten Prozessen angehen. Das Thema Startup ist jedoch nicht nur aus Perspektive der Marktbearbeitung für die Bank ein interessantes. Auch für den bevorstehenden Transformationsprozess in der Finanzindustrie können die Geldinstitute von den Vorgehensweisen und Methoden der Startups profitieren.