Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV), der Zentralverband der Deutschen Schweineproduktion (ZDS), die Deutsche Gesellschaft für Züchtungskunde (DGfZ) sowie das Tiergesundheits-Unternehmen Elanco Deutschland GmbH haben auf der landwirtschaftlichen Branchenmesse „Internationale Grüne Woche“ in Berlin Ende Januar den Bericht „Ein nachhaltiger Nutztiersektor in Europa: Eine Frage von Ernährungssicherheit, Klima und Innovation“ vorgestellt. Der ursprünglich auf Englisch verfasste Bericht „Sustainable livestock production in Europe: A question of food security, climate and innovation” wurde von einer breiten Allianz europäischer Nutztierverbände sowie Wissenschaftlern und Nichtregierungsorganisationen (NGO) erstellt. Er wurde 2016 bereits im Europäischen Parlament vorgestellt und dient dort weiterhin als Debattentreiber.
Sachliche Debatten anstoßen
Eine entsprechende Wirkung erwartet DRV-Hauptgeschäftsführer Dr. Henning Ehlers in Deutschland: „Mit den Argumenten des Berichts wollen wir Impulse liefern und sachliche Debatten anstoßen. Denn uns allen ist klar, wenn der europäische Nutztiersektor langfristig erfolgreich sein will, muss er sich nachhaltig ausrichten. Nur so können wir gesellschaftlichen Anforderungen gerecht werden und uns im Welthandel behaupten.“ Die Verfasser haben alle drei Aspekte der Nachhaltigkeit unter die Lupe genommen. So müssten Umweltgerechtigkeit, wirtschaftliche Tragfähigkeit und soziale Verantwortung gleichermaßen berücksichtigt werden. Dies führe zu fünf Handlungsfeldern, die jeweils mit konkreten Empfehlungen versehen sind:
- Den Einfluss von Nutztieren auf Umwelt und Klima verringern.
- Den Innovationsgedanken in Forschung & Entwicklung, Politik und auf Betriebsebene fördern.
- Verbesserung und Erhalt von Tiergesundheit und Tierwohl.
- Hohe Lebensstandards in der Nutztierwirtschaft sicherstellen und zugleich hochwertige Lebensmittel zu erschwinglichen Preisen erzeugen.
- Verbraucher in die Lage versetzen, Entscheidungen im Sinne der Nachhaltigkeit zu treffen.
„Interessen nicht gegeneinander ausspielen“
„Gerade die ganzheitliche Betrachtung des Wirtschaftskreislaufes macht den Bericht zu einem guten Leitbild für die Nutztierwirtschaft“, so Ehlers weiter. „Hier werden ökologische und wirtschaftliche Interessen sowie das Tierwohl nicht gegeneinander ausgespielt, sondern es wird aufgezeigt, wie sich diese sinnvoll ergänzen. Zudem verdeutlicht der Bericht, dass die deutsche und europäische Politik hierfür verlässliche Rahmenbedingungen schaffen müssen.“ Angestoßen wurde der Bericht vom Unternehmen Elanco Tiergesundheit, das sich als Partner der Tierhalter versteht. „Uns war es wichtig, dass wir die verschiedenen Sektoren des Nutztiersektors zusammenbringen“, so Dr. Enno Gottschalk, Geschäftsführer von Elanco Deutschland. „Die Akzeptanz des Berichts zeigt, dass es richtig war, Nutztierverbände und Wissenschaft eng einzubinden. Somit sind Objektivität und Praxistauglichkeit der Vorschläge gewährleistet.“
Perspektiven, Entwicklungen, Veränderungen
Die Diskussion rund um diesen Bericht belegt: In der Branche wird heftig über die eigene Zukunft diskutiert. So auch - zeitgleich zur Grünen Woche – in Ulm. Die Stuttgarter Viehzentrale Südwest GmbH, der Vermarkter-Gesellschaft der Vieherzeuger-Gemeinschaft eG, hatte eingeladen – und der Saal war brechend voll mit Genossenschaftsmitgliedern. Kein Wunder, denn die Expertenvorträge „Perspektiven des Veredelungsstandorts Süddeutschland“ und „Haltungsverfahren der Zukunft – Entwicklungen und erwartete Veränderungen“ trafen den Nerv der Rinder- und Schweinehalter. Die Zahl der Erzeugerbetriebe geht stetig nach unten – bundesweit und auch in Baden-Württemberg. Da geriet die gute Nachricht von Viehzentrale-Geschäftsführer Dr. Rainer Pflugfelder fürs Geschäftsjahr 2016 über eine Dividendenzahlung sowie eine Warenrückvergütung für die Mitglieder beinahe zur Nebensache. „Die Viehzentrale behauptet sich gut am Markt.“ Man sieht sich an den Pranger gestellt. Dr. Reinhard Funk, Schweinehalter und Vorsitzender der Vieherzeuger-Gemeinschaft, brachte es in seiner Begrüßung auf den Punkt: „Viele Organisationen sagen uns gerade, was wir angeblich alles falsch machen.“ Das Image der Nutztierwirtschaft sei schlecht. Ein ungerechter Zustand, wie Funk mit einem Zitat herausstellte: „Wer Hunger hat, hat ein Problem. Wer satt ist, hat viele Probleme.“ Wie dagegenhalten? Er mahnte: „Das momentane Image-Tal werden wir nicht ohne eigene Aktivitäten durschreiten können.“ Die Frage laute: „Geht der generelle Betrachtungs- und Strukturwandel in der Nahrungsmittelerzeugung mit oder ohne uns vonstatten?“ Natürlich besser mit. Deshalb appellierte Funk an die Genossenschaftsmitglieder, sich bei der Initiative „Heimische Landwirtschaft“ zu beteiligen. Um die Leistungen der Landwirte für die Gesellschaft sichtbar zu machen und Vertrauen zwischen Verbrauchern und landwirtschaftlichen Erzeugern zu schaffen, gründeten einige Landwirte 2011 die in Erfurt beheimatete Initiative „Heimische Landwirtschaft“, der sich mittlerweile bundesweit über 1.200 Agrarbetriebe angeschlossen haben.
Ziel der Initiative ist es, durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit ein aus ihrer Sicht realistisches Bild der heutigen Landwirtschaft zu vermitteln. Eine zentrale Rolle spielen dabei Radiospots, in denen die vielfältigen Aufgaben der Landwirte nach Angabe der Initiatoren transparent und verständlich dargestellt werden. Im Februar liefen im Südwestrundfunk wieder entsprechende Spots. Damit es in Baden-Württemberg weitere geben kann, müsse laut Funk die Zahl der Initiative-Mitglieder „von aktuell nur 74 auf etwa 500 steigen“. Die jährlich anfallenden 100 Euro an Mitgliedsbeitrag sollten da kein Hindernis darstellen, meinte Funk.