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Union Investment: Robustes Neugeschäft in schwierigem Umfeld

Union Investment
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Herr Reinke, das Jahr 2022 war voller Veränderungen, wie blicken Sie darauf zurück?

Ich weiß nicht, wie es Ihnen ging, aber noch nie habe ich ein Jahr als so bedrückend und einschneidend wahrgenommen. Spätestens seit dem 24. Februar 2022 leben wir in einer neuen Welt und in einem neuen Modus, den Olaf Scholz als Zeitenwende bezeichnet hat. Wir haben Krieg in Europa, und die Welt ordnet sich neu – politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich. Deutschland ist dabei notgedrungen auf der Suche nach einem neuen Geschäftsmodell: Billige Energie aus Russland, Sicherheit aus den USA und billige Vorprodukte aus China, die zu enormen Exportüberschüssen führten – das ist vorbei. Deutschland muss sich neu erfinden.

Sie haben im Rahmen Ihrer Jahrespressekonferenz die Geschäftszahlen von Union Investment präsentiert. Wie haben sie sich unter diesen neuen Rahmenbedingungen entwickelt? 

Rein aus den Zahlenreihen lässt sich das nur bedingt ablesen. Deshalb möchte ich unsere Geschäftsentwicklung 2022 in diesen Gesamtkontext stellen und zunächst die Frage beantworten, wo wir herkommen. Aus unserer Perspektive war die vergangene Dekade die Dekade des Asset Managements. Die Kapitalmärkte haben für permanenten Rückenwind gesorgt. Im Prinzip haben wir 15 Jahre sinkende Zinsen und 13 Jahre steigende Aktienkurse gesehen. Beste Bedingungen für die Fondsidee. Den Schwung aus der letzten Dekade haben wir mit ins Jahr 2021 genommen, es war ein Ausnahmejahr im positivsten Sinne, das sich in überaus großer Dynamik und Rekordzahlen widergespiegelt hat.

Aus dieser positivsten aller Welten sind wir 2022 gestartet und wurden nach wenigen Wochen mit Dingen konfrontiert, die wir uns zuvor nicht vorstellen konnten. Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel und der Aufgabe, unsere Robustheit in der Zukunft zu erhalten. Doch nun zu ihrer Frage: Union Investment konnte das Jahr 2022 mit einem guten Ergebnis abschließen. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen können wir über Zuflüsse bei unseren beiden Kundengruppen und damit über ein robustes Neugeschäft berichten.

Während sich in der Branche ein sehr gemischtes Bild zeigt, flossen uns in den vergangenen zwölf Monaten insgesamt 17,5 Milliarden Euro netto an neuen Geldern zu. Dies bedeutet zwar einen deutlichen Rückgang im Vergleich zum Rekordabsatz des Vorjahres, ist jedoch signifikant mehr als 2020 – dem ersten Jahr der Pandemie.

Blicken wir auf die einzelnen Segmente. Wie hat sich das institutionelle Geschäft entwickelt?

Hier schlug sich die Zinswende in rentenlastigen Portfolios nieder und führte zu Handlungsbedarf bei institutionellen Kunden. Zum einen belasteten die höheren Zinsen die bilanziellen Bewertungen und die Risikobudgets. Zum anderen benötigten einzelne Unternehmen krisenbedingt Liquidität und lösten dafür Positionen auf. Im Gesamtjahr führte das bei uns zu einem Nettoabsatz im institutionellen Geschäft von 6,8 Milliarden Euro und einem Bestand zum Jahresende von 222,8 Milliarden Euro. Der Bedarf institutioneller Kunden war gerade in der angespannten Situation des Jahres 2022 sehr heterogen und der Rahmen wird für die Anlage institutioneller Gelder immer komplexer. Rentabilität, Liquidität, Volatilität, Risikomanagement, Nachhaltigkeit, Regulierung und am Ende Reporting – das Spannungsfeld, mit dem institutionelle Kunden konfrontiert sind, erfordert immer mehr Individualität als Standard. Einen Beleg für den von großer Individualität geprägten Kundenbedarf sehen wir zum Beispiel im unverändert starken Interesse an Spezialfonds. So flossen unseren Spezialfonds in den vergangenen zwölf Monaten 12,7 Milliarden Euro netto an neuen Geldern zu.

Was hat private Kunden im Jahr 2022 besonders beschäftigt und wie sehen hier die Zahlen aus?

Unsere Wahrnehmung ist, dass private Fondsanleger mit jeder Krise besonnener und resilienter werden. Unsere Botschaft der Notwendigkeit einer ausgewogenen Vermögensstruktur, die wir als Evolution des Sparens bezeichnen, scheint immer mehr in der Breite anzukommen. Jetzt zahlt sich aus, dass wir nicht müde werden, diese Botschaft zusammen mit unseren Partnerbanken im Gespräch mit dem Kunden zu adressieren. Entsprechend sind unsere Absatzergebnisse im Privatkundengeschäft von großer Konstanz geprägt. Wir erzielten im vergangenen Jahr mit privaten Kunden einen Nettoabsatz von 10,7 Milliarden Euro und verwalteten zum Jahresende einen Bestand privater Gelder von 190,3 Milliarden Euro. Das ist historisch das zweitbeste Absatzergebnis im Privatkundengeschäft – und das in einem Krisenjahr wie 2022, indem es uns zudem gelungen ist, die Zahl unserer privaten Fondskunden um einhunderttausend auf 5,8 Millionen auszubauen. Ein positives Gesamtergebnis, das wir auf die enge und gute Zusammenarbeit mit unseren Partnern in der Genossenschaftlichen FinanzGruppe zurückführen. Daher danke ich an dieser Stelle besonders den Beraterinnen und Beratern der über 700 genossenschaftlichen Banken und Sonderinstitute, mit denen wir seit vielen Jahren so erfolgreich zusammenarbeiten dürfen.

Welche Werte standen bei Ihren privaten Anlegern im Fokus?

Die Absatzstruktur zeigt, dass unsere privaten Anleger Substanzwerte nach wie vor favorisieren. Die größten Nettozuflüsse verzeichneten Aktienfonds mit 6,7 Milliarden Euro, gefolgt von Mischfonds mit 2,6 Milliarden Euro und Offenen Immobilienfonds mit 1,9 Milliarden Euro. Während sich bei Rentenfonds Zu- und Abflüsse die Waage hielten, flossen aus Geldmarkt- und wertgesicherten Produkten Mittel ab.

Was ist das Geheimnis hinter der starken Absatzleistung trotz der genannten Herausforderungen?

Wir führen die in der Tat starke Absatzleistung auf die Nähe zu unseren Partnerbanken und auf unsere Weichenstellungen der Vorjahre zurück. So haben wir früh das ratierliche Sparen priorisiert, weil es den Einstieg in die Wertpapiermärkte erleichtert, den Blick auf langfristige Ansparprozesse lenkt und überstürzte Verkäufe in volatilen Zeiten reduziert. Das zahlt sich nun aus. Fondssparpläne entwickeln sich immer stärker zur tragenden Säule des Privatkundengeschäfts. 

Wie sehen hier die Zahlen aus?

Die Zuflüsse aus regelmäßigen Zahlungen machten im vergangenen Jahr 7,8 Milliarden Euro aus. Mit klassischen Fondssparplänen, Riester- und VL-Verträgen verwalteten wir zusammengenommen Ende Dezember 2022 einen Bestand von knapp 6,4 Millionen Verträgen, die regelmäßig bespart werden. Für uns ein weiterer klarer Beleg, dass die Evolution des Sparens immer stärker an Bedeutung gewinnt. Denn auch künftig sprechen die Argumente für eine ausgewogene Allokation und damit für die Fondsidee. Es geht nämlich auch perspektivisch darum, mit den investierten Geldern reale Zuwächse zu erzielen. Zwar ist der Zins wieder da, doch zeichnet sich derzeit noch kein Zurück in die alte Welt ab. Trotz der Zinswende verlieren Zinssparer momentan real mehr Geld denn je. Dem gilt es mit einer aktiven Allokation und Selektion entgegenzusteuern, um so nachhaltig Wohlstand zu sichern. Das sehen nicht nur wir so. Das wird uns auch in Erhebungen gespiegelt.

Können Sie das konkretisieren?

Gerne: Trotz der Renaissance der Zinsanlagen und einer wachsenden Unsicherheit bezüglich der persönlichen finanziellen Situation ist die Sicht auf die Anlageformen konstant. So bleiben Aktien und Investmentfonds weiter im Relevant Set der Anleger. Die Hälfte von ihnen sieht sie als attraktiv an. Und gerade viele junge Menschen, genau gesagt 68 Prozent der 20- bis 29-Jährigen, sind laut Forsa-Anlegerbarometer bereit, für einen Mehrertrag zwischenzeitliche Kursverluste in Kauf zu nehmen. Viele sind also auf dem richtigen Weg hin zu einer ausgewogeneren Geldanlage, aber es gibt noch viel zu tun. Langfristige Themen wie die Altersvorsorge oder der Umbau hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft sind nach wie vor ungelöst.

Bleibt das Thema Nachhaltigkeit für Ihre Kunden weiter ein Thema?

Nachhaltigkeit bleibt für private wie für institutionelle Kunden ein facettenreiches und wichtiges Anlagethema, wie die Nachfrage nach nachhaltigen Lösungen zeigt. So floss im Jahr 2022 mehr als jeder zweite Euro unserer Nettozuflüsse im Privatkundengeschäft in nachhaltige Fondslösungen. Betrachtet man die nach Artikel 8 und 9 der Offenlegungsverordnung angelegten Bestände, so verwalteten wir Ende Dezember 2022 ein Volumen für unsere beiden Kundengruppen von 122,3 Milliarden Euro in nachhaltigen Anlagen.

Wie sieht ihr Blick in die Zukunft aus, was erwarten Sie für die kommenden Monate?

Die Zahlen des Jahres 2022 spiegeln das schwierige Umfeld an den Anlagemärkten ebenso wider wie die Resilienz unseres Neugeschäfts. Mit Blick nach vorne gibt es kein Zurück in die alte Welt, aber an den Anlageprinzipien hat sich wenig geändert. Denn was immer die Welt aus den Fugen geraten lässt und die Märkte umtreibt: Die essenziellen Grundregeln des Sparens bleiben unverändert. Ein Liquiditätspolster für alle Fälle, eine Versicherung wesentlicher Risiken, eine langfristige Perspektive für Ansparen und Altersvorsorge. 

Gerade am Aktienmarkt kommen eine breite Streuung und ein möglichst gestreckter Ein- und Ausstieg als Faustregel hinzu. Das alles hat sich in der Vergangenheit langfristig immer bewährt und spiegelt auch unsere unternehmerische Sicht nach vorne wider. Die Chancen sind nach wie vor größer als die Risiken. Das genossenschaftliche Fondsgeschäft bleibt ein Wachstumsmodell. Gleichzeitig gibt es noch viel zu tun. Für uns als Union Investment ist dieser Rahmen Ambition und Perspektive zugleich.

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