Das gemeinsame Positionspapier „Mittelstand stärken – Kreditfinanzierung sichern – Finanzmarktregulierung anpassen“ war Grundlage der jüngsten Gespräche in Brüssel, die der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband (BWGV) zusammen mit Vertretern des Handwerkstags (BWHT), des Industrie- und Handelskammertags (BWIHK) und des Sparkassenverbands (SVBW) führte.
Erfolgsmodell der Mittelstandsfinanzierung in Gefahr
Am Wirtschaftsforum der baden-württembergischen Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut am 6. Februar 2017, das künftig jedes Jahr stattfinden soll, nahmen auch EU-Kommissar Günther Oettinger und der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Rainer Wieland, teil. BWGV-Verbandsdirektor Gerhard Schorr sprach die Regulierungswelle seit 2008 an. Sie trifft insbesondere die für die Mittelstandsfinanzierung unerlässlichen kleinen und mittleren Banken (KMB) vor Ort. Die EU-Kommission hat es in den Vorschlägen zur Überarbeitung der Eigenkapitalanforderungen versäumt, KMB in angemessenem Umfang von der Regulierung zu befreien oder sie darin proportional und differenziert zu berücksichtigen. Es genügt nach Ansicht des BWGV nicht, sich hauptsächlich auf Erleichterungen für die Mittelstandsfinanzierung in Form eines KMU-Unterstützungsfaktors zu verlassen. Mehr Augenmaß bei der Bankenregulierung ist essenziell, damit der kreditfinanzierte Mittelstand ein Erfolgsmodell bleibt. Volksbanken und Raiffeisenbanken sind zusammen mit den Sparkassen mit einem Marktanteil von 80 Prozent Hauptfinanzierer des Mittelstands und tragen so wesentlich zur Wertschöpfung der Wirtschaft vor Ort bei.
Mittelstandsfinanzierung und Finanzmarktregulierung sind zwei Seiten einer Medaille
Im Dialog mit neun Europaabgeordneten und Vertretern der Kommission wurde deutlich, dass der klassische Bankkredit die wichtigste Finanzierungsform im Mittelstand bleiben wird und auf dem Weg in eine Kapitalmarktunion nicht zugunsten risikofreudiger Finanzierungsinstrumente diskriminiert werden darf. Für lebhafte Diskussionen sorgte auch der Kommissionsvorschlag über ein europäisches Einlagensicherungssystem (EDIS). Verbandsdirektor Schorr betonte, dass die Genossenschaftsbanken und Sparkassen durch ihre Sicherungssysteme bei Sparerinnen, Sparern und Unternehmen Vertrauen genießen. Dieses dürfe nicht durch die Vergemeinschaftung der Einlagensicherung zerstört werden, denn die Sicherheit der Spargelder und Anlagen ist ein tragendes Element unserer erfolgreichen mittelständischen Wirtschaft. Außerdem schwächt der Vorschlag das Prinzip der Eigenverantwortung. Dennoch werden alle Verbände konstruktiv am Gesetzgebungsverfahren im Europäischen Parlament mitarbeiten. Vize-Parlamentspräsident Wieland wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es wichtig sei, andere EU-Staaten über die deutsche Mittelstandsfinanzierung aufzuklären und Partner zu finden, um zu einer mehrheitsfähigen Lösung zu kommen. Mit dem baden-württembergischen Europaminister Guido Wolf waren sich die vier Verbände darin einig, dass es bei der Forderung nach Proportionalität und Differenzierung bei der Bankenregulierung nicht bei Lippenbekenntnissen bleiben darf, sondern dass die Entlastung für KMB energisch vorangetrieben werden muss.