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Quo vadis Homeoffice?

Homeoffice-Diskussion
Tim Reckmann / pixelio.de

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Man kann die Freude über den ersten persönlichen Kontakt nach Monaten der Abstinenz förmlich mit Händen greifen. Noch etwas zögerlich beginnen wir uns im Alten wieder einzuleben. Häufig mit der leisen Ahnung oder klaren Gewissheit im Gepäck, dass bislang vertraute alltägliche Selbstverständlichkeiten morgen schon wieder verändert sein können.

Diskussion um wie viel mobiles Arbeiten

Aber auch etwas Anderes begleitet uns. Viele der im Ausnahmezustand gemachten Erfahrungen waren für uns nicht nur schmerzhaft, sondern auch chancenreich und vorteilhaft. Das mobile Arbeiten gehörte definitiv dazu. Im Augenblick erleben wir nun, wie die Diskussion, wie viel Büro nötig, wie viel Homeoffice sinnvoll ist, an Fahrt gewinnt. Wo die einen bestens mit dem Homeoffice klarkommen, scheitern die anderen am Zuviel an Freiheit. Wo die physische Anwesenheit betrieblich unabdingbar scheint, gewähren andere maximale Wahlfreiheit. Plötzlich klaffen tiefe Meinungs- und Präferenzgräben und die Suche nach den richtigen Vorgaben und Regeln beschäftigt vor allem Chefetagen, Führungskräfte und Personalabteilungen.

Das Thema an sich steht nur beispielhaft für eine von vielen Fragestellungen, die auf der Suche nach der richtigen Post-Corona-Balance beantwortet werden müssen. Interessant sind dabei nicht nur die Themen, sondern wie die einzelnen Unternehmen bei der Beantwortung dieser Fragestellungen vorgehen. Hieran lässt sich ablesen, inwieweit die tragenden Säulen der Unternehmens- und Führungskultur, der Kommunikation und Kollaboration tatsächlich verändert werden und welche Weichen neu gestellt wurden, um nach neuen Lösungen zu suchen.

Was ist konkret zu tun?

1. Überprüfen Sie Ihr eigenes Mindset und diskutieren Sie bewusst andere Perspektiven.

Unsere persönliche Definition einer Situation oder eines Themas ist stark geprägt von unseren Erfahrungen, inneren Glaubenssätzen und grundsätzlichen Überzeugungen. Entsprechend automatisch rutschen wir in gut bekannte Bewertungsmuster und verschließen den Raum für andere Möglichkeiten. Unabhängig davon, welches Thema Sie also pandemiebedingt in den Fokus rücken, werden Sie sich zunächst Ihrer inneren Haltungen bewusst.

Wenn Sie beispielsweise davon überzeugt sind, dass das informelle Gespräch am Rande einer Besprechung oder der spontane Ideenaustausch an der Kaffeemaschine essenziell für gute Zusammenarbeit sind, werden Sie die Frage nach mehr oder weniger Homeoffice vermutlich anders beantworten, als wenn Sie annehmen, dass Remote-Arbeitende auch ohne physische „Kontrolle am Arbeitsplatz“ einen tollen Job machen können. Um zu überprüfen, ob das, was Sie denken und fühlen, wirklich der Realität in Ihrer Organisation entspricht, braucht es andere Perspektiven. Erst die variierenden Sichtweisen Ihrer Kolleginnen und Kollegen sowie der gemeinsame inhaltliche Diskurs ermöglichen Veränderung und stellen die Weichen für die richtige Entscheidung.

2. Finden Sie heraus, um was es im Kern noch geht und arbeiten Sie (auch) daran.

Schwerpunktmäßig geht es bei den meisten Homeoffice-Diskussionen um formale Aspekte. Verständlich, denn am Ende müssen Betriebsvereinbarungen beziehungsweise Einzelregelungen definieren, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Arbeit aus dem Homeoffice heraus möglich sein soll. Welche Tätigkeiten eignen sich, können Kosten gespart werden, welche modernen Workplace-Lösungen braucht es, etc.? Das ist wichtig und ebenso relevant ist es, den weiteren Kern der Diskussion zu treffen.

Schaut man hinter die Kulissen und erkundet, weshalb sich zum Beispiel Führungskräfte ihre Mannschaft wieder zurück ins Büro wünschen, offenbaren sich teils ganz andere Beweggründe. Da klaffen immer noch Vertrauenslücken, die offensichtlich nur durch die soziale Kontrolle am Arbeitsplatz zu schließen sind, da macht sich Ohnmacht breit, scheint das unabhängig remote arbeitende Team doch gut ohne die Führungskraft klarzukommen. Da treibt der Wunsch nach sozialer Nähe und Gemeinschaft die Kolleginnen und Kollegen ins Büro, weil remotes Arbeiten zwischen Homeschooling und Vereinsamung und die damit verbundenen psychologischen Belastungen wie Schatten auf der Pandemie-Seele kleben. Kurzum, die Diskussion zum hybriden Arbeiten ist vielschichtiger und tiefer als es auf den ersten Blick scheint. Nutzen Sie die damit verbundene Chance, den ebenso wichtigen Themen Ihrer  Organisation auf die Spur zu kommen und die tatsächlich notwendigen Veränderungen für das künftige Miteinander Arbeiten anzustoßen.

3. Fragen Sie die, die es wirklich betrifft und reflektieren Sie gemachte Erfahrungen.

Die meisten Konzepte, auch die für gutes remote Arbeiten, gibt es nicht von der Stange. Genauso schwierig lässt sich aus der Management-Vogel- perspektive beurteilen, welcher Remote-Kontext für Ihre Organisation der richtige ist. Dafür müssen Sie schon tiefer in die Organisation hineinschauen.

Die zunächst unfreiwillig gemachten Erfahrungen der vergangenen Monate dürften sich daher als Geschenk erweisen, denn jetzt ist der ideale Zeitpunkt, in Ihren Teams über das Erlebte zu reflektieren. Das meint vor allem sich Zeit zu nehmen, die vergangenen Monate mit den Routinen, Prozessen und Erlebnissen des Remote-Arbeitens unter die Lupe zu nehmen und darüber zu sprechen, wie das zukünftige Miteinander aussehen soll und was im „new normal“ geregelt sein muss. Das Vorgehen scheint auf den ersten Blick aufwändig und der Charme einer kurzen Umfrage zum Thema verlockend. Im Vergleich zur anonymisierten Befragung, in der allerlei Wünsche der Teilnehmenden eine unerfüllbare Erwartungshaltung erzeugen, hat das Vorgehen jedoch den großen Vorteil, Ihre Kolleginnen und Kollegen in die Mitverantwortung der Gestaltung zu nehmen. Neben dem, dass Sie deren Sichtweisen und  Bedürfnisse ernst nehmen, sorgen die gewonnenen Erkenntnisse eventuell für die nötige Differenzierung des Themas und verhindern eine voreilige One-fits-all-Lösung.

4. Sorgen Sie dafür, dass möglichst alle für die (neue) Situation gut befähigt sind.

Schon länger haben Führungskräfte und Mitarbeitende die gewohnte Prozessbahn verlassen und eine steile Lernkurve hinter sich gebracht. Mehrheitlich fand und findet dieses Lernen durch eigenes situatives Handeln am Arbeitsplatz statt – learning by doing im Schnelldurchlauf sozusagen. Während das Wissen zur Anwendung neuer Kollaborationsplattformen mit einem guten YouTube-Erklär-Video selbst erschlossen werden kann, benötigen andere Themen Raum, Zeit und klare Impulse, um sich zu entwickeln. Remote zu arbeiten stellt hohe Anforderungen an die Selbstführung jedes Einzelnen, es verlangt von Teams neue Kommunikationsmuster und andere Arten der Konfliktlösung. Wo sich online Streitigkeiten leichter umgehen lassen, in der Videokonferenz Argumente gegeneinander in den Ring geschickt werden und Feedback nicht automatisch passiert, braucht es die sorgfältige Organisation und adäquate Umsetzung von Lernen einmal mehr.

Prüfen Sie daher sorgfältig, welches Qualifizierungspotenzial Ihre Zukunftsthemen/-entscheidungen auslösen und mit welchen Lernsettings Sie Ihre Mannschaft bestmöglich darauf vorbereiten.

Heimathafen Büro

Zum guten Schluss noch ein persönliches Statement. Bei aller Liebe zur Virtualisierung: Ich glaube fest daran, dass wenn es darum geht, Zusammenarbeit zu ermöglichen, Begegnungen sicherzustellen, miteinander in den Diskurs zu gehen, Feedback zu geben nicht nur der Bildschirm, sondern auch die persönliche Begegnung neu organisiert werden muss. Nur dann können wir aus dem vollen Potenzial schöpfen, das uns Menschen zur Verfügung steht: nonverbale Signale empfangen, Spontanität erzeugen und Intuition wirken lassen. Der Heimathafen Büro bleibt dafür wichtig.

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